Die Verbandsgebrauchsprüfung (VGP) wird als Meisterprüfung für unsere Vorstehhunde bezeichnet. Doch kann ein Jährling mit bestandener VGP überhaupt tatsächlich jagdlich brauchbar sein? Revierjagdmeister Sascha Schmitt ist dieser Frage kritisch nachgegangen.
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Bereits am Sammelplatz konnte es Mitjäger Bernd kaum noch erwarten, seinen neuen Jagdhund vorzustellen. „Das ist ‚Zeus‘“, berichtet er strahlend, als er den offensichtlich äußerst jungen Vorstehhund-Rüden aus dem Kofferraum lässt. „Jugendsuche und Herbstzuchtprüfung mit Superergebnissen. Bei der VGP war er mit 336 Punkten sogar Suchensieger. Dabei ist er gerade erst 13 Monate alt! Seit drei Wochen habe ich ‚Zeus‘ jetzt, und heute wird er das erste Mal mit mir jagen. Musste zwar eine ganz hübsche Summe für ihn hinblättern, aber da er so jung ist, kann ich ja lange mit ihm arbeiten, dann rechnet sich das wieder“, berichtet der Geschäftsmann strahlend. „Ist er denn überhaupt bejagt?“, fragt Michael auf dem Weg zum Treiberwagen. „Muss er ja wohl, sonst hätte er die VGP doch nie bestanden. Außerdem ist sein Abrichter ein Ass. Der führt jedes Jahr eine Menge Hunde auf Prüfungen. Ich bin mir sicher, dass ‚Zeus‘ heute zeigen kann, was er auf dem Kasten hat.“
Michael gibt darauf keine Antwort, aber sein Blick spricht Bände. Und bereits im ersten Fasanentreiben zeigt „Zeus“ tatsächlich, was in ihm steckt. Statt unter der Flinte zu suchen, stürmt er in dem kleinen Wildacker hin und her, wirft das Wild ohne vorzustehen heraus und hetzt lauthals jedem Hasen hinterher. Während sein Führer anfänglich noch versucht, den Hund durch Downbefehle und Trillerkonzerte in den Griff zu bekommen, resigniert er schon nach kurzer Zeit und ist nur noch entsetzt. Dann passiert es: Ein beschossener Hahn fälltflatternd vor „Zeus“ in den Wildacker. Jetzt könnte er vor der kleinen Jagdgesellschaft punkten, wenn er zumindest sauber apportiert. Ja, wenn … Aber anstatt das Stück zu greifen und seinem Herrn zu bringen, umtanzt der Vorstehhund den Hahn und gibt Laut. „Bernd, lein ihn endlich an. Das kann doch keiner mit ansehen!“, brüllt Jagdherr Theo quer durch das Treiben, „Anleinen und ab ins Auto mit deinem Wunderhund!“ Tatsächlich fängt Bernd seinen Vierläufer ein und stapft mit hängenden Schultern sichtlich geknickt zum Wagen.
Derartige Probleme sind kein Einzelfälle. Viele Jäger, die nicht die Zeit oder das Talent haben, selbst einen Junghund aufzuziehen und auszubilden, wollen nicht auf einen brauchbaren Vierläufer verzichten und schaffen sich einen fertigen Hund an. Für viele ist dabei eine bestandene VGP ausschlaggebend. An ihr versuchen sie, das Können und die Brauchbarkeit des vierläufigen Jagdhelfers abzulesen. Eine hohe VGP-Punktzahl wird dann vielfach als Beweis für die uneingeschränkte jagdliche Einsatzfähigkeit des Hundes angesehen. Dies ist zwar nachvollziehbar, hat mit der Realität aber häufig nichts zu tun.
Auf der Jagd zeigt sich, ob der Hund tatsächlich Meister seiner Fächer ist. Wer einen VGP-geprüften Hund kaufen möchte, sollte daher den Abrichter mit Hund ins eigene Revier einladen.Foto: Michael Migos |
Schafft sich ein Abrichter, egal ob Berufs- oder Hobbydresseur, einen oder mehrere Junghunde an, um diese nach bestandener VGP zu verkaufen, wird er stets darum bemüht sein, diese Vierläufer mit bestmöglichen Ergebnissen und einem überschaubaren Aufwand an Zeit auf den einzelnen Prüfungen vorzustellen. Aus diesem Grund wird er tunlichst alles vermeiden, was die Dressur seiner Zöglinge erschweren oder gar gefährden könnte. Gerade die Abrichtung in den Gehorsamsfächern wird bekanntlich durch frühes Einjagen der Vierläufer nicht erleichtert. Ein Hund, der das Jagen schon frühzeitig kennengelernt hat, muss im Gehorsam intensiver durchgearbeitet werden als ein „jagdlicher Nichtraucher“, der noch nie Beute gemacht hat.
Ähnlich verhält es sich auch mit der Standruhe, dem Buschieren oder anderen Arbeiten, bei denen die jagdliche Unbelecktheit des Hundes die Abrichtung und letztendlich das Bestehen der Prüfung erleichtert. Viele Abrichter machen keinen Hehl daraus, dass die Hunde, die sie veräußern möchten, niemals vor der VGP jagdlich eingesetzt werden. Das belegt, dass diese Hunde nicht etwa auf die jagdliche Praxis vorbereitet werden, sondern zielgerichtet für die einzelnen Prüfungsfächer dressiert werden. Verwunderlich ist dann, wenn in den Verkaufsanzeigen dieser Dresseure jeder Hund als „voll bejagt“ angepriesen wird. Viele dieser Vierläufer haben aber noch nie ein warmes Stück Wild gebracht, kennen nur ihren ausgestopften Schleppenfuchs, und das einzige lebende Wild, mit dem sie es bisher zu tun hatten, war die Ente bei der Wasserarbeit.
Ob nun als willkommenes Zubrot oder Haupterwerb – nur wenige Abrichter führen Hunde aus Idealismus, sondern vielmehr aus finanziellen Gründen. Deshalb sind sie daran interessiert, möglichst hohe Punktzahlen zu erreichen, um einen ansehnlichen Verkaufspreis zu erzielen. Möglichst früh sollte deshalb der Vierläufer auch die Prüfungen durchlaufen. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet schmälert jeder Tag, an dem sie ihren Schüler füttern und mit ihm arbeiten müssen, den Gewinn. Doch nicht nur die Senkung der eigenen Kosten spricht für das frühe Führen. Junge Hunde lassen sich auch einfacher verkaufen.
Ein anderer Grund für das inzwischen weit verbreitete frühe Vorstellen auf Verbandsprüfungen kann durchaus als führerischer Ehrgeiz bezeichnet werden. Es gehört Fingerspitzengefühl und führerisches Können dazu, einen fünfmonatigen Vorstehhund auf einer Verbandsjugendprüfung vorzustellen und gute Ergebnisse zu erzielen. Einige Abrichter wetteifern geradezu untereinander, wer den jüngsten Vierläufer erfolgreich auf einer Prüfung präsentiert. Denn je jünger der Hund, desto eher besteht eine Chance auf den Suchensieg. Und dieser macht sich wieder positiv beim Verkaufspreis bemerkbar. Nicht selten wird der jüngste Hund sogar mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet.
Aus jagdpraktischer Sicht geht dieses frühzeitige Abrichten jedoch auf Kosten des Hundes: Wird dieser schon von frühester Jugend an dressiert, was zwangsläufig mit Druck einhergeht, kann er nur schwer ein freies, selbstsicheres Wesen entwickeln. Statt ihm die Möglichkeit einzuräumen, Passion zu bilden und Erfahrung zu sammeln, wird sein Verhalten kanalisiert. Dabei kommt er gar nicht dazu, seine Sinne und seine Persönlichkeit zu entfalten. Zielgerichtet werden die jungen Hunde auf die einzelnen Prüfungsfächer vorbereitet. Bis aufs Feinste die Abläufe mit ihnen einstudiert.
Ein Jagdhund, der aber nur gelernt hat, bestimmte Verhaltens- und Handlungsmuster auf Abruf bei immer gleicher Abfolge zu zeigen, wird in der Praxis schnell scheitern. Schließlich hat er nie gelernt, unerwartete Situationen eigenständig zu meistern und einen Jagdverstand zu entwickeln. Jede jagdliche Situation, die vom Vierläufer zielgerichtetes Handeln mit Eigeninitiative verlangt, stellt ihn unweigerlich vor ein unlösbares Problem. Neben einer Blockade der Persönlichkeitsbildung und -entwicklung kann auch die Gesundheit durch zu frühe Dressur gefährdet werden. Bekanntlich sind das Skelett, die Bänder und die Sehnen eines Junghundes noch nicht reif genug für große körperliche Anstrengungen. Lange, schnelle Suchengänge, der „Fuchs über Hindernis“ einhergehend mit der Abrichtung im Schwerapport können im schlimmsten Fall die Gesundheit des vierläufigen Schülers beeinträchtigen. Oftmals zeigen sich diese Schäden nicht sofort, holen den Hund aber im fortgeschrittenen Alter ein.
Von der Verbandsjugend- bis zur Verbandsgebrauchsprüfung ist es ein harter Weg. Viele Hunde absolvieren diesen bereits im ersten Feld. Für das tatsächliche Jagen bleibt da kaum Zeit.Foto: Michael Migos |
Der eigentliche Grund einer Verbandsgebrauchsprüfung soll die Feststellung der jagdlichen Vielseitigkeit und einer sauberen Abrichtung sein. So ist auch sinngemäß der Zweck einer VGP in der Verbandsgebrauchsprüfungsordnung beschrieben: „Der auf der VGP leistungsbewertete Hund muss so firm sein, dass ein guter Jäger, der mit der sachgemäßen Führung von Jagdhunden vertraut ist und Hunde weiter auszubilden versteht, mit einem solchen Hund waidgerecht jagen kann.“
Doch wird dieses Motiv nicht geradezu ad absurdum geführt, wenn zu junge und vor allem jagdlich unerfahrene Hunde geprüft werden? Diese Ansicht vertritt auch der Jagdgebrauchshundeverein (JGV) Chemnitz. Deshalb hatte der Verein bereits an die Jahreshauptversammlung 2011 des Jagdgebrauchshundverbandes den Antrag gestellt, das Mindestalter der Hunde auf einer VGP auf 18 Monate heraufzusetzen. Der Antrag wurde zurückgestellt und in diesem Jahr am 18. März von der Delegiertenversammlung im hessischen Fulda mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Auch in dieser Situation muss sich ein „Meisterhund“ sofort von seinem Führer ins „Halt“ befehlen lassen.Foto: Michael Migos |
Die VGP ist eine äußerst anspruchsvolle Prüfung, für die Hund und Führer viel arbeiten müssen. Besonders an den Gehorsam werden hohe Ansprüche gestellt. Ein eingejagter Vierläufer, der eine gut bestandene VGP vorzuweisen hat, ist mit Sicherheit eine lohnende Investition. Fehlt aber die jagdliche Erfahrung und der Hund wurde ausschließlich auf die Prüfung und nicht auf die Praxis vorbereitet, wird sein zukünftiger Besitzer nur wenig Freude mit ihm haben.
Alter Abrichtertrick: Die Schleppen werden stets im gleichen Muster gelegt.Foto: Michael Migos |
Es liegt auf der Hand, dass sich selbst ein Berufsabrichter schwer damit tut, wenn er ein Dutzend Vierläufer im Jahr durchführen und zeitgleich noch richtig einjagen soll. Ganz anders sieht dies wiederum bei einer kleinen Zahl von Berufsjägern und Förstern aus, die jährlich nur einen Vierläufer abrichten. Diese müssen den Hund zwangsläufig einjagen, um ihren Dienst zu versehen. Ihre Jagdhunde werden oft frühzeitig zur Jagd geführt und haben dadurch die Möglichkeit, ihr jagdliches Können und ihre Anlagen zu entwickeln. Die eigene Erfahrung hat bisher gezeigt, dass das frühe Einjagen des Hundes ihn hervorragend auf seine spätere Aufgabe als Gebrauchshund vorbereitet. Gewiss gestaltet sich dadurch die gezielte Abrichtung zu den Prüfungen umfangreicher und intensiver. Unmöglich ist es aber trotzdem nicht. Das Einjagen kann darüber hinaus den „Gebrauchswert“ eines VGPHundes nur steigern.
Gerade für die Ausbildung im Schwerapport sollte der Jagdhund körperlich ausgereift sein.Foto: Burkhard Winsmann-Stein |
Tipps zum Kauf eines VGP-Hundes
1. Schauen Sie nicht nur auf Prüfungsergebnisse! Diese sind zwar ein Richtwert, sagen aber über die jagdpraktische Eignung nur bedingt etwas aus.
2. Laden sie den Abrichter in Ihr eigenes Revier ein, um den Hund dort – am besten während der praktischen Jagd – vorführen zu lassen. Es ist ein alter Trick der Ausbilder, den Hundekäufer ins eigene Revier zu bestellen und dort den Hund zu präsentieren. Meist wird dabei eine Schleppe gelegt, eine Suche gezeigt und unter Umständen am Wasser gearbeitet. Die Schleppe wurde dort aber schon x-mal im selben Verlauf gelegt und die Ente wird im Wasser genauso ausgelegt, wie bei den Übungseinheiten. Der Hund spult dann nur seine einstudierten Fächer ab!
3. Fragen Sie bereits in den ersten Gesprächen gezielt nach der jagdlichen Erfahrung des Hundes. Vorsicht: Lassen Sie sich dabei nicht von Phrasen beeindrucken, wie „er wurde seinem Alter entsprechend eingejagt“. Bei einem Hund, der im ersten Feld durchgeführt wurde, heißt das nur, dass er schlichtweg keine jagdliche Erfahrung hat!