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317 JVG – Wenn die Behörde schlampt

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317 JVG – Wenn die Behörde schlampt, Staatshaftung

317 JVG

Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.“ § 839 Abs. 1 und Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch 2. „Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff (gegen den Beamten) vorbehalten.“ Art. 34 Grundgesetz 3. „Der Anspruch auf Ersatz von Wild- und Jagdschaden erlischt, wenn der Berechtigte den Schadensfall nicht binnen einer Woche, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Beobachtung gehöriger Sorgfalt erhalten hätte, bei der für das beschädigte Grundstück zuständigen Behörde angemeldet hat.“ § 34 BJagdG 4. „Der Anspruch auf Ersatz von Wildschäden ist bei der Gemeinde … innerhalb der in § 34 BJagdG bestimmten Frist schriftlich oder zur Niederschrift anzumelden.“ § 17 Abs. 1 LJG-DVO Bad.-Württ.

II. Der Sachverhalt
Landwirt L. verlangte vom Jagdpächter Schadensersatz, weil Schwarzwild sein Spargelfeld stark beschädigt hatte. Seine Klage wurde jedoch vom Amts- und Landgericht rechtskräftig abgewiesen, weil er den Schaden nicht innerhalb einer Woche ab Kenntnis schriftlich angemeldet hatte. Damit gab sich L. aber nicht zufrieden. Nun verlangte er Ersatz seines Schadens von der Gemeinde, weil er wiederholt den Schaden rechtzeitig dem zuständigen Beamten mündlich mitgeteilt hatte, dieser aber die Schadensmeldung trotz Aufforderung nicht schriftlich protokolliert hat (vermutlich weil er glaubte, es handle sich um eine „Freilandpflanzung von Gartengewächsen“, für die es ohne Zaun sowieso keinen Ersatz geben würde).

III. Das Urteil
Vor Gericht hatte L. teilweise Erfolg. Das Oberlandesgericht verurteilte die Gemeinde zum Ersatz der Hälfte des Schadens, die andere Hälfte musste L. infolge Mitverschuldens selbst tragen. 1. Amtspflichtverletzung Der Gemeindebedienstete habe seine dem L. gegenüber bestehende Amtspflicht schuldhaft verletzt, weil er sich wiederholt geweigert habe, die mündliche Anmeldung des Schadens zur Niederschrift aufzunehmen. Bei ordnungsgemäßem Verhalten des Bediensteten hätte L. den Schaden vom Jagdpächter erlangen können. Denn im Bereich Nordbadens sei Spargel keine Sonderanpflanzung von Gemüse, die nach § 32 Abs. 2 BJagdG hätte umzäunt werden müssen, sondern ein Feldgewächs, das überregional traditionell feldmäßig von Haupterwerbslandwirten angebaut werde. Die gartenmäßige Bewirtschaftung mit Spargel trete demgegenüber völlig in den Hintergrund (vergleiche hierzu Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.7.2004–III ZR 359/03 WuH 1/2005, S. 104). 2. Kein anderweitiger Ersatz Der Anspruch gegen die Gemeinde werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass L. es unterlassen habe, den Schaden durch ein Rechtsmittel abzuwenden (§ 839 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch). Zwar habe L. gegen das abweisende Urteil des Amtsgerichts erfolglos Berufung eingelegt, er habe es aber versäumt, sich unverzüglich mittels einer Dienstaufsichtsbeschwerde an den Bürgermeister zu wenden und eine schriftliche Protokollierung seiner Schadensmeldung zu verlangen (siehe hierzu Bundesgerichtshof in NJW 1986, 1924 unter III.). Die Gemeinde habe jedoch nicht einmal geltend gemacht, dass dies zu einer fristgerechten Anmeldung geführt hätte. 3. Mitverschulden Den Landwirt treffe jedoch ein erhebliches Mitverschulden an der Entstehung des Schadens, weil er den Schaden – nach der Weigerung des Beamten – nicht selbst rechtzeitig schriftlich angemeldet habe, obwohl ihm das möglich und zumutbar gewesen wäre. Auch wenn er als Landwirt nicht über besondere Rechtskenntnisse verfügt habe, so sei ihm doch die rechtliche Bedeutung der Frist (Verlust des Ersatzanspruchs gegen den Jagdpächter) aus früheren Verfahren hinreichend bekannt gewesen. Bei rechtzeitiger schriftlicher Anmeldung hätte der Jagdpächter daher den Schaden ersetzen müssen, so dass die Gemeinde nicht haften würde. Das darin liegende Mitverschulden sei mit 50 Prozent zu bewerten, L. müsse daher die Hälfte des Schadens selbst tragen. Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 5.8.2004 – 12 U 218/04

IV. Ergebnis
1. Der Staat haftet nur, wenn sein Bediensteter (Beamter, Angestellter oder Arbeiter) bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben eine dem Geschädigten gegenüber bestehende Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Das ist bei einer verweigerten, verspäteten oder unterbliebenen Aufnahme/ Niederschrift der mündlichen Schadensanmeldung der Fall, wenn dadurch die kurze Anmeldefrist von einer Woche ab Kenntnis vom Schaden (§ 34 BJagdG) verstreicht. Bei hoheitlichem Handeln haftet der Bedienstete nicht selbst, sondern an seiner Stelle nach Art. 34 Grundgesetz der Staat (hier: die Gemeinde). Dieser kann ihn aber bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Regress nehmen. Hoheitliches Handeln liegt vor, wenn die Behörde gegenüber dem Bürger „von oben herab“ etwas anordnet, genehmigt, gewährt, widerruft oder versagt, z.B. bei Erteilung und Versagung des Jagdscheins, Änderung von Jagdbezirksgrenzen, Bestehen/ Nichtbestehen der J.gerprüfung, Festsetzung des Abschussplans, Waffenerwerb und Waffenentzug usw. Bei privatrechtlichem Handeln, bei dem sich Staat und Bürger auf gleicher Augenhöhe gegenüberstehen, haftet der Beamte persönlich nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch, ein sonstiger Bediensteter und der Staat nach den allgemeinen Vorschriften, z.B. bei Abschluss eines Jagdpachtvertrages mit einer Gemeinde/ einem Land, beim Kauf von Holz im Landesforst zum Hochsitzbau usw. 2. Selbst wenn eine schuldhafte Amtspflichtverletzung vorliegt, ist der Ersatzanspruch gegen den Staat oder den Beamten nur gegeben, wenn der Geschädigte versucht hat, den Schaden durch ein Rechtsmittel abzuwenden. Das bedeutet z. B., dass der Geschädigte gegen ein ablehnendes Urteil Berufung einlegen muss, um eine Haftung des Staates/des Beamten abzuwenden. Auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gilt als Rechtsmittel, wenn sie geeignet ist, die Haftung der Gemeinde zu verhindern. 3. Das Mitverschulden ist meines Erachtens zweifelhaft. Wenn das Gesetz neben der schriftlichen Anmeldung auch die mündliche Mitteilung zur Niederschrift bei der Gemeinde als gleichwertige Schadensanmeldung vorsieht, so ist es nicht verständlich, dass den Geschädigten eine Mitschuld trifft, wenn er auch bei einem Fehlverhalten des Beamten davon Gebrauch macht. 4. Wer solche Probleme vermeiden will, der melde seinen Schaden selbst ordnungsgemäß innerhalb einer Woche bei der zuständigen Stelle an. Läuft bereits der letzte Tag, so genügt es, das Schreiben noch im Amt abzugeben oder es vor 24 Uhr unter Zeugen in den Briefkasten der Behörde einzuwerfen. 5. In einigen Ländern kann man den Schaden mündlich und damit auch telefonisch anmelden, so dass es solche Probleme in der Regel nur gibt, wenn eine rechtzeitige Entgegennahme unterbleibt. Die Staatshaftung gilt für alle Bereiche behördlichen Handelns, sie ist daher von genereller Bedeutung.

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