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358 JVG – Denkzettel verpasst

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358 JVG – Denkzettel verpasst KITZE VORSÄTZLICH AUSGEMÄHT

Mark G. v. Pückler

358 JVG

I. Die Rechtsgrundlage

1. „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer (vorsätzlich)

(1.) ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet

oder

(2.) einem Wirbeltier

a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder

b) länger anhaltende oder sich wieder- holende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“ § 17 Tier- schutzgesetz

2. Wird das Eigentum (ebenso das Jagdausübungsrecht) in anderer Weise als durch Entziehung … beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen. § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch

II. Der Sachverhalt

Landwirt L. wurde von einer Anwohnerin darauf hingewiesen, dass sich in einer nahe gelegenen Wiese eine Ricke mit zwei Kitzen aufhält. Er solle den Jagdpächter darüber informieren, damit dieser Schutzmaßnahmen ergreifen kann. In dem daraufhin folgenden Telefonat wies der Jagdausübungsberechtigte den L. unmissverständlich darauf hin, dass dieser ihn einen Tag vor dem Mähtermin kontaktieren möge, damit er die Jungtiere retten könne. Dies unterlies L., obwohl ihm die Notwendigkeit und Folgen hiervon voll bewusst waren.

Als er begann, die Wiese mit einem Kreiselmäher zu mähen, begab sich eine weitere Zeugin auf die Wiese und wies L. erneut auf die Ricke mit ihren beiden Kitzen hin. Hierauf erwiderte L., dass er darauf aus Zeitgründen keine Rücksicht nehmen könne, und setzte seine Arbeiten fort. Nun rief die Zeugin den Jagdpächter herbei, der sofort erschien und ebenfalls L. ohne Erfolg um eine Unterbrechung der Arbeiten bat. Wenig später wurden dem ersten Kitz beide Vorderläufe abgetrennt und die Bauchseite aufgeschnitten. Durch Hupen machte L. die Anwesenden auf sich aufmerksam und deutete auf das laut klagende Kitz, damit der Jäger es erlöse. Dann setzte er seine Fahrt fort und zerfetzte kurz darauf das zweite Kitz auf die gleiche Weise. Anschließend führte er seine Arbeiten zu Ende und verließ die Wiese.

III. Das Urteil

Das zuständige Amtsgericht verurteilte den Landwirt wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in zwei Fällen zu einer Gesamt-Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. L. habe beide Kitze vorsätzlich getötet und ihnen hierbei aus Rohheit erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt. Ein – rechtfertigender – vernünftiger Grund habe hierfür nicht bestanden, da

nach der gebotenen Güterabwägung das Leben der Kitze vorrangig sei gegenüber dem Interesse an einer sofortigen Mahd.

L. habe die Kitze aus Rohheit getötet. In Kenntnis der Folgen habe er sich wiederholt geweigert, seine Arbeit zu unterbrechen und dadurch eine mögliche Rettung der Tiere verhindert. Stattdessen habe er das Mähen aus einer gefühllosen, die Schmerzen und Leiden der Tiere missachtenden Gesinnung heraus fortgesetzt und den Tod der Kitze in Kauf genommen. Dass der Tod letztlich erst durch einen Fangschuss eingetreten sei, sei unerheblich.

Strafverschärfend sei vor allem zu berücksichtigen, dass L. das Mähen unbeeindruckt fortgesetzt habe, nachdem er unmittelbar zuvor beim Töten des ersten Kitzes die „brutalen Konsequenzen seines Tuns“ erkannt habe, ohne sich hiervon beeindrucken zu lassen. Für die Tötung des ersten Kitzes sei eine Strafe von sechs Monaten, für die Tötung des zweiten eine solche von acht Monaten anzusetzen. Diese habe das Gericht zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr zusammengefasst. Amtsgericht Wolfach, Urteil vom 4.12.2013 (noch nicht rechtskräftig)

IV. Anmerkungen

1. Strafe und Schadensersatz

Alle Jahre wieder dieselben Tragödien: Zerfetzte Kitze und zerhackte Junghasen sowie zerstörte Gelege von Bodenbrütern aller Arten, vom Fasan bis zur Feldlerche. Die getöteten Tiere gehen jährlich in die Hunderttausende, von ihren Leiden ganz zu schweigen. Die Mähmaschinen kennen kein Pardon, nur ihre Fahrer können das mildern, wenn auch nicht vollständig vermeiden.

Die Strafe ist ein echter Denkzettel! Der verurteilte Landwirt wird wohl seine Lehren aus seiner rohen und grausamen Tat ziehen. Denn zur Freiheitsstrafe auf Bewährung kommen noch eine Auflage von 4 000 Euro sowie die Gerichtskosten und die Anwaltskosten, sofern er einen eingeschaltet hatte. Und zum Schluss muss er auch noch Schadensersatz für zwei getötete Kitze leisten. Sollte er während der Bewährungszeit erneut in irgendeiner Weise straffällig werden, muss er auch mit dem Widerruf der Bewährung rechnen.

2. Vorsatz erforderlich

Beim Ausmähen von Wild und Gelegen genügt es nicht, den Tod der Tiere durch Zeugen oder Fotos zu bestätigen. Das beweist nur die Handlung. Notwendig ist auch der Nachweis des Vorsatzes. Vorsätzlich handelt, wer absichtlich oder mit sicherem Wissen ein Tier tötet oder wer die Tötung eines Tieres billigend in Kauf nimmt.

Letzteres ist zum Beispiel der Fall, wenn – wie hier – der Landwirt mit dem Vorkommen von Kitzen rechnen muss, sei es, dass er vom Jäger oder einem anderen auf das Vorhandensein der Jungtiere vorher hingewiesen wurde oder in der Vergangenheit wiederholt Kitze auf dieser Wiese ausgemäht wurden, und er gleichwohl mäht, ohne den Jagdausübungsberechtigten rechtzeitig vorher benachrichtigt oder selbst ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen zu haben. Hierzu ist er verpflichtet, als Landpächter aufgrund des Tierschutzgesetzes, als Grundeigentümer zusätzlich aufgrund der auch ihm obliegenden Hegepflicht.

Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Jagdausübungsberechtigte die Landwirte vorher auf vorhandene Kitze und/oder frühere Fälle hingewiesen hat, um im Nachhinein eine vorsätzliche Tötung nachweisen zu können. Bloße Fahrlässigkeit genügt nicht. In diesem Falle ist der Landwirt nur zum Schadensersatz verpflichtet.

Sehr empfehlenswert ist ein Hinweis in der jährlichen Genossenschaftsversammlung, in der die meisten Grundeigentümer anwesend sind sowie ein rechtzeitiger Aufruf im örtlichen Mitteilungsblatt, das von vielen Bewohnern und Spaziergängern gelesen wird. Darin sollte auch die Bitte enthalten sein, in dieser Zeit die Hunde nur angeleint mitzuführen, um Jungtiere und Bodenbrüter zu schützen.

3. Ordnungsgemäße Landwirtschaft keine Rechtfertigung

Ordnungsgemäße Landwirtschaft stellt in der Regel keinen vernünftigen Grund für das vorsätzliche Töten von Wild dar, da das dem Tierschutz widerspricht und auf zumutbare Weise vermieden werden kann. Darüber hinaus stellt ein solcher Eingriff auch eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Jagdausübungsrechts dar, sodass der Jagdausübungsberechtigte Schadensersatz und die Unterlassung unangekündigter Mäharbeiten in der Zeit von Anfang Mai bis Ende Juni verlangen kann (§ 823 und § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch).

Bei einem erstmaligen Ausmähen von Kitzen genügt es, dass das Mähen aktuell bevorsteht. Zur Vermeidung künftiger Fälle ist Wiederholungsgefahr notwendig. Sie liegt vor, wenn bereits in der Vergangenheit ein Ausmähen erfolgt ist, und der Landwirt künftige Fälle nicht sicher ausgeschlossen hat. Mündliche Zusagen genügen hierfür in der Regel nicht, schriftliche ohne Sanktionsmöglichkeit auch nicht immer.

Deshalb ist es am sichersten, dem Landwirt ein Schreiben mit der Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung innerhalb angemessener Frist zu schicken, in dem er sich verpflichtet, künftiges Mähen der Wiese/n im Mai und Juni 48 Stunden vorher dem Jagdausübungsberechtigten und seinem Vertreter anzukündigen, andernfalls er eine Vertragsstrafe in Höhe von jeweils 400 Euro (oder mehr) zu zahlen hat oder Unterlassungsklage beim Amtsgericht erhoben wird. Sendet er es nicht unterzeichnet zurück, liegt Wiederholungsgefahr vor.

V. Ergebnis

1. Das vorsätzliche Ausmähen von Jungwild ohne vernünftigen Grund ist eine Straftat, die mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet wird.

2. Die ordnungsgemäße Landwirtschaft ist kein vernünftiger Grund zum Töten von Wild, wenn dies vorsätzlich geschieht und durch zumutbare Schutzmaßnahmen verhindert werden kann.

3. Das vorsätzliche Töten von Wild stellt außerdem einen rechtswidrigen Eingriff in das Jagdausübungsrecht dar. Bei bevorstehendem Mähen kann der Jagdausübungsberechtigte daher Unterlassung verlangen, bis Schutzmaßnahmen unverzüglich erfolgt sind. Für künftige Fälle kann er das ebenfalls fordern, wenn Wiederholungsgefahr besteht (was im Zweifel anzunehmen ist).

4. Außerdem ist der Landwirt zum Schadensersatz verpflichtet


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