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Mit Taktik und Ausdauer

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Krähen-Jagd mit dem Beizvogel:
Krähen sind überall. Aber kaum will man ihnen mit Flinte oder Kleinkaliber nachstellen, sind sie wie vom Erdboden verschluckt. Ansitzen, pirschen, locken – das kostet viel Zeit, und oft geht man frustriert ohne Beute nach Hause. Aber es geht auch anders.

 

Von Julia Numßen

Schnell, schnell, kommen Sie! Los doch!“ Falkner Frank Seifert zeigt nach vorne auf den Bauernhof. „Da hinten ist der Falke. Sehen Sie ihn? Er stößt gerade nach unten. Da, bei den Bäumen!“ Ich schaue zu den Bäumen: Kein Falke, nur Aas-Krähen. 20, 30, nein, es sind noch viel mehr. Seifert, 35 Jahre alt, drahtig, mittelgroß, spurtet los. Seine braune Lederhose glänzt speckig in der Sonne, die tannengrüne Fleecejacke, über die er eine dünne hellgrüne Weste angezogen hat, sehe ich nur noch von hinten. Jetzt kraxelt er über einen Stacheldraht-Zaun und läuft Richtung Hof.

Endlich

Ich greife nach dem Fotoapparat mit dem 400-Millimeter-Objektiv und renne ihm nach. Ich muss den Falken genau in dem Augenblick erwischen, wenn er in der Luft eine Krähe bindet. Schnell über den Zaun, weiter, weiter, plötzlich bleibt der Falkner stehen. Ich stoppe ebenfalls, reiße die Kamera hoch. Durch die Optik sehe ich nur die schwarzen Gesellen, die aufgeregt krächzend zwischen den Bäumen umherstreichen, nein, flüchten. Ich schwenke mit dem Fotoapparat hin und her, endlich, da ist der Wanderfalke! Ich drücke den Auslöser. Der Falke setzt wieder zum Stoß auf die Krähen an, um eine von ihnen zu binden. „Weiter!“, ruft Seifert mir zu.

Wieso weiter? Meine Güte, der rennt mir schon wieder weg. Ich schnappe noch nach Luft, nichts wie hinterher. „Hei, hei“, schreit der Falkner, tanzt wie Rumpelstilzchen unter den Bäumen hindurch und schwenkt eine blau-gelbe knatternde Rassel. „Er hat eine, ja, er hat eine gebunden.“ Stolz dreht Frank Seifert sich um, ich starre in den Himmel. Wo? Wie? „Los, kommen Sie! Dort hinten!“ Er zeigt auf die Wiese. Tatsächlich: Da ist er ja, der Wanderfalke, rund 50 Meter von uns entfernt steht er schon auf der Krähe und nickt sie mit einem Biss ab.

Und Seifert läuft schon wieder los. Dann, nach gut 30 Metern, verlangsamt er sein Tempo und bleibt schließlich bei seinem Greif stehen, der anfängt die Krähe zu rupfen. Das Bild vom Luftkampf zwischen Falke und Krähe habe ich wohl verpasst. Schade. Etwas aus der Puste gekommen, rufe ich ihm „Falknersheil!“ zu. „Falknersdank!“, erwidert Seifert.

Erst einen Schlachtplan entwerfen

Das Wanderfalken-Weibchen „Amira“, der Name kommt aus dem arabischen und steht für Prinzessin, ist inzwischen im dritten Flug und eine erfahrene Krähen-Jägerin. Es ist die vierundvierzigste in diesem Jagdjahr. „Sie ist gut in Form“, sagt Frank Seifert. „Amira“ atzt gerade die Brust ihrer Beute. „Dreimal in der Woche sind wir in unserem Hegering im Oberbergischen unterwegs und haben oft Falknersheil.“

Natürlich hängt der Erfolg nicht allein von der Fitness des Falken und Falkners ab. Bevor der Falke von der Faust zum Jagdflug startet, muss der Falkner genau beobachten, wo die schwarzen Gesellen eingefallen sind. Erst dann wird ein Schlachtplan entworfen. Seifert: „Ich muss wissen: Wohin soll der Falke die Krähen überhaupt jagen? Ideal sind kleine Feldgehölze oder einzeln stehende Bäume. Sobald die Krähen ihren natürlichen Feind eräugt haben, flüchten sie und fliegen die nächste Deckung an, um dort einzufallen. Sie wissen genau: Der Falke ist ihnen in der Luft überlegen.“

Haben die Krähen den Unterschlupf angenommen, kreist der Greif um sie herum, dominiert sie, stößt wiederholt in den Krähenschwarm. Wenn „Amira“ die Krähen fest hat, muss Seifert hinlaufen und Krach machen, damit sie wieder abstreichen. Erst dann kann „Amira“ sich eine Krähe heraussuchen und versuchen, sie in der Luft zu binden. Deshalb die Rassel und die „Hei“-Rufe? „Richtig. Außerdem wird der Falke durch mich noch stärker motiviert zuzuschlagen.“

Jagen aus eigenem Antrieb

„Amira“ ist inzwischen satt, der Kropf ist prall gefüllt. Seifert streckt „Amira“ die linke Faust mit dem Falkner-Handschuh entgegen. Zufrieden tritt die Prinzessin der Lüfte über, schüttelt sich und lässt sich verhauben. „Das Faszinierende an der Beizjagd ist das Zusammenspiel zwischen Mensch und Greif. Und: Dass ich mir den natürlichen Jagdtrieb meines Falken auf Krähen zu Nutze machen kann. Ich muss den Falken zu nichts zwingen, er jagt aus eigenem Antrieb, weil er Beute machen will.“

Der Falke kehrt zum Falkner auf die Faust zurück, selbst wenn er keine Beute gemacht hat. Der Greif bekommt natürlich eine Belohnung, aber er weiß aus Erfahrung, dass er zusammen mit dem Falkner eine größere Chance hat, eine Krähe zu erjagen. Was würde aber passieren, wenn der Vogel eines Tages überhaupt nicht mehr zurückkommt? Seifert: „Er wird überleben und weiter seine Krähen jagen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Ich habe den Beizvogel ja nicht gezähmt, sondern nur an mich gewöhnt. Ein Beizvogel jagt genauso wie ein wilder Greif. Nur: Er hat gelernt, seinem Falkner zu vertrauen und gemeinsam Beute zu machen. Das unterscheidet ihn von seinen wilden Vettern.“

Frank Seifert streicht über „Amiras“ Gefieder. „Sie ist locke, also vertraut. Und trotzdem wild, kann ihren Jagdtrieb voll ausleben.“ Seifert hat nach der Jägerprüfung 1983 gleich seinen Falknerschein gemacht. Am Anfang hat er mit Habichten gejagt. „Aber im Oberbergischen gibt’s mehr Krähen als Kaninchen.“ Mit ein Grund, warum er sich einen Wanderfalken zugelegt hat. „Habichte sind Sprinter, also Kurzstrecken-Jäger, Falken sind dagegen Langstrecken-Jäger – von ihnen komme ich einfach nicht mehr los.“ „Amira“ trägt einen sechs-Gramm leichten Peilsender auf ihren Stoßfedern. Falls sie so weit jagt, dass Seifert sie aus den Augen verliert, kann er sie auf rund 15 Kilometer anpeilen. „Da fahre ich dann aber mit dem Auto hin.“

Eintagsküken

Der Falkner wird oft von Bauern aus seinem Hegering angerufen, er solle doch mal mit dem Vogel vorbeikommen und die Krähen von den Feldern oder Silos verjagen. „Nichts lieber als das.“

Doch was machen Frank und „Amira“ eigentlich, wenn die Jagdzeit auf Krähen zu ist? „Dann ist sie in der Mauser und braucht bis Ende August ihre Ruhe. Sie bekommt als Atzung Eintagsküken, Tauben- oder Kaninchenfleisch.“ Hört sich ja nicht nach einer aufregenden Zeit an. Frank Seifert lacht: „Doch, es wird ganz aufregend für „Amira“. Denn in diesem Jahr darf sie zum Terzel in die Kammer.“

 

 


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