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Unser Kleinod an der Bundesstraße

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Das Wild und Hund-Revier:
Bis jetzt haben wir hier und da aus unserem Revier berichtet. Was geschieht dort?
In welcher Form wird gejagt und was spielt sich sonst noch ab? Wir möchten Sie ab heute am WILD UND HUND-Revier teilhaben lassen, und Ihnen von jagdpraktischen und anderen erzählenswerten Begebenheiten berichten.

 

Von Dr. Karl-Heinz Betz

Wenn eine Redaktion alle 14 Tage eine neue Ausgabe präsentiert, so bleibt es nicht aus, langsam aber sicher zum „Schreibtischtäter“ zu mutieren. Redaktionsarbeit ist Büroarbeit, doch das, worüber wir schreiben, soll in der Praxis funktionieren, soll praxisgerecht von uns beurteilt werden.

Schon aus diesem Grunde war es unserem Verleger ein wichtiges Anliegen, der Redaktion ein Revier in die Hände zu geben, wo jagdliche Dinge ausprobiert werden können, in dem Jagdstrategien und Bejagungungskonzepte umgesetzt werden und in dem auch Volontäre auf verschiedenen Gebieten ihre ersten jagdlichen Sporen erringen können.

Es ist beileibe kein Musterrevier, es handelt sich nicht um eine Superjagd, in dem Berufsjäger von morgens bis abends dafür sorgen, dass das gesamte Spektrum heimischer Schalenwildarten bis zur großen Präsentationsjagd ungestört bleibt. Nein, es ist ein absolut durchschnittlicher Jagdbogen in der überdurchschnittlich schönen Landschaft des Taunus mit sehr gutem Rehwildbestand, regelmäßigem Schwarzwildvorkommen und mit Damwild als Wechselwild. Es misst 540 Hektar kupiertes Gelände, und im Zentrum liegt ein kleines Dorf, das diesen Namen wirklich noch verdient.
Der Feldanteil scheint mit fast 65 Prozent in der Summe recht hoch, doch werden die landwirtschaftlichen Flächen von Waldstücken, Remisen und knickartigen Hecken zergliedert. Die Felder und das Grünland werden unter anderen von Nebenerwerbslandwirten bewirtschaftet, was einerseits den Vorteil kleiner Schläge hat, andererseits aber ungewöhnlichste Arbeitszeiten bis spät in den Abendansitzbereich zeitigt.

Baumfalke undTurteltaube

Doch auch in diesem scheinbar weltabgewandten Paradies läßt sich die moderne Zeit hoher Mobilität nicht verleugnen. Uns wird sie jeden Tag durch die Westgrenze des Revieres in Form einer vielbefahrenen Bundesstraße gegenwärtig. Und damit teilen wir auch die hieraus resultierenden Probleme vieler Revierpächter, die jedes Jahr einen Teil ihres Abschusses vom Asphalt kratzen müssen.

Aber das Revier hält auch einige Bonbons für den Naturfreund bereit: Der Baumfalke horstet im Revier und lässt an den Sommerabenden häufig seinen weithallenden, keckernden Ruf erschallen, die Wildkatze führt ihr verstecktes Leben in den Mischwaldkomplexen, alle vier heimischen Wildtaubenarten sind vertreten und Wanderfalke und Roter Milan sind neben Habicht, Sperber und Mäusebussard ständiger Gast. Der Dachs hat unter anderem auf knapp hundert Metern einen ganzen Hang im Fichtenaltholz zum Schweizer Käse verwandelt und Reineke fühlt sich auch pudelwohl.

Seien Sie also gespannt, was es aus einem solchen, ganz normalen Revier zu berichten gibt! Als erster berichtet Volontär Burkhard Fischer von einem „Bandhirsch“, den er an einem warmen Vorfrühlingstag bei einem Reviergang entdeckte.

Vier Monate am Band

Als ich den in einem Zaun festhängenden Damhirsch sah, kam mir sofort eine Befreiungsaktion in den Sinn. Bisher hatte ich über solche Heldentaten jedoch nur in der WILD UND HUND gelesen. Verstärkung musste her, aber an diesem Samstag Nachmittag war anscheinend niemand zu erreichen. In dem etwa 300 Meter entfernten Bauernhof half mir auch keiner: „Da verlangen sie aber ziemlich viel von mir“, sagte der Mann der dort im Blaumann an einem Traktor hantierte – und hatte wohl Recht. Endlich erreichte ich einen Kollegen, seines Zeichens Berufsjäger. „Mal sehen, ob wir was machen können,“ sagte der hoffnungsfroh bei seiner Ankunft und drückte ein paar Patronen in seinen alten Repetierer. Der Damhirsch war noch da, seine Bewegungen müde. Nur ab und zu zerrte er am Draht und schüttelte das Haupt, als glaubte er selber nicht, dass es noch was bringt. Doch das änderte sich, als wir uns mit unseren Befreiungswerkzeugen, Drahtschere und Wolldecke, auf etwa 50 Meter näherten: Er fing an zu toben, dass einem Angst und Bange wurde. Mehrfach überschlug er sich am Stacheldraht, die Deckenhaare flogen nur so. Dann war er plötzlich frei und stürmte mit einer gelben Perücke davon.

Ob die Geschichte damit beendet ist? Bald wird er abwerfen und könnte sich von der Litze befreien. Dieses Glück blieb ihm versagt. Er wurde wieder gesichtet. Wie einen Schal trug er das Band nun um den Träger und zog es unter den Läufen hinter sich her. Er hatte sich dadurch einen breitbeinigen Gang angewöhnt. Auch das Abwerfen der Stangen nutzte nichts mehr. Eine hing mit im Knäul. Der Hirsch wurde schließlich zum Abschuss freigegeben. Die Gefahr, dass er sich strangulieren würde, war zu groß. Er wurde am helllichten Tag erlegt, als er über eine Wiese zog.

 


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