Seit 2003 macht die Redaktion im April in Obertiefenbach zwei Zählansitze. Heiko Hornung berichtet über das Ergebnis der diesjährigen Erhebung und was das für die kommende Rehjagd bedeutet.
Foto: Arndt Bünting
Der warme und trockene April ließ bereits zu Ostern das Laub an den Bäumen sprießen. Wetteraufzeichnungen zeigen, dass noch vor 20 Jahren damit frühestens zum 1. Mai zu rechnen war. Das Rehwild hatte auf dem frischen Grün der Wiesen schon im März seinen ersten Aktivitätshöhepunkt. Jetzt lockten auf den Kahlschlägen und in den Dickungen saftige Himbeeren und Kräuter. Die weidelgrasverseuchten Wirtschaftswiesen können da nicht mehr mithalten und sind für Feinschmecker wie das Rehwild nicht mehr wirklich attraktiv.
Wegen Corona und verschiedener Krankheitsfälle hatten wir erst Mitte April genug Teilnehmer für einen Termin beieinander. Bei den Zählansitzen wird die Ostseite des Revieres am Abend und die Westseite am Morgen im Feld abgesetzt. Jeder Beobachter erhält dabei ein Protokoll, auf dem er den Anblick, wann das Stück austritt und wann es wieder einwechselt, verzeichnet. Zudem notiert er das Wetter, Störungen und auch Nebenbeobachtungen wie zum Beispiel vorkommende Singvogelarten auf. Auch letztere sind zum Teil wichtige Bioindikatoren, die Aufschlüsse über bestimmte Habitate oder deren Veränderung geben.
Insgesamt kamen 55 Stück Rehwild, 10 Stück Damwild, 24 Hasen und 2 Füchse in Anblick. Besonders waren zwei Wildkatzen, die sich zusammen beim Morgenansitz zeigten. Das Wetter war sonnig und klar, bisweilen kam ein kalter Ostwind auf, der einen vor allem beim Morgenansitz frösteln ließ. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Rehwild. Wir bilden uns nicht ein, dass wir bei diesem Zählansitz den tatsächlichen Rehwildbestand ermitteln können. Doch das, was wir sehen, haben wir definitiv im Revier, und damit lässt sich arbeiten.
Die 55 Stück unterscheiden sich im Ergebnis nicht groß von den Vorjahren, an denen zwischen 47 und 98 Stück gezählt wurden. Rund 30 % der Revierfläche sind Wald, den wir nicht mit abgesetzt haben. Ohne zu wissen, wie hoch der Bestand wirklich ist, wissen wir, dass die Rehe, die wir in Anblick hatten, definitiv da sind.
Eine starke Geiß. In diesem Jahr bildeten die mehrjährigen Ricken den größten Teil des beobachteten Rehwildes.
Foto: Peter Schmitt
Auffallend war in diesem Jahr der hohe Anteil an weiblichem Wild, vor allen der mehrjährigen Ricken (20). Das hängt vermutlich damit zusammen, dass die Vegetation bereits weit fortgeschritten ist. Die beschlagenen Geißen sind kugelrund, haben einen hohen Äsungsbedarf und sind deswegen aktiver. Zusammen mit 13 Schmalrehen hatten wir damit doppelt so viel weibliches wie männliches Wild in Anblick. Das war zuletzt vor rund zehn Jahren so. Beginnend mit den Zählungen 2003 hatten wir anfangs ein ähnliches Verhältnis und zogen daraufhin nicht nur den Gesamtabschuss, sondern auch den Abschuss des weiblichen Wildes deutlich an. Obwohl wir uns auf den 540 ha Gesamtfläche zwischen 45 und 50 Stück Jahresabschuss eingependelt haben, hat es jetzt wieder diese eventuelle Verschiebung gegeben. Je nachdem, wie sich die Jährlingsdurchschnittsgewichte in diesem Jahr entwickeln, die ein Indiz für einen zu hohen Bestand sein können, heißt das, dass wir den Abschuss unter Umständen anheben müssen. Herzog Albrecht von Bayern hat zum Thema Rehwildhege dazu bereits sinngemäß gesagt, dass derjenige, der starkes Rehwild und gute Böcke haben möchte, nur genug Rehe schießen müsse.
Die Redaktion dokumentiert unter anderem bei Zählansitzen mehrjährige Böcke mit Fotos.
Foto: Johannes Ruttmann
Bei den mehrjährigen Böcken war nichs Außergewöhnliches dabei. Wohl aber kamen Knopfböcke in Anblick. Auch das ist eventuell ein Indiz für einen zu hohen Bestand. In den vergangenen Jahren waren diese im Testrevier Mangelware. Die Schlechtesten trugen lauscherhohe Spieße. Wir werden sehen, was der Mai, in dem unser erstes Jagdintervall startet, bringen wird. In der Regel versuchen wir, bis Ende Mai bereits die gesamte Jährlingsklasse erlegt zu haben, um dann dem Rehwild bis zur Brunft wieder Ruhe zu gönnen.
Die zehn Damhirsche zeigen auf jeden Fall, dass wir bei den Geweihträgern ein gern besuchter Frühjahrs- und Sommereinstand sind. Erfreulich ist auch die Anzahl der Hasen. Vielleicht ein kleines Zeichen, dass die Mühen der Fallen- und Raubwildjagd bei den Mümmelmännern etwas Entlastung schaffen.