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Sommerloch?

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Der Auftakt der Jagd auf Kitze und weibliches Rehwild verlief für die Redaktion zunächst schleppend. Das änderte sich schlagartig gegen Ende September. Über die Ursachen spekuliert Richard Günzel.

Foto: Frank Ecker

Die Sonnenscheibe hat ihren Abendlauf schon geraume Zeit hinter dem westlichen Horizont beendet. Die trockene Hitze des Tages dagegen steht immer noch in der Kanzel. Ein Blick auf das fluoreszierende Ziffernblatt der Uhr: maximal noch fünf Minuten Büchsenlicht. Aber halt! Da bewegt sich doch was! Tatsache. Vom Waldrand lösen sich zwei Schemen. Rehwild, so viel ist klar. Mehr ist mit bloßem Auge aber nicht auszumachen. Selbst durch das lichtstarke Doppelglas wollen die beiden Stücke ihre Geheimnisse nicht preisgeben. Ein, zwei Minuten später sind die Konturen der Wildkörper vollends mit dem Hintergrund der Wiese verschwommen. Der Finger bleibt gerade. Wieder eine Nullnummer. Nicht zu fassen! In zwei Jagdjahren im Testrevier hatte ich fast bei jedem Ansitz Rehwild schussgerecht in Anblick. Diesen September war es dagegen wie verhext.

Nur einmal gelang es im September, Kitz und Ricke gemeinsam zu erlegen.
Foto: Tobias Thimm

Mit seinen relativ kleinteiligen Strukturen, verschachtelten Waldzungen und vielen einstandsnahen Wiesen ist Obertiefenbach ein Rehwildrevier par excellence. Letztere, wo recht einfach Beute zu machen ist und auf denen traditionell auch der Löwenanteil des Abschusses getätigt wurde, erwiesen sich zum Auftakt dieser Saison als auffällig unergiebig. Über die unmittelbare Ursache herrschte in der Redaktion bald Einigkeit: Die anhaltende, drückende Hitze hatte den Boden ausgedörrt. Statt sattem Grasgrün dominierte das Gelb der Savannen und dürren Weltgegenden. Böen wirbelten im wahrsten Sinne des Wortes Staub auf. Die für das Rehwild sonst so attraktive Äsungsflora der Wiesen war gar nicht erst oder verspätet hochgekommen.

Der knochentrockene Boden vereitelte zudem jeden Pirschversuch. Fast schien es, als hätten die Ricken die Kinderstuben ihres Nachwuchses in die Tiefe des Waldes verlegt, wo der Boden die Feuchtigkeit besser hält. Aber auch dort tat sich nicht viel. Auf den – nach Sturmschäden und Käferkalamität – zahlreichen Verjüngungsflächen im Revier (s. WuH 21/2018) konnten wir trotz einer ganzen Reihe von Ansitzen nicht ein Stück erlegen. Zwar kam Wild in Anblick, aber nahezu ausschließlich im letzten Büchsenlicht. Mit einer Ausnahme blieb nie die nötige Zeitreserve, um Kitz(e) samt Ricke zu strecken. Vom 1. bis zum 29. September gelang es der Redaktion lediglich, zwei Stück Rehwild zu erlegen. Ganz wie der verstohlene alte Bock, der, sobald das Brunftgeschehen abklingt, wie von Zauberhand verschwunden ist und sich virtuos durchs Revier mogelt, war von dem noch im Hochsommer so zahlreich sichtbaren weiblichen Rehwild nichts mehr zu sehen. Dies änderte sich dann allerdings schlagartig. Kaum zeigten Thermo- und Barometer nach unten, kaum gab es ein wenig Niederschlag, kam das Rehwild auf die Läufe. Sowohl Anblick als auch Jagderfolg stellten sich wieder ein: Binnen zehn Tagen fielen ebenso viele ­Stücke.

Passt sich also der Aktivitätszyklus des Rehwilds tatsächlich so unmittelbar den jahreszeitlichen Temperaturschwankungen an? Oder sind womöglich andere Ursachen im Spiel? Obertiefenbach ist natürlich nicht repräsentativ für die Reviere der Republik. Haben wir überhaupt die erforderliche Menge an Erfahrung gewonnen, um belastbare Aussagen treffen zu können? Diese Fragen müssen die Wildbiologen klären. Uns bleibt zunächst nur, gegebenenfalls unsere Jagdintervalle anzupassen.

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