Das beschossene Stück liegt nicht am Anschuss, und inzwischen bricht die Nacht herein. Sofort nachsuchen oder bis zum nächsten Tag warten? STEFAN MAYER gibt Hinweise, wie der Jäger diese Situation meistert.
Nachsuche ist keine Nachtsuche.“ Dieser Leitsatz hat uneingeschränkte Gültigkeit, genauso
wie der Umkehrschluss: „Nur Tageslicht ist Nachsuchenlicht.“ Davon ausgenommen
sind lediglich kurze Totsuchen.
Merke: Nachsuchen, außer tatsächliche Totsuchen, werden niemals in der Dunkelheit durchgeführt.
Totsuchen sind keine Nachsuchen im eigentlichen
Sinne. Ein tödlich getroffenes und verendetes Stück wird gesucht, da es der Schütze, beispielsweise in der dichten Vegetation, nicht findet. Bei der Totsuche geht es vorrangig darum, das Wildbret nicht verderben zu lassen. Aber auch für nächtliche Totsuchen gibt es zwei wichtige Regeln, um die Qualen des Wildes nicht unnötig zu erhöhen und die
eigene Gesundheit sowie die des Hundes nicht zu gefährden:
1. Mais- und Rapsschläge oder Schilf werden nur am Tag betreten. Die Risiken für das Gespann, von einem plötzlich zum reifen Keiler herangewachsenen Frischling angenommen zu werden, sind in der Nacht unkalkulierbar hoch.
2. Wird der Anschuss in der Nacht kontrolliert, geht man der Fährte maximal 150 Meter nach. Liegt das Stück nicht nach dieser Strecke, ist es eher eine Nachsuche und die Gefahr, das Stück aufzumüden, steigt. Derart aufgeschrecktes Wild geht so weit die Läufe es tragen. Selbst für erfahrene Gespanne sind Nachsuchen auf hochgemachte Stücke eine schwere Aufgabe.
Merke: Verläuft die nächtliche Totsuche in Schilfpartien, Mais- oder Rapsfeldern
oder ist sie länger als 150 Meter, wird die Arbeit abgebrochen.
Prinzipiell gibt es lediglich zwei Arten von Treffersitzen, die eine nächtliche Suche erlauben.
1. Der Kammertreffer, der durch Lungenteile am Anschuss und im Schweiß gekennzeichnet ist.
2. Der Pansenschuss beim Rehwild, den man bereits am Geruch erkennt. Beide Trefferarten führen zu einem schnellen oder beinahe schlagartigen Verenden des Wildes, und die Stücke liegen in aller Regel nach wenigen Metern. Sämtliche anderen Schüsse sind erst nach einer mehrstündigen Wartezeit und tagsüber nachzusuchen. Selbst Leberfetzen am Anschuss eines Stückes Schwarzwild sind keine Gewähr für eine kurze Totsuche. Ein Jäger sollte die Anatomie der Wildtiere kennen, denn eine Schweineleber besteht aus mehreren Lappen. Ist davon nur einer verletzt, führt die Verwundung noch lange nicht zum schnellen Tod. Mit Milztreffern können die Stücke teilweise noch mehrere Wochen leben. Immer wieder erlebt man, dass Jäger ihren Hund in der Nacht das wegbrechende Wild hetzen lassen. Nur selten
sind sich die Führer der Gefahren für ihren Vierläufer bewusst. Unser Jagdhelfer ist in der Nacht dem annehmenden Wild gnadenlos unterlegen. Zudem riskiert der Rüdemann, dass der Hund durch spitze Äste oder Dornengebüsch während der Hatz sein Augenlicht verliert.
„Wachtelvater“ und Hundefachmann Rudolf Frieß betitelte dies mit dem Ausdruck „in die aschgraue Pechhütte gehetzt“, was bildhaft die nächtliche Hatz beschreibt.
Merke: Ein Hund darf in der Nacht nicht geschnallt werden. In der Dunkelheit ist er annehmendem Wild unterlegen und kann beim Nachsetzen im Unterholz sein Augenlicht verlieren.
Aus diesen Gründen ist es selbstverständlich, dass die tatsächliche Nachsuche
nur bei Tageslicht durchgeführt wird. Über die vermeintlich bessere Wildbretqualität eines nächtlich gehetzten Stückes im Vergleich zu einem im ersten Tageslicht gefundenen, verendeten Stück bedarf es keiner Diskussion.