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Anschussknigge Schütze und Schweisshundführer

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Vom Verhalten vor und nach dem Schuss hängt oftmals der Erfolg einer Nachsuche ab. Stefan Mayer zeigt, worauf Schütze und Schweißhundführer achten sollen.

Vor dem Schuss.
Häufig werden die Fehler der Schützen bereits vor dem Schuss gemacht. Je näher der
Moment des Schießens rückt, umso enger wird der Blickwinkel des Jägers. Anspannung,
Nervosität und Jagdfieber sind Ursachen dafür, dass wesentliche Dinge übersehen
werden. Schnell werden dann auch einmal die Läufe kombinierter Waffen verwechselt.
Später lässt sich der Nachsuchenführer noch einmal die Situation vor der Schussabgabe ganz detailliert vom Schützen beschreiben. Fragen danach, wie viele Stücke zu sehen waren oder wo der Anwechsel des Wildes ist, lassen gleich erkennen, wie genau der Schütze die Situation beobachtet hat und wie nervös er war. Der Schweißhundführer
muss genau analysieren, um den Ablauf rekonstruieren zu können.

Merke: Den Schützen die Situation vor dem Schuss genau beschreiben lassen. Möglichst viele Details schon hier erfassen.

Wohin wird geschossen?
Nur der Kammertreffer auf mehr oder weniger breit stehendes Wild ist fach- und tierschutzgerecht. Trotzdem gibt es immer wieder Schützen, die versuchen, einen Trägeroder Tellerschuss anzubringen. Die Frage nach dem angestrebten Treffpunkt ist daher eine der ersten. Was hat der Schütze vom Wild alles gesehen? Stand das Stück breit? Welche Körperseite wurde beschossen? Diese Fragen sind essentiell, um sich ein Bild der Trefferlage zu machen.

Merke: Was wollte der Schütze treffen und wie stand das Wild? Das sind die ersten Fragen vor der Nachsuche.

Die Kaliberfrage
Zu diesem Thema wird in Jägerkreisen nicht nur diskutiert, sondern voller Inbrunst gestritten. Fanatisch werden bevorzugte Kaliber und Geschosse verteidigt. Kaliber und
Geschoss stellen immer einen Kompromiss zwischen schneller Tötungswirkung, geringer
Wildbretzerstörung und großer Durchschlagskraft dar. Einfluss nehmen dabei die Faktoren Geschossgeschwindigkeit, -durchmesser, -härte und -aufbau. Den Schweißhundeführer interessiert natürlich das verwendete Kaliber und Geschoss. Details sind dabei nicht entscheidend, sondern nur die Frage, ob das Kaliber zum beschossenen Wild gepasst hat und ob das Geschoss einen Ausschuss erwarten lässt. Die beim Rehbockansitz unerwartet auftauchende, mit der .222 beschossene Sau, wird höchstwahrscheinlich nur wenig bis keine Pirschzeichen liefern und könnte das Gespann aggressiv erwarten. Dagegen wird das Alttier mit einem weichen Teilmantelprojektil in 8 X 57 leicht schräg beschossen ebenfalls
wenig Pirschzeichen liefern, ist aber meist nach kurzer Flucht verendet. Die Wirkung
und Pirschzeichen der bleifreien Geschosse sind noch weitgehend unbekannt und
werden sich erst mit zunehmender Verwendung zeigen.

Merke: Wurde ein zur Wildart taugliches Kaliber verwendet, kann auch auf die entsprechende Wirkung geschlossen werden. Kleinere Kaliber auf starkes Wild erschweren die Nachsuche.

Der Schützenstandort
Zum Lokalisieren des Anschusses und der vermuteten Trefferlage ist der Standort des Schützen enorm wichtig. Von einem Hochsitz aus geschossen, erübrigt sich die Frage. Schwieriger wird es, wenn der Jäger am Boden stand. Der Baum, an dem angestrichen
wurde, ist plötzlich nicht wiederzufinden, weil der Schütze vergessen hatte, sich vor dem Verlassen seinen Stand zu merken oder ihn zu markieren. Sowohl auf der Pirsch als auch auf schlecht organisierten Drückjagden kann man dies häufig beobachten. Eine gute Beobachtungsgabe des Hundeführers kann den Schützenstandort bestimmen helfen. Abgeknickte Vegetation, Zigarettenstummel oder gar eine Patronenhülse sind Indizien dafür.

Merke: Den Schützenstandort suchen und markieren. Das erleichtert die Anschusssuche und hilft später in Verbindung mit dem Kugelriss bei der Trefferbestimmung.

Wo stand das Wild?
Ebenso wie die Schützenposition ist auch der Standort des Wildes wichtig. Hat sich der Schütze diesen genau eingeprägt, findet sich problemlos der Anschuss. Oft sind aber Jäger mit der Situation, der Waffenhandhabung und der Stressbewältigung derart beschäftigt, dass dies in den Hintergrund rückt. Springt das Stück nach dem Schuss ab, wirken viele
weitere Eindrücke auf das Bewusstsein des Schützen. Die Folge: Der Standort des beschossenen Wildes kann nicht mehr exakt beschrieben werden. Markante Bäume, Steine oder andere auffällige Dinge können eine große Hilfe zur Orientierung im Wald sein. In der
freien Landschaft, auf Wiesen oder im Getreide wird es schwieriger. Dort bieten Geländemerkmale, wie Bodenwellen, Bewuchsänderungen oder Wege, markante Hilfspunkte, um die Position des Wildes einzugrenzen. Kann der Schütze dann die Entfernung zum Stück über einen weiteren Hilfspunkt zur Seite oder im Vordergrund eingrenzen,lässt sich der Anschuss recht schnell finden. Dazu begibt man sich deutlich hinter den vermuteten Anschuss in Richtung der vorher eingeprägten Ortsmarke. Immer wieder zu dem markierten Standplatz peilend, kann man nun vorsichtig den Anschuss suchen, indem man in direkter Linie in Richtung des Schützenstandortes läuft.

Merke: Ist der Standort des Wildes eindeutig bekannt, kann der Anschuss in Verbindung mit dem Schützenstandort leicht gefunden werden.

Körperhaltung und Verhalten des Wildes?
Position und Haltung des beschossenen Stückes lassen Rückschlüsse darauf zu, welche Körperteile getroffen wurden und welche Pirschzeichen gefunden werden können. Liegt Darminhalt am Anschuss, und stand das Stück schräg, könnte der Schuss trotzdem in
der Kammer sitzen. Stand das Stück aber breit, ist eher von einem nicht sofort tödlichen Treffer auszugehen. Genauso wichtig ist es zu wissen, auf welcher Körperseite der Einschuss sitzt. Kombiniert mit der Stellung und den Pirschzeichen lassen sich daraus Folgerungen auf die mögliche Verletzung ableiten.

Merke: Verhalten, Körperhaltung, Stellung und Blickrichtung des beschossenen Stückes sind wichtig.

Wo ist der Schütze abgekommen?
Um den Ort, an dem das Absehen beim Schuss saß, genau benennen zu können, bedarf es einer gewissen Routine. Viele Jäger sind vor dem Schuss derart angespannt, dass sie nicht realisieren, wo sie abgekommen sind. Andere kneifen in Erwartung des Knalls und Rückstoßes beide Augen zu und mucken. Als Mittel gegen diese Schussangst haben sich elektronische Gehörschützer bestens bewährt. Dem Schützen wird die Angst vor dem Mündungsknall genommen, sodass er zumindest das Zielauge offen halten und „durchs Feuer“ sehen kann.

Merke: Für die Einschätzung des Treffersitzes ist die Angabe des Abkommens ein weiterer Mosaikstein, jedoch in der Regel wenig aussagekräftig.

Wie hat das Wild gezeichnet?
In jedem jagdlichen Lehrbuch finden sich Zeichnungen, die zeigen, wie Wild auf bestimmte Treffer reagiert. Aber die Realität sieht anders aus. Das beschossene Stück hält sich meist nicht an diese Regeln! Die besagten Skizzen entstanden in einer Zeit, in der fast ausschließlich Kaliber über 7 Millimeter und langsame Teilmantelgeschosse verwendet wurden. Dadurch konnten durchaus gewisse Regelmäßigkeiten festgestellt werden. Bei der heutigen Vielzahl an Kalibern, Geschossen und Laborierungen haben die Lehrzeichnungen jedoch keine große Aussagekraft mehr. Vielmehr lässt sich nur eine Regel festlegen: Das Stück weicht dem Schmerz aus oder es krümmt sich zum Schmerz hin. Eine genauere
Trefferbestimmung lässt das Zeichnen, sofern erkannt, nicht zu. Ausgenommen
ist das schlagartige Zusammenbrechen des Wildes. In diesem Fall kann fast immer von einem „Schlag“ auf das zentrale Nervensystem ausgegangen werden. Entweder durch die Schussverletzung oder durch die im Wundkanal entstandene Druckwelle.

Merke: Das Zeichnen des Wildes kann ein Indiz für den Treffersitz sein – muss aber nicht.

Wie sprang das Stück ab?
Mehr Hinweise als das Zeichnen, kann die Flucht des beschossenen Stückes liefern. Flüchtet es orientierungslos, panisch oder unauffällig? All diese Beobachtungen sind wichtige Hinweise, die eine „Diagnose“ ermöglichen. Die Stelle, an der das Stück aus dem Sichtbereich verschwand, ist ein weiterer Hinweispunkt. Häufig sind dort, bedingt durch
Vegetationswechsel, Pirschzeichen zu finden. Schwierig wird es im Dunkeln oder bei dichter Vegetation. In diesem Falle muss der Schütze Informationen wie Fluchtrichtung, Lautäußerungen und Bewegungsabläufe über das Gehör wahrnehmen, ohne sich durch die Geräuschkulisse eines abgehenden Rudels oder einer Rotte täuschen zu lassen.

Merke: Fluchtverhalten und Einwechsel schildern lassen-Was hat der Schütze gehört?

Kugelschlag gehört?
Ganz gleich, ob das Projektil auf dem Wildkörper, auf einem Baum, einem Stein oder dem Erdboden einschlägt, ein Kugelschlag entsteht immer! Denn jeder Einschlag eines Geschosses verursacht ein Geräusch. Zudem darf nur bei sicherem Kugelfang geschossen werden. Ob der Schütze den Kugelschlag wahrnehmen kann, hängt von vielen Faktoren ab (siehe auch WuH 16/2010). Wenn das beschossene Stück nicht liegt, ist es völlig unerheblich, ob der Jäger einen Kugelschlag gehört hat oder nicht. Denn eine Kontrollsuche muss immer erfolgen!

Selbst wenn der Jäger einen Kugelschlag vernommen hat, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass der Hund eine Wundfährte anfallen kann. Denn das Geräusch könnte auch der Einschlag der Kugel im Waldboden gewesen sein. Auch das Echo des Mündungsknalls, das an einem landwirtschaftlichen Anwesen oder einer Felswand reflektiert wird, könnte als Kugelschlag fehlgedeutet werden.

Merke: Der Kugelschlag hat keine Aussagekraft! Er liefert keine Informationen über den Treffer.

Kugelriss
Ein weiterer Mythos ist der Kugelriss. Dieser lässt sich nämlich nicht immer finden. Das kann entweder bei Steckschüssen vorkommen oder dann, wenn das Restprojektil im stumpfen Winkel auf den Boden auftrifft. Geht man von dem markanten Punkt hinter dem Standplatz des Wildes in Richtung des Schützenstandortes, findet sich der Kugelriss zwangsläufig zuerst. Die erste Vermutung vieler Jäger: „Gefehlt“. Aber falsch gedacht!
Der Kugelriss besagt lediglich, dass an dieser Stelle das Restprojektil (manchmal auch das Projektil oder ein starker Knochensplitter) die Bodenoberfläche aufgerissen hat. Dieser Riss ist ein wichtiger Hinweis, um später die Treffpunktlage mit Hilfe der Eingriffe und Ausrisse
(Standplatz des Wildes bei Schussabgabe) genauer zu lokalisieren. Wurde der Kugelriss gefunden, muss er sofort deutlich erkennbar markiert werden. Sucht man langsam und aufmerksam in einer Linie vom Kugelriss in Richtung Schützenstandort, finden sich häufig weitere Pirschzeichen. Sind diese nicht eindeutig oder werden nur Eingriffe und Ausrisse des Wildes gefunden, kann man mit einem Helfer den Treffersitz ermitteln. Die Hilfsperson
wird zu den Schaleneingriffen gestellt. Anschließend wird vom Beginn des Kugelrisses zu der Stelle gepeilt, an der der Gewehrlauf bei der Schussabgabe war. Nun muss der Helfer seine flache Hand genau in diese Visierlinie bringen. Die Hand zeigt nun die Höhe des Treffersitzes auf dem Wildkörper. Ist die Größe des beschossenen Wildes bekannt (Rehwild etwa 65 bis 75 Zentimeter), ist ein weiteres Indiz im gesamten „Anschuss-Puzzle“ gefunden. Beim Peilen wird auch festgestellt, was vom Wild überhaupt zu sehen war. Teilweise ist geländebedingt nur der obere Teil des Wildkörpers zu sehen. Da kann dann beispielsweise ein Laufschuss ausgeschlossen werden.

Merke: Kugelriss suchen und zur Bestimmung der Treffpunktlage nutzen.

Geschossflugbahn
Die freie Flugbahn des Geschosses muss immer gewährleistet sein. Wird beispielsweise flach über einen Getreideacker geschossen und das Projektil streift etliche Getreideähren, wird der Treffpunkt mit großer Wahrscheinlichkeit verändert. Je näher sich das Hindernis
an der Mündung befindet, umso eher ist eine Veränderung des Treffpunktes zu erwarten. Im Umkehrschluss bedeutet dies natürlich nicht, dass ein Hindernis eine Kugel aufhält und das dahinter stehende Wild nicht verletzt. Die Flugbahn des Geschosses kann sehr
gut mithilfe des Kugelrisses überprüft werden.

Merke: Hindernisse können Geschosse ablenken. Trotzdem können die beschossenen
Stücke getroffen sein!

Ruhe nach dem Schuss?
Oberstes Gebot nach dem Schuss ist: Nachladen und Ruhe bewahren. Mehrere Gründe sprechen gegen das vorschnelle Aufsuchen des Anschusses:

1. Beschossene Stücke, die nicht tödlich getroffen wurden, verhoffen oft nach kurzer Flucht und orientieren sich neu, um einen sicheren Ort anzusteuern. Dabei kann das Stück unter
Umständen nochmals beobachtet und bestenfalls erlegt werden.
2. Rast der Schütze sofort zum Anschuss, verknüpfen andere Rudeloder Rottenmitglieder den Schuss mit ihrem größten „Feind“, dem Menschen.
3. Der wichtigste Punkt: Das beschossene Stück soll nicht durch den Menschen aus dem häufig sehr nahen Wundbett aufgemüdet werden.Derart angerührtes Wild flüchtet häufig
noch weite Strecken – auch mit schwerer Verwundung.

Merke: Wurde die Wartezeit eingehalten, kann das Stück schon sehr nah am Anschuss im Wundbett liegen.

Anschuss gesucht?
Lange Zeit wurde gelehrt, dass der Jäger den Anschuss möglichst ruhig auf- und untersuchen sollte. Aber dieser alte Zopf muss abgeschnitten werden. Der lautlos pirschende Jäger verschreckt das Wild weit mehr, als die quasselnden „Walkerinnen“ oder die wandernde Familie, die heutzutage zunehmend unsere Natur bevölkern. Das Wild hat
sich daran vielerorts bereits gewöhnt. Deshalb empfiehlt es sich, den Anschuss wie
ein Spaziergänger pfeifend oder gar sprechend aufzusuchen. Das im Wundbett liegende
Wild nimmt so den annähernden Jäger frühzeitig war und kann sich drücken oder kurz flüchten, um sich bald wieder niederzutun. Selten wird das kranke Stück in panischer Flucht das Weite suchen.

Merke: Der Schütze soll erklären, wann und wie er den Anschuss aufgesucht hat. Wurde das Wild dadurch aufgemüdet, geht die Nachsuche häufig länger.

Die Kardinalfehler des Schweißhundeführers

Schweiß
Am Anschuss wird meist analysiert, ob es sich um Lungenschweiß oder „nur“ um Wildbretschweiß handelt. Auch die Menge wird schnell taxiert. „Viel Schweiß, jeden
Meter ein Tropfen, das Stück müsste bald verblutet sein.“ Wie dieser Blutverlust
tatsächlich aussieht, zeigt folgendes Rechenbeispiel: Bis ein lebensbedrohender
Zustand eintritt, kann ein Tier bis zu 40 Prozent seiner Blutmenge verlieren. Bei einem Reh mit 25 Kilogramm Lebendgewicht  (8 Prozent Blut) wären dies rund 0,8 Liter. Etwa 20 Tropfen entsprechen einem Milliliter, sodass bei einem Tropfen pro Meter erst nach 16 Kilometern der kritische Zustand erreicht wäre. Aber der Organismus hemmt die Blutung
unter anderem durch Gerinnung und Adrenalinausschüttung. Sind im Schweiß keine weiteren Bestandteile (Darminhalt, Speichel, Organteile) enthalten, kann eine Herkunft nicht beurteilt werden. Die Farbe (hell oder dunkel) wird nur aufgrund des Sauerstoffgehalts im Blut bestimmt. Selbstverständlich ist trockener Schweiß dunkler als frischer.

Merke: Schweiß ohne weitere Bestandteile sagt nichts über den Treffer aus!

Pirschzeichen
Viel eher liefern die weiteren Pirschzeichen Aufschluss über den Treffersitz. Meist lässt sich dieser durch Knochensplitter, Muskelfasern, Schnitthaare oder Organteile deutlich besser bestimmen. Allerdings wird viel zu selten nach weiteren Pirschzeichen gesucht, sobald
Schweiß gefunden wurde. Die Methodik, wie Pirschzeichen gefunden und beurteilt
werden, kann bei einem Anschussoder Schweißhundeführerseminar erlernt werden. Auch das Anlegen eines Schnitthaarbuches, wie auf Seite 44 beschrieben, kann zur genaueren Bestimmung des Treffersitzes beitragen. Die beste Fortbildung entsteht aber in der
Praxis: Jedes Mal, wenn ein beschossenes Stück noch ein paar Sprünge macht, bis es zusammenbricht, besteht die Möglichkeit, nach Pirschzeichen zu suchen. Am erlegten Stück können diese dann mit dem Treffersitz verglichen werden.

Merke: Jeden Anschuss nutzen, um Erfahrungen zu sammeln. Schnitthaare sind sehr gute Indikatoren für den Treffersitz.

Im Dunkeln tappen

„Nachsuche ist keine Nachtsuche.“ Dieser Leitsatz hat uneingeschränkte Gültigkeit, genauso wie der Umkehrschluss: „Nur Tageslicht ist Nachsuchenlicht.“ Davon ausgenommen sind lediglich kurze Totsuchen

Merke: Nachsuchen, außer tatsächliche Totsuchen, werden niemals in der Dunkelheit durchgeführt.

Totsuchen sind keine Nachsuchen im eigentlichen Sinne. Ein tödlich getroffenes und verendetes Stück wird mit Hund gesucht, da es der Schütze, beispielsweise in der dichten Vegetation, nicht findet. Bei der Totsuche geht es vorrangig darum, das Wildbret
nicht verderben zu lassen. Aber auch für nächtliche Totsuchen gibt es zwei wichtige Regeln, um die Qualen des Wildes nicht unnötig zu erhöhen und die eigene Gesundheit sowie die des Hundes nicht zu gefährden:
1. Mais- und Rapsschläge oder Schilf werden nur am Tag betreten. Die Risiken für das Gespann, von einem plötzlich zum reifen Keiler herangewachsenen „Frischling“ angenommen zu werden, sind in der Nacht zu hoch.
2. Wird der Anschuss in der Nacht kontrolliert, geht man der Fährte maximal 150 Meter nach. Liegt das Stück nicht nach dieser Strecke, ist es eher eine Nachsuche und die Gefahr, das Stück aufzumüden, steigt. Derart aufgeschrecktes Wild geht häufig so weit, wie es die Läufe tragen. Selbst für erfahrene Gespanne sind Nachsuchen auf einmal hochgemachte
Stücke eine schwere Aufgabe.

Merke: Verläuft die nächtliche Totsuche in Schilfpartien, Mais- oder Rapsfeldern oder ist sie länger als 150 Meter, wird die Arbeit abgebrochen.

Prinzipiell gibt es lediglich zwei Arten von Treffersitzen, die eine nächtliche Suche erlauben.
1. Der Kammertreffer, der durch Lungenteile am Anschuss und im Schweiß gekennzeichnet ist.
2. Der Pansenschuss beim Rehwild, den man bereits am Geruch erkennt. Beide Trefferarten führen zu einem schnellen oder beinahe schlagartigen Verenden des Wildes, und die Stücke liegen in aller Regel nach wenigen Metern. Sämtliche anderen Schüsse sind erst nach einer mehrstündigen Wartezeit und tagsüber nachzusuchen. Selbst Leberfetzen am Anschuss eines Stückes Schwarzwild sind keine Gewähr für eine kurze Totsuche. Ein Schweißhundeführer sollte die Anatomie der Wildtiere kennen, denn eine Wildsauleber besteht aus mehreren Lappen. Ist davon nur einer verletzt, führt die Verwundung noch lange nicht zum schnellen Tod. Mit Milztreffern können die Stücke teilweise noch mehrere Wochen leben. Immer wieder erlebt man, dass Jäger ihren Hund in der Nacht das wegbrechende Wild hetzen lassen. Nur selten sind sich die Führer der Gefahren für ihren Vierläufer bewusst. Der Hund ist in der Nacht dem annehmenden Wild gnadenlos unterlegen. Zudem riskiert der Rüdemann, dass der Hund durch spitze Äste oder Dornengebüsch während der Hatz sein Augenlicht verliert. „Wachtelvater“ und Hundefachmann Rudolf Frieß betitelte dies mit dem Ausdruck „in die aschgraue Pechhütte gehetzt“, was bildhaft die nächtliche Hatz beschreibt.

Merke: Ein Hund darf in der Nacht nicht geschnallt werden. In der Dunkelheit ist er annehmendem Wild unterlegen und kann beim Nachsetzen im Unterholz sein Augenlicht verlieren.

Aus diesen Gründen ist es selbstverständlich, dass die tatsächliche Nachsuche nur bei Tageslicht durchgeführt wird. Über die vermeintlich bessere Wildbretqualität eines
nächtlich gehetzten Stückes im Vergleich zu einem im ersten Tageslicht gefundenen,
verendeten Stück bedarf es keiner Diskussion.

Hetze oder nicht?
Der Knackpunkt bei erschwerten Nachsuchen liegt darin, den Hund im richtigen Moment
zu schnallen. Viel zu häufig wird in der rauen Praxis zu früh geschnallt. Entweder aus Bequemlichkeit oder Hilflosigkeit. Ein Beispiel: Der Bewuchs ist nass, dicht, dornig oder anderweitig unangenehm. Der zappelige Hund verfängt sich andauernd mit dem Riemen. Kurzerhand wird er geschnallt. „Ohne Riemen findet er sowieso viel besser“, lautet die vielzitierte Erklärung, die eher eine Entschuldigung ist. Und so wird ein ums andere Mal gegen die wichtigste Regel der Schweißarbeit verstoßen:

Merke: Nur am letzten, noch warmen Wundbett wird geschnallt oder dann, wenn das sichtbar verletzte Stück hoch wird.

Darüber hinaus dürfen nur geeignete Hunde geschnallt werden. Dies sind Vierläufer, die entsprechenden Hatzwillen, Geschwindigkeit und Wildschärfe besitzen. Für die Hatz völlig ungeeignet sind niederläufige Hunde, wie Teckel  oder Terrier. Auch wenn sie ansonsten
bei der Riemenarbeit hervorragende Leistungen bringen, mangelt es ihnen naturgemäß an der entsprechenden Physis, ein Stück Schalenwild einholen und abtun zu können. Ebenso dürfen keine halbscharfen Vierläufer geschnallt werden. In aller Regel führt dies dann zu einer „Hütehatz“, bei der das kranke Stück regelrecht in die Ferne gehütet wird, weil der Hund nicht entschlossen genug zupackt. Das Argument, dass ja irgendwie herausgefunden werden muss, ob der Hund entsprechenden Hatzwillen und Wildschärfe besitzt, ist nur teilweise richtig. Das „Irgendwie“ ist entscheidend, aber bitte nicht ohne Netz und  doppelten Boden! Um dies herauszufinden, sollte dem betreffenden Hund ein erfahrener
hatzstarker und scharfer Artgenosse beigeschnallt werden. So wird schnell klar, was der junge Hund zu leisten vermag. Unter Umständen kann er sogar vom erfahrenen Hund etwas dazulernen. Dabei ist der Hundeführer gefordert – unerfahrene, hatzschwache oder nicht wildscharfe Hunde dürfen nur für Totsuchen eingesetzt werden. Alle anderen Suchen sind Nachsuchen, also Schweißarbeit, und diese ist vor allem Riemenarbeit. Am Riemen muss der brauchbare Schweißhund den Führer zum warmen Wundbett führen. Kann ein Hund das nicht, fehlt es ihm an der Grundvoraussetzung eines Schweißhundes: der „Riemenfestigkeit“. Leider erlebt man häufig, dass die viel gerühmten Totverbeller oder Bringselverweiser nicht konsequent genug am noch lebenden Wild arbeiten. Das kranke Stück legt noch einmal eine große Strecke zurück, bis es sich wieder niedertut. Totverbellen und Bringselverweisen sind auch kein Freibrief für die freie Suche des Hundes. Viel eher sind sie als Abschluss einer soliden Riemenarbeit zu sehen.

Merke: Nur bei Tag wird der hatzstarke und wildscharfe Hund am warmen Wundbett
geschnallt. Mit einem unerfahrenen Hund wird die Hetze am Wild nie allein „probiert“! Eine Hetze verbietet sich, wenn die Flucht des Wildes über Straßen gehen könnte.

Wird der Vierläufer geschnallt, trägt der Hundeührer ein hohes Maß an Verantwortung
dem Hund und dem Wild gegenüber. Denn wie schon der bekannte Rüdemann
Rudolf Frieß schrieb: „Die Kugel, die aus dem Lauf, der Hund, der vom Strick ist, gehören
dem Teufel!“

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