In der Schweißhundeszene ist es schon eine kleine Sensation: Der „Klub für Bayerische Gebirgsschweißhunde 1912“ und der „Verein Bayerischer Gebirgschweißhunde 1994“ schlossen sich 2004 zusammen. WILD UND HUND war auf der ersten gemeinsamen Vorprüfung.
Von Markus Wörmann
Einen besseren Ort für die ersten gemeinsamen Schritte von Klub und Verein hätte man kaum auswählen können. Das oberbayerische Vorderriß, in den Alpen gelegen, bildete ein wunderbares Panorama mit schneebedeckten Bergspitzen und dichten Fichtenwäldern. Auf 24 000 Hektar des Forstamtes Bad Tölz, unterteilt in sieben Jagdbezirke, werden dort etwa 800 Stück Schalenwild jährlich zur Strecke gebracht, davon alleine zirka 350 Gämsen. Dort jagten einst die bayerischen Landesherren, zuletzt Prinzregent Luitpold. Acht Bayerische Gebirgsschweißhunde (BGS) traten am 13. Oktober zur Vorprüfung an. Zum Bedauern der Verantwortlichen waren keine Gespanne aus dem Verein 1994 dabei. Das habe aber nichts mit Vereinspolitik zu tun, so Erich Küffner, 2. Vorsitzender des Vereins 1994. Die leichten Unterschiede in den Prüfungsordnungen könnten den einen oder anderen abgehalten haben, in Vorderriß zu führen.
Mitgliederzuwachs von 20 Prozent
Aber diese Nuancen werde man bis zum Jahresende noch abgleichen, denn ab dem 1. Januar 2004 wird es den Verein 1994 nicht mehr geben. Formal wurde die Auflösung am 13. September auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung beschlossen. Bereits vorher sind die Weichen für ein Zusammengehen mit dem Klub 1912 gestellt worden. „Die Initiative ging von beiden Seiten aus“, erklärt Thomas Wengert, seit Anfang April Vorsitzender des Klubs. Erich Küffner vom Verein nickt zustimmend: „Wir haben einfach erkannt, dass wir ein gemeinsames Ziel – die Leistungszucht – in zwei Vereinen verfolgen.“ Wer jetzt den ersten Schritt getan habe, sei dabei nicht so wichtig. Auch die Gründe der damaligen Abspaltung vom Klub stehen nicht zur Diskussion. „Sowohl beim Klub als auch im Verein haben die Verantwortlichen gewechselt. Einen besseren Zeitpunkt für eine Wiedervereinigung wird es nicht geben“, verdeutlicht Wengert die Hintergründe. Und dabei haben die Funktionäre ein ganz schönes Tempo vorgelegt: Nach dem ersten Gespräch in kleiner Runde im März haben der Klub am 5. April und der Verein am 10. Mai für eine Fusion votiert. Im Juni folgte ein Treffen der beiden Vorstände. Gemeinsamkeiten wurden verglichen, Unterschiede – wie in der Prüfungsordnung – diskutiert. So entstand letztlich die „Vereinbarung von Fall“: eine Marschrichtung für den BGS in Deutschland.
Auf die Frage, ob die Mitglieder des Vereins geschlossen für die Fusion sind, entgegnet Erich Küffner, dass man bei etwa 175 Mitgliedern nicht jeden Einzelnen überzeugen könne. Er rechnet aber damit, dass 150 Personen vom Verein in den Klub wechseln werden. Der würde damit von einem Tag auf den anderen einen Mitgliederzuwachs von 20 Prozent erfahren. „Das schaffen die wenigsten Rassevereine“, freut sich Thomas Wengert über diesen Erfolg in seiner noch kurzen Amtszeit.
Initiative zeigen
Die Euphorie unter den Mitgliedern sei im Moment so groß, dass Wengert keine Probleme in der Integration der „94er“ sieht. Die Kameradschaft werde im Klub großgeschrieben, erklärt der Forstmann und Revierjäger. Deshalb werde man auch bei der bisherigen Regel bleiben, dass ein Pate und der Obmann der Landesgruppe eine Aufnahme befürworten müssen. Der Pate diene aber mehr dazu, den Schweißhundeführer in der Ausbildung seines oftmals ersten BGS zu unterstützen. Dadurch will der Klub vermeiden, dass Hunde, die für die Zucht von großem Wert sind, in der Versenkung verschwinden. „Wir wollen die Hunde auf Prüfungen sehen, denn wir haben nicht eine allzu breite Zuchtbasis. Bei uns müssen die Leute halt Initiative zeigen, wenn sie in die BGS-Familie aufgenommen werden wollen“, erläutert Tohmas Wengert den nicht ganz üblichen Modus. Wer Idealismus mitbringe, sei „jederzeit herzlich willkommen“. Mit Argwohn und Sorge sehen Küffner und Wengert die Aktivitäten rund um den Spezialisten außerhalb des Vereins Hirschmann und des Klubs: „Wenn aus angeblichen Leistungszuchten Welpen für 1 000 Euro und mehr angeboten werden, deren Eltern ihre jagdliche Brauchbarkeit nicht einmal bewiesen haben, liegt der Gedanke nah, dass es sich um Geldmacherei handeln könnte.“ Thomas Wengert will sich daher auch im Internationalen Schweißhundeverband für eine Welpenpreisempfehlung von 600 Euro einsetzen.
Die gemeinsame Vorprüfung in Vorderriß drehte sich aber hauptsächlich um die roten Hunde. Von den acht angetretenen BGS konnten sechs die Vorprüfung bestehen. Und das bei idealem Wetter: Etwa zwölf Grad Celsius, Morgentau und eine wärmende Herbstsonne, die allen Teilnehmern einen angenehmen Tag bescherte. Die 1 000-Meter-Fährten wurden im leichten Gebirge entlang der Isar mit dem Fährtenschuh getreten. In Vorderriß galt es, ein Rotwildkalb zu finden. Prüfungsobmann Manfred Moser betonte bei der Richterschulung am Vortag, dass bei den Prüfungen der BGS kein Gatterwild als Suchenstück genommen werden sollte. Die natürliche Wittrung an den Schalen fehle den Tieren größtenteils, gerade wenn sie in Ställen auf „Mist“ stünden.
Selbstbewusst und Sicher
Neben der Riemenarbeit auf der künstlichen Wundfährte, wird bei der Vorprüfung die Schussfestigkeit und die Verteidigungsbereitschaft des Hundes beurteilt. Im Vorfeld wurde von Seiten einer internationalen Gruppe kynologischer Verbände – darunter auch der Verband für das deutsche Hundewesen – darauf hingewiesen, dass das im Rassestandard des BGS aufgeführte Wesensmerkmal „zurückhaltend gegenüber Fremden“ ein kritischer Punkt sei. Die Hunde sollen zwar ein festes Wesen zeigen, sich aber problemlos durch den Richter anfassen lassen. Der Klub hat deshalb das Fach „Verteidigen“ genauer definiert: Der Hund soll, wenn er auf sich allein gestellt ist, ein selbstbewusstes und sicheres Wesen zeigen, das heißt keinerlei Ängstlichkeit erkennen lassen, und den Zugriff Fremder auf eine ihm zur Bewachung anvertrauten Beute abwehren. Dabei wird der Hund am etwa drei Meter langen Riemen beim Stück, beispielsweise an einem Baum, angeleint. Dass er nicht direkt am Stück festgemacht werden sollte, habe die Praxis gezeigt, so Moser. Es soll nämlich schon vorgekommen sein, dass starke Hunde mit einem Frischling am Riemen auf den prüfenden Figuranten zugegangen seien.
Erfolgreiche Nachsuchengespanne
Auf die Frage, ob das Prüfen der „Verteidigungsbereitschaft“ – oder wie man früher sagte „Verteidigungsschärfe“ – noch zeitgemäß sei, geben die BGS-Leute eine klare Antwort: „Es geht nicht darum, die Schärfe der Hunde zu fördern. Ganz im Gegenteil, eine übersteigerte Aggression aber auch Ängstlichkeit führen zum Zuchtausschluss.“ Es gehe reinweg um eine Wesensüberprüfung. Ein selbstsicheres, aber freundliches Verhalten sei völlig normal. Das heißt, die meisten Hunde würden sich freuen, jemanden zu sehen, wenn der Führer sie schon alleine am Stück zurückgelassen habe. Einige knurren leicht oder verbellen den auf sie zukommenden Menschen. Erich Küffner warnte davor, von der Verteidigungsbereitschaft auf die Wildschärfe zu schließen: „Das Verhalten eines Hundes gegenüber Menschen und gegenüber einem Stück Wild, könnte manchmal nicht unterschiedlicher sein.“ Die Wildschärfe eines Jagdhundes lasse sich aber nur in der jagdlichen Praxis feststellen. Deshalb bleibt zur Überprüfung des Wesens bei den Bayerischen Gebirgsschweißhunden nur diese „Verteidigungsübung“, so Küffner.
Neben der Riemenarbeit und dem Wesenstest wurden die Schussfestigkeit sowie die Vorsuche geprüft. Bei der Schussfestigkeit lässt der Führer seinen Hund am abgelegten Rucksack zurück und schießt einmal. Er darf sich aussuchen, ob er den Prüfling anleint oder nicht. Frei abgelegte Hunde erhalten bei Bestehen automatisch ein höhere Benotung, da es risikoreicher ist. Bei der Vorsuche soll der Hund im Gelände ohne Hinweise oder Anschuss eine getretene Fährte finden.
Am Ende des Tages konnte Prüfungsleiter Dr. Ferdinand Rosenberg sechs erfolgreiche Nachsuchengespanne verkünden. Das Richtergremium, besetzt aus Klub und Verein, kürte Karl-Heinz Goldmann mit seiner „Rieke vom Rautenbachtal“ zum Prüfungssieger. Die Hündin bekam in allen Fächern ein „sehr gut“ und für die Riemenarbeit sogar ein „hervorragend“. Eine Note, die äußerst selten bei den Bayerischen Gebirgsschweißhunden vergeben wird. In der Richterschulung am Vortag wurde noch intensiv darüber diskutiert, ob man dieses „Superlativ“ überhaupt bräuchte, oder ob ein hohes „sehr gut“ nicht die Spitze der Benotung sein sollte. Dr. Rosenberg ließ bei der Verkündung der Prüfungsergebnisse keinen Zweifel daran, dass „Rieke“ eine hervorragende Arbeit am Riemen gezeigt habe: „Der Hund arbeitete wie auf einer Schiene und so ruhig, dass man auch im zerklüfteten Gelände bequem folgen konnte.“ Die beiden Haken hat die dreijährige Hündin sehr exakt gearbeitet, ohne dabei auch nur ein wenig abzurunden. Immer mit tiefer Nase auf der Wundfährte. Pikant ist dabei, dass die Suchensiegerin bereits bei einer Vorprüfung durchgefallen war. „Da sieht man mal wieder, dass Prüfungen oft nur Momentaufnahmen sind“, sagt Klub-Chef Wengert. Dass sie so sauber die Fährte an diesem Tag gearbeitet hat, führt der 68-jährige auf die enorme Ruhe der Schweißhündin zurück.
Treffen in der Heimat
Mit der ersten gemeinsamen Vorprüfung des Klubs und des Vereins waren die Verantwortlichen sehr zufrieden. Dabei war der Termin im oberbayerischen Vorderriß nicht nur ein Novum in der Geschichte der neunjährigen Koexistenz der beiden Organisationen. Eine Wiederholung wird es ebenfalls nicht geben. Die zukünftigen Prüfungen werden unter dem Dach des „Klubs für Bayerische Gebirgsschweißhunde 1912“ abgehalten. So auch die erste Pfostenschau des gestärkten Klubs, die am 1. Mai 2004 vor der Mitgliederversammlung im Alpenfestsaal in Lengries stattfindet. Man trifft sich wieder in der Heimat des Bayerischen Gebirgsschweißhundes.
Richter und Richteranwärter bei der Notenbesprechung im Vorderriss: Erich Küffner (links), 2. Vorsitzender Verein 1994 und Thomas Wengert (rechts), 1. Vorsitzender Klub 1912 |
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