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Der 1. Streich

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AUS DEM WUH-TESTREVIER
Die Jährlings- und Schmalrehjagd verlief bis Mitte Mai schleppend. Deshalb trifft sich die Redaktion zum Gemeinschaftsansitz. Für eine Kollegin soll es ein ganz besonderer Tag werden. Peter Schmitt

Trotz frisch gemähter Wiesen in weiten Bereichen des Testreviers ist der Großteil der Redaktion mit an Bord. Denn entgegen der Gewohnheit der letzten Jahre wurden beim
Rehwild bis dato nur zwei Jährlinge und zwei Schmalrehe gestreckt. Aber unser Ziel lautet: Den Abschuss in der Jugendklasse so früh wie möglich zu erfüllen, um sich dann den im Feld zu Schaden gehenden Sauen und Füchsen widmen zu können. In den Reh-Einständen und dem Waldteil des Reviers soll bis zur Blattzeit möglichst lange Ruhe herrschen.
Also gilt: Strecke machen und der taufrisch zur Jungjägerin geschlagene Kollegin Michelle (siehe WuH 2/2017) zu ihrem ersten Stück Wild verhelfen. Auch Volontär Lukas hat das Grüne Abitur nur wenige Tage zuvor erfolgreich abgelegt. Nachdem die Sitze verteilt sind, geht es los. Doch so einfach ist die Sache nicht. Zwei Kanzeln müssen Michelle und
ich umgehend verlassen, da sich jeweils gleich mehrere Wespenvölker darin breitgemacht haben. Dadurch zu spät dran, machen wir uns in den Waldteil des Reviers auf, um keinen der Kollegen im Feld zu stören. Zu allem Überfluss liegt eine Fichte über dem Waldweg. Somit verlängert sich der eh schon weite Anmarsch zum Drückjagdbock um das Doppelte. Als – dort angekommen – auch noch der Wind schlecht steht, nehme ich meiner Begleitung sämtliche Hoffnung. Aber wir bleiben sitzen, denn im weiträumigen Fichtenholz ohne Unterwuchs können wir nicht viel kaputt machen. Mit nicht allzu großem Abstand rollen zwei Schüsse durchs Revier. Sowohl Heiko als auch Karl-Heinz haben ein Schmalreh gestreckt. Dem Chefredakteur soll später noch ein abnormer Jährling zur Beute werden. Und auch bei uns wendet sich das Blatt: Ein leises Knacken in unserem Rücken lässt uns aufhorchen. Kaum habe ich meinen Kopf etwas zur Seite gedreht, sehe ich ein Reh flott spitz auf unseren Drückjagdbock zuziehen. Das durchgefärbte, geringe Stück ist auf den ersten Blick als Schmalreh anzusprechen. Ich mache Michelle klar, dass sie sich schnell fertig machen soll. Aber was ich vermutet habe, tritt schneller ein, als gedacht. Das Schmale steht auf einmal zwei Meter neben dem niedrigen Sitzchen. Michelle hält mit ausgestreckten Armen die nur halb aufgelegte Waffe. Ich habe das Fernglas auf Halbmast vor meinem Gesicht. So verharren wir Minuten ohne eine Bewegung.

Aber das unerfahrene Reh treibt das Ganze noch auf die Spitze. Es zieht bis an die Leiter, ist nicht mehr als eineinhalb Meter von unseren Fußspitzen entfernt. Zudem steht es jetzt
voll im Wind. Jedoch scheint das Stück den Blick nach oben nicht im Repertoire zu haben. So sichert es angespannt unter dem Drückjagdbock hindurch. Einige Minuten später springt es dann aber doch ab. Auf die geringe Entfernung kann ich auch ohne Glas zwischen den Keulen sehen, was ich sehen muss, Michelle aber aufgrund des Blickwinkels verwehrt bleibt – nämlich nichts. Auf mein hingehauchtes „Sicher Schmalreh!“ nutzt sie den Moment,
um sich die Waffe endgültig zu angeln. Das Stück verhofft nach wenigen Fluchten breit auf etwa 50 Meter. Aber ich sitze „meiner“ Jungjägerin im Weg. Die steht kurzentschlossen vorsichtig auf, schiebt sich vor mich und geht stehend, den Repetierer auf der Brüstung aufgelegt, ins Ziel. Auf den perfekten Blattschuss hin bricht das Schmalreh wie vom Blitz getroffen zusammen. Die gemeinsame Freude, die Bruchübergabe im Sonnenuntergang,
das erste Mal der letzte Bissen durch die Jungjägerin, der weite Bergeweg, das feierliche Legen sowie Verblasen der Strecke am prasselnden Lagerfeuer machen diesen
besonderen Abend perfekt.


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