Bayern steht als erstes Bundesland kurz davor, Sondergenehmigungen für Nachtzielgeräte für die Schwarzwildjagd zu erteilen. Viele Jäger wollen das, aber was ist wirklich davon zu erwarten?
Vivienne Klimke
Die Idylle trügt. Von außen betrachtet ist die Oberpfalz eine abwechslungsreiche Landschaft, die Erholung verspricht: Mittelgebirge mit viel Wald, unterbrochen von Wiesen, Äckern und zahlreichen Ge- wässern. Eine der drei größten Teichlandschaften Deutschlands liegt hier. Doch nicht nur Menschen, sondern auch das Schwarzwild fühlt sich hier wohl. Die Jagdstrecke des Regierungsbezirks ist mit über 11.000 Sauen die zweithöchste im Freistaat Bayern.
Entsprechend groß sind die Probleme: „Es kommt inzwischen vor, dass Reviere nach vielen Jahrzehnten plötzlich in andere Hände übergehen, weil die Schäden mehrere Jahre nacheinander zwischen 5.000 und 10.000 Euro lagen“, erzählt Otto Storbeck, Vorsitzender der Jägervereinigung Nittenau. „Der Druck von Seiten der Jagdgenossen ist hoch“, sagt auch Revierpächter und Hegeringleiter Adolf Stellwag. „Da hat man nur noch ein Ziel: Die Schäden so niedrig wie möglich zu halten.“ Es fällt der Begriff „Lebensqualität“.
Die Jägervereinigung Nittenau hat sich deshalb als eine von fünf Kreisgruppen des Bayerischen Jagdverbands (BJV) 2009 dem Projekt „Brennpunkt Schwarzwild“ angeschlossen, das der Bayerische Bauernverband (BBV) und die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) über vier Jahre hinweg in fünf Projektregionen durchführten. Ein viel beachteter Teil davon, der von Beginn an die Gemüter erhitzte, war ein Praktikabilitätstest von Nachtzielgeräten.
In Nittenau erhielten zehn Jäger die Genehmigung, zwischen Dezember 2011 und November 2013 insgesamt zwei Nachtzielgeräte zu testen. Als Ergebnis lagen 85 Sauen auf der Strecke. Bei den meisten von ihnen wäre laut den Schützen ein sicheres Ansprechen und Erlegen ohne die Nachtzieltechnik nicht möglich gewesen. Die Nachsuchen gingen fast auf Null zurück, sagt Storbeck. Jede dritte Sau, so heißt es im Projektbericht, wurde direkt auf einer Schadfläche erlegt.
Storbecks Bewertung des Einsatzes von Nachtzielgeräten ist nach Abschluss des Versuchs klar: „Die Vorteile überwiegen eindeutig.“
Diese Erfahrungen sind Wasser auf die Mühlen einer Jägerfraktion im Nordosten Bayerns, die sich schon länger für die Zulassung von Nachtzielgeräten einsetzt. Zu ihr gehören vor allem die fünf Oberpfälzer BJV-Kreisgruppen Bad Kötzting, Waldmünchen, Roding, Cham und Furth im Wald, angeführt vom Ersten Schriftführer der Kreisgruppe Furth im Wald, Erwin Pongratz. Zwischen Mai und Oktober 2014 hat er nach eigener Aussage auch von den Kreisgruppen Viechtach, Regensburg, Nittenau, Kulmbach, Regen und Zwiesel „volle Zustimmung“ zum Einsatz von Nachtzielgeräten erfahren. „Mit anderen Worten: Tausende von BJV-Mitgliedern votieren für das Nachtzielgerät“, sagt Pongratz. Eine deutschlandweite Internetumfrage von WILD UND HUND
ergab schon 2011, dass sich 54 Prozent der Teilnehmer für eine Legalisierung von Nachtzielgeräten und weitere 14 Prozent für eine eingeschränkte Erlaubnis aussprechen (WuH 24/2011, S. 8). Bei einer weiteren privaten Umfrage, die 2014 im WILD UND HUND-Forum veröffentlicht wurde, sprachen sich von 158 Teilnehmern sogar 79 Prozent dafür aus.
Der BJV hingegen, vor allem sein Präsident Prof. Jürgen Vocke, positionierte sich bislang absolut gegen die Legalisierung von Nachtzielgeräten. Bei einer Tagung des bayerischen Landwirtschaftsministeriums Ende November 2014 in München führte der ehemalige BJV-Hochwild-Ausschussvorsitzende Anton Krinner ins Feld, dass das Schwarzwild schnell lernen würde und somit die Schäden durch die Jagd mit Nachtzielgeräten eher steigen könnten. Kirrungen würden gemieden, und die Rotten würden dem Nachtjagddruck ausweichen. „Unstrittig wird wohl sein, dass diese Geräte auch auf andere Wildarten, wie Rotwild, eingesetzt werden“, glaubt Krinner. Zudem sah er die Gefahr, dass künftig mit geladenem Gewehr auch Menschen bei Dunkelheit anvisiert würden, etwa dass Anschläge und Terrorakte mit legalisierten Nachzielgeräten passieren könnten.
Inzwischen ruderte der Verband ein wenig zurück: In einer Pressemeldung vom 8. Januar 2015 wandte er sich nur noch gegen eine „großzügige“ Freigabe von Nachtzielgeräten – und wahrte so sein Gesicht. Denn bliebe er bei seiner strikt ablehnenden Haltung, könnte ihm dies in zweierlei Hinsicht auf die Füße fallen: Im April findet der nächste Landesjägertag statt und zwar ausgerechnet in Weiden in der Oberpfalz. Dort kann also bei starker Präsenz der regionalen Vereine ein massiver Vorstoß für die Nachtzielgeräte erwartet werden. Otto Storbeck kündigte bereits eine Initiative an, bei der die Delegierten pro und contra Nachtzielgeräte befragt werden sollen.
Zugleich hat sich die Landespolitik bereits auf den Weg gemacht. Am 11. Dezember 2014 reichten CSU-Abgeordnete im Landtag einen Antrag ein, in dem sie die Staatsregierung aufforderten, die Möglichkeiten für eine zulässige Verwendung von Nachtzielgeräten in Problemregionen voll auszuschöpfen (Drs. 17/4811). Am 28. Januar wurde dieser Antrag im Landwirtschaftsausschuss debattiert und fast fraktionsübergreifend befürwortet. Einzig die SPD-Abgeordneten stimmten dagegen, da dieser Antrag ihnen nicht weit genug gehe. Folgt das Plenum der Empfehlung des Ausschusses, ist die Staatsregierung also tatsächlich aufgefordert, „die Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine zulässige Verwendung von Nachtzieltechnik (Nachtzielgeräte sowie fest mit der Waffe verbundene künstliche Lichtquellen) in besonderen Problemregionen für eine ausgewählte, besonders geschulte Personengruppe zur Bejagung von Schwarzwild zu erwirken“ (Drs. 17/4811). Nachfragen im Ausschuss, wie denn eine Problemregion definiert werde und wer wie die Schulungen durchführe, wurden von der CSU-Sprecherin Gudrun Brendel Fischer mit dem Verweis auf eigenverantwortliches Handeln der Jäger an der Basis gelegt. Bayern steuert nun also gegen den Widerstand des BJV auf eine Legalisierung der Nachtzieltechnik zu. Was ist damit zu erwarten? Werden sich die Schwarzwildprobleme bald in Luft auflösen?
Eine objektive Einschätzung fällt schwer, denn das Projekt „Brennpunkt Schwarzwild“ blieb fast allen Antworten schuldig, die man bräuchte, um sich eine klare Meinung zu bilden. Zum Beispiel: Wurden durch den Einsatz der Nachtzielgeräte die Strecken gesteigert? Können Wildunfälle damit vermieden werden? Wurden die Schäden verringert? Hat sich die Streckenstruktur verbessert? Gingen die Nachsuchen nachweislich und signifikant zurück? Kurz, kann das Nachtzielgerät die immensen Probleme mit dem Schwarzwild, vor allem Schäden, Kosten und Druck vonseiten der Landwirtschaft, mindern?
Und was, wenn nicht? Wie werden Landwirtschaft, Politik und Öffentlichkeit reagieren, wenn sie es den Jägern nun doch vermeintlich noch viel leichter gemacht haben, das Schwarzwild zu bejagen, die Probleme aber weiter wachsen?
Das ist nämlich nicht ausgeschlossen. Bei der Tagung des Landwirt- schaftsministeriums wurden auch langjährige Erfahrungen mit Nacht- zielgeräten in der Schweiz vorgestellt. Im Kanton Thurgau, einem Gebiet mit 90 Revieren und 390 Jagdpächtern, ist die Genehmigung von Nachtzielhilfen für die Wildschweinjagd seit 15 Jahren möglich. Ihre Zahl steigt nach Bericht der Jagd- und Fischereibehörde kontinuierlich an und liegt aktuell bei knapp 80. Jede dritte Sau wird neuerdings mit diesem Hilfsmittel erlegt. Unverkennbar gibt es also einen Trend zur Nachtjagd.
Doch zeigt das auch Auswirkungen auf Strecken und Schäden? Nein, berichtete Dr. Hannes Geisser, Vertreter der Jagd- und Fischereiverwaltung bei der Tagung. „Die Entwicklung der Abschusszahlen zeigt auch im Thurgau den bekannten Verlauf ab Anfang der 1990er-Jahre: Parallel zu stark schwankenden, im Grundsatz aber steil zunehmenden Abschusszahlen nehmen auch die Wildschweinschäden entsprechend zu.“ Die Strecken schwanken derzeit zwischen 380 und 800 Stück, die Schäden erreichten schon mal fast eine halbe Million Franken. „Die Bestandszunahme konnte offensichtlich nicht gebremst werden“, resümierte Geisser. Die Schäden auch nicht.
Positiv beurteilt er die Verwendung der Nachtsichtzielgeräte, wie sie in der Schweiz heißen, vor allem unter zwei Aspekten: „Unter den Ge- sichtspunkten der Jagdsicherheit und des Tierschutzes“. Denn sie „ermöglichen ein besseres Ansprechen, reduzieren das Risiko für Fehlabschüsse und erhöhen die Sicherheit der Nachtjagd“, so Geisser. Otto Storbeck und seine Jagdkollegen in Nittenau berichten von einem weiteren Vorteil: „Die Ansitze werden viel effizienter.“ Das Nachtzielgerät ermögliche es ihnen, sofort an einer Schadfläche anzusitzen und dann dort vermutlich schnell eine Sau zu erlegen. „Damit erspare ich mir elendslange Ansitze an den paar Tagen, an denen dann mal der Mond scheint“, berichtet Hegeringleiter Stellwag.
Der Praktikabilitätstest hatte in dieser Hinsicht also ein positives Ergebnis: Ja, Nachtzielgeräte sind praktisch. Otto Storbeck ist sich auch sicher, dass die positiven Tendenzen, die sich jetzt im Versuch mit nur zwei Nachtzielgeräten gezeigt haben, spürbare Wirkung entfalten würden, wenn mehr Jäger mit mehr Geräten ausgestattet wären.
Einen Einfluss auf das Verhalten des Rehwildes, wie von vielen befürchtet, konnten die Nittenauer Jäger nach eigener Aussage nicht feststellen, „die Abschusspläne wurden erfüllt“.
Daniel Jahnke ist Inhaber der Firma Nachtsichttechnik Jahnke, die Nachtsichgeräte herstellt.
„Jagd ist Bestandteil eines verfassungsrechtlichen Grundrechtes“
WuH: Welche Arten von Nachtsicht-/-zieltechnik gibt es?
Daniel Jahnke: Es gibt Restlichtverstärker. Sie verstärken das vorhandene Restlicht und erzeugen so ein für das Auge sichtbares Bild. Und es gibt Thermalsichtgeräte, die Wärmequellen als helle Silhouetten sichtbar machen.
WuH: Welche eignen sich wofür besser?
Daniel Jahnke: Thermalsichtgeräte sind sehr nützlich für Nachsuchen.
Schweiß und Wildkörper können so leichter entdeckt werden. Ein genaueres Ansprechen von Wild ist jedoch schwierig. Geweihe sind beispielsweise, da sie keine Temperatur haben, nicht sichtbar. Hier sind auch Gerüchte oftmals Anlass für eine Anschaffung, die später zu Enttäuschung führt. So wird Jägern zum Beispiel erzählt, man könne mit einem Thermalsichtgerät in ein Feld reinschauen. Ist das Getreide als geschlossene „Front“ vor dem Wild, ist dies nicht möglich.
WuH: Welche Geräte stellen Sie her?
Daniel Jahnke: Wir halten, wie die meisten Kunden, Restlichtverstärker im jagdlichen Bereich für das geeignetere Hilfsmit- tel. Wir konzentrieren uns daher auf die Herstellung von Restlichtverstärkern mit Infrarot-Unterstützungen. Wir produzieren bereits seit 25 Jahren Nachtsichttechnik. Seit über zwölf Jahren fertigen wir die sehr erfolgreiche DJ8-Baureihe, die nun vor etwa anderthalb Jahren auch um Nachtsichtvorsatzgeräte erweitert wurde. Wir sind der erste deutsche Hersteller für voll einsatzfähige zivile Nachtsichtvorsatzgeräte.
WuH: Welche Kosten kommen auf Interessierte zu? Daniel Jahnke: Für Nachtsichtgeräte aus westeuropäischer Produktion mit Bildverstärkerröhren beginnen die Preise bei etwa
2 500 Euro. Leider ist es für den interessierten Jäger sehr schwer, das Angebot auf dem Markt zu durchschauen. Er sollte vor einem Kauf in jedem Fall die Möglichkeit bekommen, ein Gerät zu testen.
Die Fragen stellte Silke Böhm.