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DER MINK IN DEUTSCHLAND Ein „Häftling“auf Abwegen

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Mink

Heimlich, still und leise haben sich in Deutschland die drei Neubürger Marderhund, Waschbär und Mink breit gemacht. Während zum Enok und zum Waschbär mittlerweile einiges bekannt ist, tappen die Jäger beim Mink nach wie vor weitgehend im Dunkeln.

Andreas David

Die ursprüngliche Heimat des Minks oder Amerikanischen Nerzes (Mustela vison) liegt in Nordamerika und reicht dort von Florida bis Alaska. Vor dem Hintergrund seiner sehr guten Balgqualität – die jene des Europäischen Nerzes noch übertrifft – und seiner leichten Zuchtbarkeit erreichte er in den 1920er Jahren Europa. In vielen Ländern unseres Kontinentes wurden zahlreiche Nerzfarmen aufgebaut, und die Zahl der jährlich so produzierten Bälge überstieg schon bald die Millionengrenze. Allein aus Dänemark erreichten bereits zu Beginn der 1970er Jahre jährlich etwa drei Millionen Bälge den internationalen Markt (STRANDGAARD 1970). Im Jahr 1966 gab es im heutigen Landkreis
Mecklenburg-Strelitz einen bedeutenden Farmausbruch, der die Ausbreitung des Minks zunächst im nordostdeutschen Tiefland wesentlich beschleunigte (GORETZKI 2003). Obwohl mit einiger Sicherheit davon auszugehen ist, dass etliche aus Farmen entkommene Exemplare bereits in der Zeit davor auch in Deutschland in freier Wildbahnen lebten,
erfolgte die erste offizielle Streckenmeldung erst im Jahre 1975 aus Brandenburg.
Danach kam zunächst Mecklenburg-Vorpommern (1976), drei Jahre später
dann Sachsen-Anhalt und Thuringen und 1980 auch Sachsen. Aus den westlichen
Bundesländern liegen Streckenmeldungen bis heute nur aus Niedersachsen
und Hessen vor. Dies allerdings auch erst ab den Jagdjahren 2000 beziehungsweise
2001. So weist es der akribisch gefuhrte „Datenspeicher-Jagd“ beim Fachgebiet
Wildtierökologie und Jagd an der Bundesforschungsanstalt für Forst- und
Holzwirtschaft in Eberswalde aus. Wer nun aber glaubt, dass der Mink in
den übrigen Bundesländern nicht vorkommt, irrt. Denn laut dem Eberswalder
Raubwild-Experten, Dr. Jürgen Goretzki, kommt der Mink „in Mittel- und Nordeuropa
fast flächendeckend vor. Die weitere Besiedlung aller in Europa vorhandenen
und für den Mink geeigneten Lebensräume ist wahrscheinlich.“ Allein – die Strecken werden dort nicht gemeldet oder müssen nicht gemeldet werden, weil der Mink dort (noch) nicht zu den jagdbaren Tierarten zählt. Folglich werden dort auch Totfunde nicht gelistet.

Steckbrief Amerikanischer Nerz oder Mink

Der Mink bewohnt als semiaquatisch lebende Marderart vornehmlich die Uferbereiche
von Fließ- und Stillgewässern, feuchte Bruchwälder sowie Schilf- und Röhrichtbestände. Er gräbt selbst mehrröhrige Baue, nutzt häufig aber auch Bisambaue. Dort, wo er in ausreichender Zahl vorkommt, gehört der Bisam zu seiner Hauptbeute.

Direktbeobachtungen von Amerikanischen Nerzen (Minks) sind selten. Doch zeigen sie dabei oft eine relativ geringe Scheu

Körperlänge: 34 – 45 cm (Rüden), 31 – 38 cm (Fähen)
Luntenlänge: 12 – 25 cm
Gewicht: 600 – 1500 Gramm (Rüden) 400 – 850 Gramm (Fähen)
Ranzzeit: Überwiegend im März
Tragzeit: Ø 51 Tage
Jungenzahl: Ø 3 – 6
Beutespektrum: Säuger bis etwa Kaninchengröße, Fische, Vögel, Amphibien, Reptilien, Krebse, Insekten.

Der Mink dringt auch in Siedlungen ein und kann dort unter dem Hausgeflügel oder in Kaninchenställen zu Schaden gehen. Der Balg ist natürlicherweise braun, dunkelbraun bis schwarzbraun gefärbt. Durch Züchtungen sind jedoch auch Farbvarianten entstanden, die von „Royal Pastell“ über „Schwedisch Palomino“ bis „Finnviolett“ reichen. Insgesamt sind etwa 25 Farbvarianten bekannt, die teilweise auch in die freie Wildbahn gelangt sind. Die Farbgebung ist also nicht einheitlich. Gleiches gilt für die Zeichnung der Lippenränder (STUBBE
1989). Ein weißer Kinnfleck ist meistens vorhanden.

Auch Amphibien gehören zum Beutespektrum des Minks. So genannte Tierbefreiungsaktionen können für die Lurchpopulationen vor Ort deshalb schwerwiegende Folgen haben.

Doch abgesehen davon, dass wir auch in Deutschland endlich zu einem bundesweit
einheitlichen, jagdlichen Meldewesen kommen sollten, würden uns die Strecken- und Totfundmeldungen zwar andeuten, wo der Mink gesichert vorkommt, über etwaige Trends in der Populationsdynamik würden die Zahlen aber rein gar nichts aussagen.
Beim Marderhund und Waschbär findet eine kontinuierliche Entnahme Über die Jagd statt. Und dadurch, dass der gezielte Jagddruck auf Enok und Waschbär nicht oder kaum ansteigt, lassen ständig steigende Strecken mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf ansteigende Populationsdichten schließen. Dagegen handelt es sich beim Mink aber ganz überwiegend um Totfunde, gelegentliche Zufallserlegungen oder um Fangjagd- Strecken aus einzelnen Revieren oder Revierkomplexen. Eine zielgerichtete Bejagung findet von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen nicht statt. In der Fläche schon gar nicht. So erzielt beziehungsweise erzielte in Brandenburg ein einziger Trapper im Havelland mit jährlich etwa 100 Minks allein zwischen 50 und 75 Prozent der gesamten Landesstrecke. Dies ist
auch der Grund für die länderweise mitunter extrem schwankenden Strecken.
Wenn ein professioneller Fänger – aus welchen Gründen auch immer – ausfällt, gehen die Strecken sofort steil bergab. Insgesamt ist es dabei nicht entscheidend dass überhaupt gefangen wird, sondern dass die Fangjagd auch gezielt auf den
Mink – also bevorzugt in unmittelbarer Gewässernähe – ausgeübt wird.
Ein deutlicher Streckenrückgang erfolgte in Ostdeutschland mit der Wiedervereinigung
Deutschlands.

Kurz vor dem Aus?
Der Europäische Nerz
Die Populationen des Europäischen
Nerzes (Mustela lutreola) sind in Mitteleuropa
längst völlig verschwunden.
Doch auch die Restvorkommen zum
Beispiel in Spanien, Frankreich oder
Russland sind weiter im Rückgang begriffen.
Der Nerz ist mehr als je zuvor
akut vom Aussterben bedroht. Das letzte
stabile Vorkommen gibt es im
Donaudelta (Rumänien). Die Gründe für
das mittlerweile fast europaweite Aussterben
sind nach wie vor unbekannt.
In Deutschland laufen zur Zeit zwei
Forschungsprojekte zur Wiederansiedlung
des Europäischen Nerzes. Eines in
einem geplanten FFH-Gebiet im Unteren
Hasetal östlich von Meppen (Niedersachsen)
und eines im Saarland.
Wie bei anderen Wildtierarten haben
sich methodisch auch beim Nerz Auswilderungsgehege
bewährt, in die die Tiere
in der Anfangsphase noch regelmäßig
zurückkehren. Prof. Dr. Rüdiger Schröpfer
(Uni Osnabrück) leitet seit drei Jahren
das Projekt an der Hase. Der Marderexperte
ist vorsichtig optimistisch: „Wir
stehen nach wie vor am Anfang unserer
Versuche. Es spricht aber einiges dafür,
dass die von uns gezüchteten Tiere in
der Freiheit überleben können. Doch
müssen wir zunächst weitere Ergebnisse
der Wiederfang-Aktionen abwarten.“
Den Osnabrücker Wissenschaftlern war
es weltweit erstmalig gelungen, den Europäischen
Nerz zu züchten.
Im Saarland wurden vor etwa acht
Wochen sieben dick gehende Fähen
und zwei Rüden ausgewildert, berichtet
Dr. Elisabeth Peters, ebenfalls von der
Uni Osnabrück. Vier Fähen und ein Rüde
sind beziehungsweise waren besendert,
da eine Fähe bereits dem Straßenverkehr
zum Opfer fiel. Die Wölftermine
der Fähen müssten etwa in die erste Juniwoche
gefallen sein. Man darf also gespannt
sein, welchen Verlauf die
Bemühungen zur Wiederansiedlung
des Europäischen Nerzes weiterhin nehmen
werden. Der Mink ist in jedem Fall
ein ernstzunehmender Konkurrent des
Europäischen Nerzes, nicht aber die Ursache
für sein Aussterben.

Wie bei anderen Raubwildarten gab es in der DDR auch für den Nordamerikanischen Nerz eine Erlegungsprämie. Mit dem Wegfall der Prämie und dem Verbot von Tellereisen nach der Wende wurde die gezielte Bejagung des Minks in den neuen Bundesländern praktisch eingestellt.
In Westdeutschland erfolgte sie auch in der Zeit davor ohnehin nicht.So müssen wir es bezüglich des Status quo und der Populationsentwicklung des Minks in unserem Land wohl auch weiterhin mit dem guten, alten Sokrates halten:
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“.
Denn kaum jemand weiß wirklich etwas über die tatsächlichen Dichten, geschweige
denn über die Ökologie der Art in Mitteleuropa. Es sei denn, es finden wissenschaftliche Erhebungen im Rahmen wildbiologischer Forschung statt (s.Interview S. 24). Darüber hinaus ist eine koordinierte, flächendeckende Erfassung allein methodisch kaum möglich beziehungsweise nicht bezahlbar. Ein gezieltes Abspüren an den Uferzonen und Randbereichen von Fließ- und Stillgewässern – eine Möglichkeit, die zu verwertbaren Daten
führen könnte – ist in der Praxis kaum umsetzbar.
Doch befindet sich der Mink damit in „guter Gesellschaft“. Dazu zählen quasi alle kleineren Marderarten, das heißt hinsichtlich ihrer Körpergröße vom Baum und Steinmarder abwärts. Wer weiß schon etwas über die ungefähren Populationsdichten zum Beispiel von Hermelin
und Mauswiesel? Oder über jene des Iltis? Zufällige Direktbeobachtungen in der
Fläche sowie Totfunde auf der Straße und einzelne Statistiken aus Revieren, in denen
die Fangjagd betrieben wird, reichen dazu nicht aus. Erlegungen mit der Flinte
bleiben ohnehin seltene Ausnahmen. Dieser Umstand trug beziehungsweise
trägt auch zu den oft mehr als fragwürdigen Aussagen zum Status des Iltis sowie anderer Marderarten in Deutschland bei. Letztendlich führte er den Iltis und Baummarder in einigen Bundesländern gar auf die Rote Liste – so zum Beispiel in Bayern und Nordrhein-Westfalen.
Generell kann davon ausgegangen werden, dass die Populationsdichten der verschiedenen Arten sicher deutlich höher sind, als gemeinhin angenommen.
Was mit höchster Wahrscheinlichkeit auch auf den Mink zutrifft. Etwaige weiße Flecken auf den vorläufigen Verbreitungskarten entspringen schlicht und ergreifend den genannten Erfassungsproblemen. Die aktuellen Verbreitungsschwerpunkte liegen im ostdeutschen Raum und in Schleswig-Holstein. Eine weitere natürliche Areal-Erweiterung sowie so genannte „Tierbefreiungsaktionen“ werden die Verbreitung des Minks in Deutschland
weiter vorantreiben. Es ist also davon auszugehen, dass sich die genannten
weißen Flecken beim Mink ständig weiter verkleinern und dereinst verschwunden
sein werden. Dabei handelt es sich – wie bei Waschbär und Enok – um eine Entwicklung
mit nicht absehbaren ökologischen Konsequenzen. Aus einigen Teichgebieten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt mehren sich die Hinweise, dass trotz Renaturierung der Gewässer die Blesshuhn- und Entenbruten rapide zurückgehen. Hierfür werden hauptsächlich Mink, aber auch Waschbär verantwortlich gemacht. Aus Küstenvogel-Schutzgebieten in Vorpommern wird von bedeutenden Verlusten durch den Mink berichtet, die bis zur völligen Vernichtung des gesamten Beutebesatzes gehen können (GORETZKI 2003).
Dass solche Erscheinungen nicht nur auf die genannten Gebiete beschränkt bleiben, liegt auf der Hand. Um dieser Entwicklung mit jagdlichen Mitteln Einhalt zu gebieten, ist eine bedeutende Intensivierung der Fangjagd notwendig. Dazu bedarf es einerseits eines entsprechenden Wissens, andererseits muss aber auch viel Zeit vorhanden sein, um sich
dieser Aufgabe zu stellen. Es dürfte also schwierig werden.

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