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Das Kaninchen-ABC

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Folgt man den Buchstaben des Alphabets, lässt sich auch beim Wildkaninchen anhand der verschiedenen Begriffe ein relativ weit gefasster Überblick über die Biologie und Ökologie erzielen. Ein Beitrag für Jungjäger und „alte Hasen“.

Aussetzen

Die Kaninchenvorkommen Mitteleuropas gehen direkt oder indirekt ausnahmslos auf Aussetzungen in den zurückliegenden Jahrhunderten zurück. Die erste (dokumentierte) Aussetzung in Deutschland erfolgte im Jahre 1231 auf Amrum. Laut Paragraph 28 (Abs. 2) des Bundesjagdgesetzes ist das Aussetzen von Wildkaninchen (und Schwarzwild) heute allerdings verboten.

Kaninchen
Das Aussetzen von Kaninchen ist nach wie vor verboten. Bei den zum Teil fast erloschenen Besätzen sollte man dies überdenken. (Symbolbild: Pixabay/ suju-foto)

Für Gebiete, in denen Wildschäden nicht zu befürchten und die Besätze durch die Chinaseuche vollständig erloschen sind, sollte man diese Regelung im Sinne einer Wiederansiedlung vielleicht überdenken. Kaninchen sind äußerst standorttreu, ihre Aktionsräume klein. Nur relativ selten werden Distanzen von mehr als 500 Meter vom Bau entfernt überschritten. Weite Wanderungen und spontane Koloniegründungen weit vom Geburtsort entfernt sind sehr selten. Die Pioniere werden überdies meist schon nach kurzer Zeit zur Beute der jeweils vorkommenden Raubwild arten.

Bau

Auch wenn die Kaninchen bei sich bietender Möglichkeit in Paletten unter Wohnwagen oder vergleichbaren anthropogenen Strukturen wie Trümmern, Steinwällen und alten Bunkeranlagen eine Heimstatt finden können,ist die Grabfähigkeit des Bodens noch im-mer die Grundvoraussetzung der Koloniebildung in freier Landschaft. Denn es ist letztlich der Bau, der den Kaninchen den notwendigen Schutz vor Niederschlägen, Kälte und Beutegreifern sichert. Er bildet den Mittelpunkt im Leben der Lapuze. Besonders geeignet sind sandige, warme Böden ohne Staunässe. Sand trocknet schnell und hat die höchste Wasserdurchlässigkeit. Hanglagen in hügeligem Gelände und Dämme, zum Beispiel Bahnanlagen, werden bevorzugt zur Anlage der Baue genutzt.Sie sind trocken und bieten den Kaninchen durch die fehlende menschliche Nutzung meist auch passende Vegetationsstrukturen. Die Baue werden nur mit den Vorderläufen gegraben. Einzelbaue bestehen selten aus mehr als vier bis fünf Röhren. Gruppen- oder Sippenbaue können deutlich mehr Röhren umfassen. Die meisten Baue weisen senkrechte Fallröhren auf, die zur schnellen Flucht in den Bau genutzt werden.

Caecum

Der Begriff Caecumbezeichnet den Blinddarm. Davon leitet sich die so genannte Caeco- oder Coecotrophie ab. Die wiederum beschreibt die Aufnahme der Blinddarmlosung. Caecotrophie kommt bei den Hasen- und Nagetieren vor. Wie beim Feldhasen ist auch beim Wildkaninchen der Blinddarm mit dem mehrfachen Fassungsvermögen des Magens sehr groß ausgebildet.

Foto: Markus Lück

Für die Verdauungsphysiologie der Hasentiere ist der Blinddarm von entscheidender Bedeutung. Der vom Dünndarm kommende Nahrungsbrei wird im Blinddarm durch bakteriologische und andere mikroorganische Verdauungsvorgänge weiter aufgeschlüsselt und mit Vitamin K und B1 angereichert. Die abgegebene Blinddarmlosung wird ganz überwiegend direkt vom Weidloch wieder aufgenommen und so erneut demVerdauungstrakt zugeleitet. Der Vorgang wird auch als Pseudorumination (Scheinwiederkäuen) bezeichnet. Dieser Prozess ist überlebensnotwendig! Kaninchen (und Hasen), die versuchsweise an der Aufnahme der Blinddarmlosung gehindert wurden, starben nach relativ kurzer Zeit.

Deckung

Auch Wildkaninchen bevorzugen „den Lebensraum der kurzen Wege“ in unmittelbarer Nähe ihrer Baue, das heißt ein Verbundsystem von „kurz-rasigen“, übersichtlichen Flächen sowie schnell erreichbaren Deckungsstrukturen. Kaninchen sind „Kurzstrecken-Flüchter“. In diesem Zusammenhang spielen Knicks und Hecken sowie Brombeerbestände und Feldholzinseln, aber auch Weihnachtsbaumkulturen eine Rolle. Auf sich selbst überlassenen Brachen und Stilllegungsflächen ist der Bewuchs auf den meisten Böden schon nach kurzer Zeit zu hoch, als dass sie den Kaninchen geeigneten Lebensraum bieten könnten. In Kaninchenrevieren auf Brachen oder Stilllegungsflächen mit Selbstbegrünung zu setzen, geht daher auf den meisten Standorten nach hinten los. Die Brombeere bietet den Kaninchen Äsung, Deckung sowie offenbar optimale Bedingungen zur Anlage der Baue.

Ernährung

Wildkaninchen sind Pflanzenfresser. Dabei könnte man sie fast als Generalisten bezeichnen, die auch mit sehr monotoner Kost dauerhaft gut bestehen können. Durch die Nutzung nährstoffarmer und teilweise verholzter Pflanzen gelang es dem Kaninchen- seiner steppenartigen und relativ vegetationsarmen Urheimat im Mittelmeerraum entsprechend -, selbst ärmste Standorte, wie Dünen und Sekundärlebensräume wie Industriegebiete beziehungsweise Fabrikgelände, Ruderalflächen (vom Menschen nicht mehr genutzte und sich selbst überlassene Brachflächen), Rangierbahnhöfe, Stadtparks, Campingplätze, Gärten und Sportanlagen, in beachtlichen Populationen zu besiedeln. Im Herbst und Winter werden auch trockene Altgräser beäst. Mir ist eine bis heute erstaunlich stabile Kaninchenpopulation am Pietzmoor bei Schneverdingen (Lüneburger Heide) bekannt, die sich fast ausschließlich von Gräsern und Heidekraut, vornehmlich Callunavulgaris, ernährt beziehungsweise ernähren muss. Sofern möglich, nutzen Kaninchen aber in Hasenmanier vorwiegend Kräuter. Sie nehmen darüber hinaus fast alle Kulturpflanzen der Agrarlandschaft, verschiedenste Gräser ebenso wie zum Beispiel Brombeere, Ginster, Prossholz und Wacholder sowie einige Giftpflanzen auf. An Forstpflanzen und Obstbaumkulturen können Kaninchen durch Verbiss und„Schäle“ bedeutende Schäden verursachen.

Feinde

Zu den natürlichen Fressfeinden des Wildkaninchens zählen auf Grund seiner relativ geringen Körpergröße, vor allem bei Jungkaninchen, fast sämtliche heimischen Predatoren der Haar- und Federwildpalette. Dabei können das Mauswiesel und die kleineren Falkenarten weitgehend ausgeklammert werden. Besonders hervorzuheben sind der Fuchs und Habicht sowie der Iltis. Dort, wo er vorkommt, kann auch der Uhu die Kaninchenbesätze zehnten; ebenso Waldkauz und Waldohreule (Jungkaninchen). Weiterhin gehören Großmöwen zu den kaninchen relevanten Beutegreifern sowie wildernde Hunde und Katzen. Welche Auswirkungen die Beutegreifer haben, ist unter anderem von der Höhe beziehungsweise Dichte der Kaninchenbesätze sowie anderen Faktoren abhängig, die ihrerseits auf die Populationsdynamik ein wirken (z. B. Witterung, Krankheiten).

Geschlechter

Wildkaninchen zeigen keinen deutlich ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus. Das äußere Erscheinungsbild weicht nicht von einander ab. Rammler und Häsin können sich lediglich geringfügig hinsichtlich ihrer Körpergröße und -gewichte unterscheiden (siehe Körpermaße). Um die Geschlechter auf der Strecke oder lebend sicher auseinander halten zu können, müssen die äußeren Geschlechtsorgane hinzugezogen werden. Sie liegen bauchwärts des Weidlochs und werden durch leichten Zug mit der Daumenkuppe an der darüber liegenden Hautpartie sichtbar. Beim Rammler stülpt sich der kleine kegelförmige Penis aus, bei der Häsin erscheint die Scheide als schlitzförmige Öffnung.

Haar

Die Gesamtheit des Haarkleides bezeichnet man als Balg. Der Kaninchenbalg erscheint ganzjährig graubraun. Die Unterwolle ist dunkelgrau oder Schiefer-Farben. Jene des Feldhasen dagegen ist hell oder gelblich weiß. Den Kaninchenbalg kennzeichnet weiterhin ein brauner oder rotbrauner Nackenfleck. Die Bauchseite und Kehle sowie die Innenseiten der Läufe sind hellgrau bis weißlich. Die relativ kurzen Löffel (Baubewohner) haben die Farbe des übrigen Balges, sind innen jedoch etwas heller und nur spärlich behaart. Im Unterschied zum Feldhasen sind die Löffelspitzen nicht schwarzgefärbt. Die Blume unterscheidet sich nur in der Größe von jener des Feldhasen.

Incisivi

Als Incisivi wird die Gesamtheit der Schneidezähne im Säugetiergebiss bezeichnet. Wie bei sämtlichen Hasenartigen (Lagomorpha) sitzen auch beim Wildkaninchen direkt hinter den großen, als „Nagezähne“ eingesetzten, ersten Schneidezähnen die kleinen, runden Stiftzähne. Ein Merkmal, das die Schädel der Hasentiere immer und offensichtlich von jenen der Nagetiere unterscheidet, was in der Jägerprüfung durchaus relevant sein kann. Ober- und Unterkiefer tragen keine Eckzähne. In der Zahnreihe wird folglich zwischen den Schneide- und Backenzähnen eine deutlich sichtbare Lücke, das sogenannte Diastema, sichtbar. Der Unterkiefer zeigt keine Stiftzähne. Weiterhin ist die Zahl der Prämolaren pro Unterkieferast auf zwei reduziert. Ein erwachsenes Kaninchen hat also bei einer Zahnformel von2/0/3/3 und 1/0/2/3 insgesamt 28 Zähne.

Jugendentwicklung

Jungkaninchen werden blind und unbehaart zumeist in der so genannten Satzröhre oder bei ranghohen Häsinnen im Mutterbau geboren. Sofern sie in der Satzröhre zur Weltkommen, wechseln sie nach etwa drei bis vier Wochen in den Familienbau. Beim Setzen wiegen sie im Mittel etwa 40 bis 50 Gramm. Nach etwa einem Monat bringen sie durchschnittlich bereits um die 200 Gramm auf die Waage. Nach zwölf Wochen schwanken die Werte zwischen 600 und 700 Gramm, nach etwa fünf Monaten bewegt sich das Gewicht der Jungkaninchen durchschnittlich zwischen 900 und 1 000 Gramm (SIEFKE1989). Früh in der Reproduktionsphase gesetzte Jungtiere erreichen die höchsten Herbstgewichte. Die Werte sind in Abhängigkeit von der Witterung, vor allem von der Zahl der Regentage, starken Schwankungen unterworfen. Im ersten Winter kommt es regelmäßig zu einer spürbaren Gewichtsreduktion der Jungtiere. Zu Beginn der folgenden Reproduktionsphase (Februar/März) liegen die Gewichte der jungen Rammler etwa 15 Prozent, jene der jungen Häsinnen rund 20 Prozent unter den Gewichten der erwachsenen Kaninchen (RÖDEL2002).

Körpermaße

Ausgewachsene Wildkaninchen erreichen Kopf-Rumpf-Längen (KRL) von bis zu 50 Zentimetern. Dabei handelt es sich aber um seltene Ausnahmen. Die durchschnittliche KRL schwankt um etwa 38 bis 40 Zentimeter. Die Widerristhöhe liegt bei etwa 15 bis 18 Zentimetern. Die Gewichte differieren jahreszeitlich und lebensraumbedingt zwischen etwa 900 bis 2 000 Gramm. RÖDEL ermittelte in seiner Dissertation die durchschnittlichen Körpergewichte bei adulten Häsinnen und Rammlern unmittelbar vorBeginn der Reproduktionsperiode in den Jahren von 1999 bis 2001. Die Häsinnen wogen im Durchschnitt zwischen 1 583 und 1 856 Gramm. Das Gewicht der Rammler schwankte im Mittel zwischen1 507 und 1 775 Gramm. Die Häsinnen waren also geringfügig schwerer als die Rammler.

Losungsstellen

Losungsstellen oder „Latrinenplätze“ kennzeichnen neben anderen Duftmarkierungen, die über verschiedene Drüsen beziehungsweise ihre Sekrete erfolgen, die Territorien der Gruppen und Sippen. Dabei handelt es sich oft um großflächige Losungsansammlungen. Ebenso wird der Urin von den Sippenmitgliedern bevorzugt an diesen Stellen abgegeben. Darüber hinaus werden Losungstellen aber auch relativ weit von den Bauen entfernt an den Äsungsplätzen angelegt. Im Unterschied zum Feldhasen, dessen Losungspillen vereinzelt oder in„Zweier- und Dreierpacks“ gefunden werden, sind die Losungsstellen der Kaninchen stets durch eine größere Ansammlung der kleinen „Pillen“ auffällig gekennzeichnet.

Myxomatose

Die Myxomatose ist eine Viruskrankheit. Übertragen wird die Seuche durch Flöhe, Stechmücken, Bremsen und andere blutsaugende Insekten sowie über Direktkontakte an Wunden und Schleimhäuten. Typische Symptome sind der so genannte Löwenkopf sowie stark angeschwollene und entzündete Lidbindehäute. Letztere führen zu Erblindung und Orientierungslosigkeit. Weiterhin bilden sich geschwulstartige Verdickungen an den Lippen, den Geschlechtsorganen, an der Basis der Löffel, in der Unterhaut des Kopfes (Löwenkopf) und an anderen Stellen des Körpers. Sofern die Krankheit tödlich verläuft, gehen die Tiere nach etwa zehn bis 14 Tagen letztlich an Lungenentzündung, Atemnot und Entkräftung ein. Die erstmals 1952 von dem französischen Arzt Dr. Armand- Delille zur Tilgung eines Parkbesatzes in Europa gezielt eingesetzten Myxomatose- Viren zehnteten in unterschiedlich langen und primär von der Besatzhöhe abhängigen Zeitintervallen die Populationen. Während der früheren akuten Seuchenzüge waren die Verluste immens, doch sank die Sterblichkeit mit der Zeit deutlich ab. Etwa seit Beginn der neunziger Jahre hat die Seuche in Deutschland ihren Schrecken weitgehend verloren. Das Auftreten der Myxomatose schwächt zwar vorübergehend die Besätze, doch erholen sich die Populationen meist sehr rasch, mitunter schon innerhalb eines Jahres.

Neubürger

Zwischeneiszeitlich in Europa weit verbreitet, beschränkte sich das postglaziale Areal (Ausbreitung nach der Eiszeit) zunächst auf Spanien, die Balearen und die nordwest-afrikanischen Atlasländer. Einige Autorenbeziehen hier auch Teile Südfrankreichsmit ein. Urkundlich belegt, tauchte das Wildkaninchen in Deutschland erstmals wieder im Jahre 1149 im Kloster Corvey im heutigen Nordrhein-Westfalen an der Weser auf – ehe dem Reichskloster und eines der bedeutendsten Kulturzentren Nord-Europas. Die erste dokumentierte Aussetzung in die freie Wildbahn erfolgte im Jahre 1231 auf Amrum. Folgt man den Beschreibungen von NACHTSHEIM (1949) und NIETHAMMER (1963) setzte die Domestikation des Wildkaninchens in Mitteleuropa erst im späten Altertum und frühen Mittelalter in den Klöstern ein. Vermutlich sind also sämtliche mitteleuropäischen Wildkaninchenbesätze aus entflohenen oder gezielt ausgesetzten frühen Haustierformen hervorgegangen. Da aber die Domestikation erst begonnen hatte, ist es aus heutiger Sicht unbedeutend, ob seinerzeit noch wirklich „wilde“ oder auf der Anfangsstufe der Domestikation befindlicheKaninchen in die freie Wildbahn gelangten. Folgt man der Amrumer Ansiedlung, erreichte das Wildkaninchen in Deutschland also bereits vor 775 Jahren wieder die freie Wildbahn. Trotzdem wird es teilweise noch immer als „Neubürger“ oder Faunenfremdling bezeichnet. Eine Betrachtungsweise, die endgültig der Vergangenheit angehören sollte.

Organisation

Kaninchengruppen der unterschiedlichsten Größen (Familien, Sippen) leben in mehr oder minder festen sozialen Ordnungen und Hierarchien. Das gilt für beide Geschlechter gleichermaßen. Die jeweils ranghöchsten Tiere haben den durchschnittlich höchsten Fortpflanzungserfolg. Sie sind quasi Chef im Ring.

Erlegtes Kaninchen
Foto: Markus Lück

So werfen zum Beispiel nur die ranghöchsten Häsinnen ihre Jungen im Familienbau. Der sogenannte Alpha-Rammler tut sich außer bei der Fortpflanzung auch bei der Markierung des Territoriums und der Sippenmitglieder besonders hervor. Jede Familie oder Sippe hat ihren eigenen Stallgeruch. Eindringlinge werden aus dem eigenen Revier unerbittlich vertrieben, die Wohnbaue verteidigt. Doch kommt es auch innerhalb der Gruppe bei Rangordnungskämpfen zu „gewalttätigen Auseinandersetzungen“.Außerhalb der relativ kleinen Familienclaims äsen die Koloniegenossen unterschiedlicher Sippen jedoch friedlich nebeneinander. Teilweise in Hundertschaften!

Parasiten

Kaninchen können von einer Vielzahl von Parasiten beziehungsweise Parasitosen befallen werden. Dazu zählen zum Beispiel Zecken, Milben, Flöhe sowie Magen-, Darm- und Lungenwürmer. Zecken, Milben und Flöhe bedrohen die Kaninchen nicht direkt, sind aber als Krankheitsüberträger von Bedeutung (z. B. Myxomatose, Tularämie). Vielbedeutender als diese Ektoparasiten sind jedoch die Endoparasiten, die das Wildkaninchen befallen können – allen voran verschiedene Kokzidienarten (Eimeriaspec.). Während die Leberkokzidiose bei adulten Tieren deutlichere Krankheitserscheinungen auslöst als bei Jungkaninchen, insgesamt aber nur selten tödlich verläuft, ist die Darmkokzidiose ein bedeutender Mortalitätsfaktor der Jungkaninchen.

Quod licet Iovi, non licet bovi

Was Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt. Geht es um die Wertigkeit und Aufmerksamkeit, trifft das alte Zitat im übertragenen Sinne auch auf das Wildkaninchen zu. Wobei ihm dabei ganz offensichtlich die Rolle des Ochsen zufällt – leider. Denn während über den Feldhasen in der Zeit seines vorübergehenden Niedergangs in sämtlichen Me-dien fortlaufend berichtet wurde – Vergleichbares spielte sich beim letzten Staupe-bedingten Seehunde sterben ab –, nahm von dem dramatischen Rückgang des Wildkaninchens in den zurückliegenden Jahren kaum jemand Notiz. Selbst unsere sonst lautesten Artenschützer meldeten sich nicht zu Wort. Vielleicht weil das Wildkaninchen nach der letzten Eiszeit natürlicherweise nicht oder nicht mehr vorkam? Vielleicht weil für den Rückgang nicht primär Veränderungen im Lebensraum verantwortlich gemacht werden können? Wer weiß? Doch selbst weite Teile der Jägerschaft blendeten das Massensterben aus. Man stelle sich einmal vor, das Reh- oder Schwarzwild würde von einer ähnlich verheerenden Seuche dahingerafft! Was dann wohl alles in Bewegung gesetzt werden würde. Aber so ging es eben nur ums Wildkaninchen…

Reproduktion

Die Rammelzeit beginnt überwiegend im Februar und März. Säugende Häsinnen finden sich normalerweise bis in den August und September hinein, wobei ihre Zahl bereits ab Juli spürbar zurück geht. Das Fortpflanzungspotenzial der Kaninchen ist zwar sprichwörtlich, wird jedoch häufig weit überschätzt. Denn durchschnittlich bringen die Häsinnen unter mitteleuropäischen Bedingungen bei einer Tragzeit von etwa einem Monat nicht mehr als drei bis vier Sätze zur Welt. Die Zahl der Jungkaninchen beträgt im Mittel etwa fünf bis sechs pro Wurf. Davon aber überlebt nur ein geringer Anteil den ersten Sommer, Herbst und Winter bis hin zur nächsten Reproduktionsperiode. Manchmal gar keine!

Spur

Die Kaninchenspur – meist nur bei Schnee oder „weichem Geläuf“ zu beobachten – entspricht im Prinzip der typischen Hasenspur. Die Vorderläufe werden leicht versetzt und etwas hintereinander aufgesetzt und von den Hinterläufen quasi überholt. Die Abdrücke derHinterpfoten stehen dann nebeneinander vor den Abdrücken der Vorderpfoten. Von der Spur des Feldhasen ist die des Kaninchens allein an Hand der deutlich geringeren Größe deutlich zu unterscheiden. Weiterhin liegen die Abdrücke der Hinterpfoten durch die relativ kurzen Hinterläufe derKaninchen proportional dichter an denen der Vorderpfoten als in der Spur Mümmelmanns.

Tod

Das natürliche Höchstalter dürfte bei etwa zehn Jahren liegen. Nur die wenigsten Tiere erreichen jedoch ein hohes Alter. Die Mortalitätsfaktoren reichen von der Resorption der Föten im Mutterleib (Embryolyse) über innerartliche Konkurrenz, Beutegreifer, Krankheiten und Verkehrsverluste bis hin zur Jagd. Besonders hoch sind die alljährlichen Verluste unter den Jungkaninchen (siehe Reproduktion). Dies besonders in den ersten drei bis vier Wochen nach dem Verlassen des Kessels. Die Sterblichkeit adulter Tiere durch Krankheiten, Witterung und innerartliche Konkurrenz ist in hohem Maße dichte abhängig. Die Lebenserwartung rangniederer Tiere ist geringer als jene der dominanten Artgenossen. Insgesamt gesehen können vier- bis fünfjährige Wildkaninchen bereits als „alt“ bezeichnet werden. Das Durchschnittsalter dürfte in den meisten Populationen deutlich darunterliegen.

Ubiquist

Als Ubiquisten bezeichnet man Organismen, Tiere oder Pflanzen, die keine spezifischen Ansprüche an ihren Lebensraum stellen und folglich in den verschiedensten Biozönosen oder Ökosystemen vorkommen. Sie leben ubiquitär, was so viel wie überall verbreitet, überall vorkommend oder allgegenwärtig bedeutet. Auf Grund seines Vorkommens auf allen Kontinenten und seiner weitgehenden Anspruchslosigkeit bezeichnen einige Autoren auch das Wildkaninchen als Ubiquisten. Das ist jedoch unzutreffend. Denn trotz seiner Anspruchslosigkeit begrenzen verschiedene ökologische Faktoren die Vorkommensgebiete deutlich. Dazu zählen unter anderem die Böden, Durchschnittstemperaturen und Niederschlagsmengen.

Versorgen

Erlegtes Haarwild ist unverzüglich aufzubrechen und auszuweiden. Die Auslegung des Begriffes „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, ist dabei unter den Gegebenheiten der Jagd zu sehen. Das gilt prinzipiell auch für Wildkaninchen, die – wie beim Schalenwild längst üblich – ebenfalls möglichst nach jedem Treiben versorgt werden sollten. So lauten die gültigen Bestimmungen. Ist dies aus jagdpraktischen Gründen nicht möglich, sollten die erlegten Kaninchen zumindest möglichst kühl und luftig aufgehängt und in der nächsten Pause bei sich bietender Zeit und Gelegenheit „aufgebrochen“ werden. Dabei ist neben der gebotenen Hygiene auf die Entfernung der beidseits des Weidlochs am Enddarm liegenden Drüsen (Inguinaldrüsen) zu achten. Die für Feldhasen und Wildkaninchen vorgesehene Ausnahmeregelung, dass ein Aufbrechen und Ausweiden spätestens bei der Anlieferung in den Betrieben zu erfolgen hat, entbindet nicht von der grundsätzlichen Pflicht des unverzüglichen Aufbrechens. Die Vorschrift kann, unter Berücksichtigung hygienischer Erkenntnisse, sicherlich nicht so ausgelegt werden, dass die Strecke einer Samstag-Treibjagd bis zum Wochenanfang hängen bleibt und erst dann bei Anlieferung in entsprechendenBetrieben ausgeweidet wird (DJV 2005).

Wetter

Kaninchen sind wärme-liebend. Insgesamt bieten trockenwarme, möglichst niederschlagsarme Regionen gute Rahmenbedingungen. Bezüglich der Niederschläge und Temperaturen erweisen sich feucht-kalte Winter, hohe dauerhafte Schneelagen und hohe sommerliche Niederschlagsmengen als besonders negativ. Abgesehen von der Thermoregulation beeinträchtigen solche Wetterereignisse die Qualität und Verfügbarkeit der Nahrung. Weiterhin können sie bestimmte Krankheiten und ihre Ausbreitung, zum Beispiel die Kokzidiose, fördern.

Xerophil

Der Begriff leitet sich vom griechischen xeros (trocken) ab und bedeutet in der allgemeinen Zoologie „Trockenheit liebend“. Eine Eigenschaft, die zweifelsohne auch auf das Wildkaninchen zutrifft. Optimalerweise wird beim Kaninchen die Trockenheit durch Wärme ergänzt, wie die fast unglaublichen Massenvermehrungen der Lapuze in Australien eindrucksvoll bestätigen.

Yersinia pseudotuberculosis

ist einBakterium und der Erreger der Pseudotuberkulose. Tritt die Krankheit seuchenhaft auf, kann sie vor allem beim Feldhasen, aber auch beim Wildkaninchen hohe Verluste verursachen. Nur bei der selten auftretenden akuten Form gehen die Tiere nach wenigen Tagen bei noch gutem Ernährungszustand ein. Im Rahmen des meist chronisch verzögerten Ablaufs magern die geschwächten Tiere stark ab. Die Milz ist stets deutlich vergrößert. Weiterhin zeigen sich unterschiedlich große gelbliche Knoten oder Abzesse an der Milz, Leber, Lunge und am Darm. Darüber hinaus kommt es zu blutigen Darmentzündungen. Nach BOCH & SCHNEIDAWIND (1988) werden erkrankte Kaninchen im Unterschied zum Hasen nur sehr selten beobachtet oder als Fallwild gefunden, da sie sich in die Baue zurückziehen und dort verenden.

Zuwachs

Vor dem Hintergrund der hohen Mortalitätsrate der Jungkaninchen zuzüglich der Verluste unter den erwachsenen Tieren wird der jagdlich nutzbare Zuwachshäufig überschätzt. Erfahrungswerte zeigen, dass der Zuwachs in „normalen Jahren“ etwa zwischen 200 und 250 Prozent schwankt. Folglich können in gesunden Besätzen als Orientierung etwa gut zwei Drittel des Herbstbesatzes erlegt werden. Achtung: Zählungen sind angesichts der Lebensweise recht schwierig und meist ungenau, wie die tagweisen Schwankungen zeigen. Um halbwegs zutreffende Weiserwerten zu bekommen, empfehlen sich Zählungen zum Beispiel vom Hochsitz aus. Dabei sollte die gleiche Fläche mehrere Male zur gleichen Tageszeit, am besten vom Sonnenuntergang bis zur Dunkelheit, beobachtet werden.

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