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Der Kenner-Blick

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Alttiere Ansprechen- Hirsche erkennt man mit etwas geschultem Auge leicht wieder, aber gelingt das auch bei Alttieren? Burkhard Stöcker gibt Ihnen Tipps, worauf Sie achten sollten.

Über viele Jahre habe ich in einem Revier fotografiert, in dem nur mäßig gejagt und das Wild daher ausgesprochen vertraut war. In so manchem Revierteil konnte ich mich mit der Zeit nicht nur mit bestimmten Hirschen, sondern auch mit einigen Alttieren mehr und mehr bekannt machen. Es verwunderte nicht, dass mit dem zunehmenden Vertraut sein mit den Stücken auch immer mehr individuelle optische Feinheiten zum Vorschein kamen. Aus der Masse der Namenlosen schälte sich langsam eine Gruppe namhafter Damen heraus.Wenn wir Jäger uns auch verständlicherweise mehr dem trophäenverzierten männlichen Geschlecht zuwenden, muss die Bedeutung des Kahlwildes immer wieder betont werden:

Die Alte
Das offenbar älteste Tier des Revieres. Schon als ich es kennenlernte, wurde es gleich als Seniorin von mir angesprochen: ganz langes, fast schon trockenes Haupt. Die Haut liegt sehr eng an, und einige Adern treten schon deutlich hervor. Im zweiten Jahr unserer Bekanntschaft kam sie circa vier Wochen später als die anderen Alttiere mit einem sehr zarten Kalb und ward im Jahr darauf nicht mehr gesehen.

Von ihnen stammen schließlich 50 Prozent der Erbanlagen für die künftige Generation. Wir sollten beim Kahlwild darauf achten, dass ausreichend gesunde und überlebensfähige Stücke in der Population verbleiben. Dazu eine kleine Begebenheit aus der novemberlichen Praxis: Ein Jäger kam zur Wildkammer und erzählte, dass er heute Abend den unglaublichsten Spießer seines Lebens zusammen mit dem Alttier gesehen habe. Wegen der sehr guten Veranlagung habe er den Spießer laufen lassen und stattdessen das Alttier erlegt. In einer stillen Minute fragte ich ihn dann, woher denn wohl der Superspießer seine gute Veranlagung bekommen hatte? Zu 50 Prozent von einem Tier, das jetzt in der Wildkammer hing.

Die Graziöse
Schmales, graziles Haupt, ausgeprägter dunkler „Latino-Teint“. Die in Relation zum schlanken Haupt recht großen Lauscher erwecken einen antilopenartigen Eindruck.

Wenn wir in der Lage sind, auch weibliche Individuen „persönlich anzusprechen“, kann uns das hochinteressante wildbiologische Erkenntnisse liefern: variierende Einstandswahl, Wanderungen oder auch die wechselnde Zusammensetzung von Rudeln und Gruppen. Oft sind es auch typische Bewegungsabläufe oder besonders häufige Bewegungen, durch die einzelne Stücke zu Persönlichkeiten werden. Ich kannte mal ein Alttier, das im Frühjahr immer frisch sprießende grüne Schilfhalme aus dem Ried zog. Am quietschenden Geräusch und an dieser speziellen Technik verriet sich das Tier jedes Mal.

Die Grobe
Breites, bulliges Haupt und fast fliehende Stirn. Ihr Einstand war gut zu erreichen, und so fotografierte ich sie auch kurz vor dem Setzen und dann auch einmal mit ihrem Kalb. Obgleich sich dies natürlich einer objektiven Wertung entzieht: Von grob war bei ihrer Kälbererziehung nichts zu spüren.

Zuweilen gibt es auch besonders unleidliche Streithammel, die ihre Auseinandersetzungen stets mit Laufschlegeln oder aber auch mit dem Relikt des Eckzahndrohens austragen. Es lohnt sich, auch beim ansonsten namenlosen Kahlwild genauer hinzusehen – vielleicht gibt es ja dann irgendwann ein freudiges Wiedersehen!

Die Geschminkte
Ein jüngeres Alttier mit kräftigem Haupt und ausgesprochen dunklem Teint sowie relativ steil nach oben ragende Lauscher.
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