Peter Schmitt
AUS DEM WILD UND HUND-TESTREVIER
Der Baujagd-Tag hat gerade begonnen, da schnürt Reineke am hellen Tag über das Feld in einen bewachsenen Graben. Schnell wird aus der Bodenjagd ein kleines Fuchsdrücken – mit schwerwiegenden Folgen.
Wie so oft in dieser Saison startet die Kontrolle der Kunstbaue enttäuschend. Vollkommen desinteressiert löst sich Teckel „Finn“ vor der Röhre am Grenzholz, kontrolliert dann lustlos. Nichts. Also ab zur zweiten Station, dem Bau an den Pferdekoppeln. Um dorthin zu gelangen, fahren Karl-Heinz, Markus und ich einige Hundert Meter am Rand eines Tales entlang von Pferdekoppeln, die auf der anderen Talseite wieder aufsteigen. Ein paar Gräben und Knicks schließen dort an. An einem davon entdeckt Karl-Heinz während der Fahrt eine Bewegung: Tatsächlich, ein schwacher Fuchs schnürt am hellen Tag dort entlang und taucht in aller Seelenruhe in den langgezogenen Graben ein. Während der Hundeführer
lieber weiter die Baue kontrollieren möchte, drängen Markus und ich darauf, „eben mal kurz“ zu drücken.
Mit dem Frontlader werden die ersten Meter der Röhre freigelegt. Doch bald wird klar, dass Fuchs und Erdhund zu tief dafür liegen. Fotos: Peter Schmitt
Kurz danach beziehen Markus und ich am unteren Ende des Grabens unsere Stände. Karl-Heinz und „Finn“ begeben sich etwa 200 Meter weiter oben in die Dornen. In circa 100 Metern Entfernung erschallt Hundelaut. Da kommt auch schon Reineke unter umliegenden Baumstämmen hindurchgeschlichen. Ein größerer Reisighaufen nimmt mir die Sicht. Ich schlage an und feixe innerlich, wie perfekt doch alles abläuft. Aber dann tut sich nichts mehr. Weg kann der Rotrock nicht sein. Ich hätte gesehen, wenn er sich empfohlen
hätte. Für uns ist die Situation klar: Der Fuchs steckt im Reisighaufen. Der Teckel wirds schon zeigen! Doch anstatt in das Astwerk einzutauchen, verschwindet er in einem zugewucherten – uns bis dato unbekannten – Dränagerohr. Auch wenn jeder von uns hofft, dass es nicht so kommen wird, ahnen wir schon jetzt, dass uns ein langer Tag bevorsteht.
Um es abzukürzen: Auch nach einer gefühlten Ewigkeit – tatsächlich sind vielleicht eineinhalb Stunden vergangen – ist klar, dass wir etwas unternehmen müssen. Der 25er-Kanalisationszulauf – das hatte ein Telefonat mit einem ortskundigen Jagdgenossen ergeben – verläuft recht lang unter den Pferdekoppeln, mündet talab in einem
Kanal und dann Hunderte Meter weiter unten in einen Bach. Wie es im Innern
aussieht, vermag natürlich keiner von uns zu sagen. Aus welchem Grund auch immer: „Finn“ kann oder will nicht zurück. Und so startet die Telefonkette. Günther Hasselbach, unser Jagdgenossenschaftsvorsitzender, ist mit seinem Frontlader kurz darauf vor Ort. Und auch Garten- und Landschaftsbauunternehmer sowie Landwirt Stefan Eckert schaut sich die Gegebenheiten an: „Das müsste gehen. Ich bin gleich wieder da, muss nur den Minibagger auf den Anhänger fahren“. Kollektives Aufatmen! Die ersten Meter, die noch im Knick
verlaufen, befreit Günther zwischenzeitlich mit dem Frontlader von Reisig und liegenden Baumstämmen. Ebenso legt er die ersten Meter der Röhre frei. Doch kleine, mit der Spitze des Zimmermannshammer geschlagene Löcher – schließlich darf der Hund nicht verletzt werden, und die Schäden am Ablauf müssen reparabel bleiben – verraten, dass wir noch mindestens 50 Meter zu kurz sind. Die Zeit des Minibaggers ist gekommen. Das Verfahren ist ab jetzt immer gleich: Den wahrscheinlichen Rohrverlauf fluchten, quer zur Röhre baggern, Rohrteil freilegen, kleines Loch einschlagen und hineinlauschen. Die ersten Male
sind wir immer noch zu kurz. Wir entschließen uns, deutlich vorzugreifen. Als wir erneut vorsichtig ein Loch in eines der Rohrsegmente schlagen, zeigt der Hundelaut, dass wir dieses Mal knapp über das Ziel hinausgeschossen sind. So weit, so gut. Zwischen uns und „Finn“ müsste jetzt der Fuchs liegen. Wir beschließen, das Löchlein zu erweitern, um einen Blick zu riskieren und Reineke den Rückweg absperren zu können. Etwa zehn Schritte oberhalb folgt nun der nächste Einschlag. Wieder ein kleines Horch- und Guckloch verrät den Bauhund kurz vor uns. Auf den Ruf seines Führers erscheint die eifrig wedelnde Rute des Teckels durch das kleine Sichtfenster. Mit größter Vorsicht erweitert Stefan das Loch, sodass er und Karl-Heinz schon bald den putzmunteren Bauhund abtragen können. Auch hier verschließen wir Reineke den Fluchtweg.
Durch kleine, mit dem Zimmermannshammer geschlagene Löcher wird der Hund akustisch geortet.
Der letzte Einschlag nach circa 60 Metern war knapp zu weit. Der Rückweg wurde dem Fuchs versperrt.
Das Wichtigste hätten wir: Den Hund – und zwar vollkommen gesund. „Jetzt holen wir uns noch den Fuchs – nach dem Aufwand und der Arbeit! Und der junge Hund braucht
jetzt das Erfolgserlebnis!“, ist Karl-Heinz‘ Meinung. Auch die Nicht-Jäger pflichten bei.
Da Reineke durch den vorgelegenen Erdhund und unsere Einblicke mit der Taschenlampe absolut nicht willens ist, sich auch nur einen Millimeter zu rühren, ist guter Rat teuer.
Vor allem, weil keine Kurzwaffe vorhanden ist und das schwindende Licht es nicht zulässt, eine zu besorgen. „Finn“ erneut ins Rennen zu schicken, kommt für keinen von uns
mehr in Betracht. Eine Teleskopstange, eigentlich dazu gedacht, Lockvögel in Bäume zu setzen, bringt die Lösung. In der Röhre wird sie Stück für Stück zusammengesetzt und der Fuchs von hinten angeschoben. Erst rückt er nur teilweise, um dann mit einem Ruck zu springen. Am Rand des etwa einen Meter tiefen Einschlags erreicht ihn die tödliche Garbe, und Reineke rutscht zurück in die Grube. Ich habe dabei gemischte Gefühle. Einerseits bin ich froh, dass „Finn“ nach der langen Zeit in der Kanalisation munter ist und unsere Jagdgenossen uns so tatkräftig wie selbstverständlich zur Seite standen. Ebenso freut es mich, dass wir nach diesem Aufwand Reineke zur Strecke brachten. Andererseits habe ich
selten so viel Ehrfurcht und Respekt für ein Stück erlegtes Wild empfunden, wie
für diese schwache, 5,4 Kilogramm schwere Fuchsfähe, die sich ihren Widersachern
so tapfer widersetzt hat.