FALLENJAGD
Mais zieht neben Sauen auch Dachse und Mäuse an. Mäuse wiederum locken Fuchs und Marder. Wie die Raubwildstrecke an der Kirrung steigt, ohne die Schwarzkittel durch nächtliche Schüsse zu vergrämen, zeigt Stephan Wunderlich.
Sie kennen das: Schnee, zunehmender Mond, und seit Tagen sind die Kirrungen im Revier regelmäßig angenommen. Flugs ist ausgemacht, wer welche Kanzel in der bevorstehenden Nacht bezieht, und drei der möglichen sechs „Garantieplätze“ werden abgesetzt. Groß sind die Erwartungen. Es spricht ja auch alles dafür, dass sich zumindest bei einem der Schützen Jagderfolg einstellen wird. Das Abbaumen ist für Mitternacht angesetzt, da mit dem Kirrungs-Besuch bis elf Uhr zu rechnen ist – der Wilduhr sei Dank. Man richtet sich also auf dem Hochsitz ein, korrigiert das Absehen auf die passende Vergrößerung, steckt die Hände tief in die Taschen und wartet auf das Rauschen im gefrorenen Laub, wenn die Rotte in Richtung Kirrung zieht. Zudem spekuliert man ja auch auf diesen „grauen Esel“ von Keiler, mit geschätzten 120 Kilogramm aufwärts, der den Mitjägern bereits mehrfach
kurz in Anblick gekommen war, aber „immer im Schlagschatten gestanden hat“. Auf
jeden Fall: Er ist in der Nähe – das Fährtenbild im Schnee hat es verraten. Und genau
heute könnte er kommen. Eine halbe Stunde nach dem ersten vergewissernden Blick durchs Glas, ob die Sauen nicht vielleicht bereits in der Nähe sind, ertönt ein heiseres Bellen in der klaren Winternacht. Die Ranzzeit ist in vollem Gange, und Reineke ist auf der
Suche nach seinesgleichen. Einem Strich gleich nähert sich eine Stunde später der erste Fuchs der Kirrung, markiert an einem der aufgestellten Buchenrundlingen, unter denen sich eine Handvoll Mais befindet, und schnürt weiter. Das Absehen indes steht ruhig auf dem Blatt des Fuchses, doch der Finger bleibt gerade. Minuten später eine Bewegung an der
Kirrung – kaum wahrnehmbar. Der Blick durchs Glas verschafft Gewissheit. Ein Marder ist zwischen den Baumwurzeln auf der Jagd nach Mäusen. Auch er bleibt unbehelligt. Vor dem Repetierer muss er sich nicht fürchten, der Drilling steht im Warmen – und das schon seit Jahren.
So verstreicht die Zeit. Ein weiterer Fuchs kommt in Anblick. Ob es derselbe war oder ein zweiter – wer kann das schon sagen. Und ganz plötzlich, fast wie aus dem Nichts … vibriert das Telefon. Zeit zum Abbaumen. Kalt ist es geworden, und die letzte halbe Stunde war keine Freude mehr. Am verabredeten Platz: drei lange Gesichter. Keinem der Jagdfreunde kann man Waidmannsheil wünschen, die zeitliche Stetigkeit der Schwarzen scheint ein wenig zu leiden. Ob der Wind nicht optimal, der Mond bereits zu hell, die Sauen beim
Nachbarn sind – man weiß es nicht. Irgendeinen Grund wird es schon geben. Anblick: Einem selbst kamen mindestens ein, eher zwei Füchse und ein Marder in Anblick, bei den Kollegen zusätzlich je ein Fuchs. Eventuell ein weiterer Rotrock, aber immer im Schlagschatten der Bäume. „Da war nichts zu machen. Und außerdem die Sauen, wenn es knallt wegen einem Fuchs, dann kommen die doch nicht mehr. Ich hätte eh nicht geschossen.“ Die Revierrunde am darauffolgenden Morgen bestätigt, dass die drei unbesetzten Kirrungen ordnungsgemäß angenommen worden sind. Sogar eine der besetzten Kirrungen wurde noch abgeräumt, nachdem der Schütze sie verlassen hatte.
Zusätzlich zeigen die Spuren im Schnee den Besuch von Marder, Fuchs, Hermelin und sogar einem Dachs an. Kreuz und quer steht das Spurbild der Räuber im Bereich der Kirrung. Beim Sauenansitz verliert die alte Weisheit „Lieber den Spatz in der Hand
als die Taube auf dem Dach“ in Bezug auf Raubwild als Beute vollkommen ihre Bedeutung.
Die Jagd gilt den Schwarzkitteln, die auf keinen Fall mit einem vorschnellen Schuss vergrämt werden sollen. Fuchs, Marder und anderes Raubwild werden nicht erlegt. Eine zielgerichtete Bejagungsstrategie, wie sie für Sauen praktisch im Wochentakt neu erfunden wird, fehlt beim Thema „Raubwild“ heute oftmals. Dabei wäre es so einfach. Stellen Sie sich einmal die folgende Frage: Welcher Platz im Revier wird täglich angefahren, kontrolliert und beschickt? Genau: die Kirrung. Die Beschränkung der Mais menge auf wenige oder gar nur einen Liter führt dazu, dass Kirrautomaten aus den meisten Revieren verschwunden sind. Dass der Mais zusätzlich abgedeckt sein muss, um nicht von anderem Schalenwild aufgenommen zu werden, tut das Übrige dazu. Und das wiederum bringt uns zur Raubwildjagd. Quasi als „Kirrungsnebenerwerb“. Das oben angeführte Beispiel aus
einem durchschnittlichen Sauenrevier zeigt: Werden Schwarzkittel an der Kirrung
erwartet, ist es mit dem Schuss auf den vorbeischnürenden Fuchs meist nicht mehr so weit her. Also macht man sich das tägliche Beschicken seiner Kirrung zunutze und installiert
dort zusätzlich eine Lebendfangfalle. Durch das regelmäßige Kirren wird eine der Hauptanforderungen an die Fallenjagd erfüllt: Es ist gewährleistet, dass die Fangeinrichtung jeden Tag kontrolliert wird. (Bitte die jeweiligen Landesjagdgesetze
beachten – teilweise fordern die Landesjagdgesetze/Durchführungsverordnungen
mehrere Kontrollen pro Tag oder geben einen Zeitraum vor, in dem dies zu geschehen hat.)
Welches Fallen-Modell zum Einsatz kommt, ist eigentlich unerheblich. Wichtig ist, dass überhaupt gefangen wird. Jeder Geldbeutel lässt den Kauf oder den Selbstbau einer soliden Falle zu. Gerade in Anbetracht der Kosten, die beim Betrieb einer Kirrung entstehen, kann das Argument „Fangjagd ist zu teuer“ nun wirklich nicht bestehen. Die Kontrolle haben Sie ja ohnehin quasi umsonst. Entscheidet man sich für eine großformatige Kasten- oder Rohrfalle mit einer Mindestlänge von 200 Zentimetern (cm) und einem Durchmesser
von wenigstens 30 cm (gemessen zwischen den Schiebern), ist alles richtig gemacht. Damit sind die gesetzlichen Vorgaben, die die einzelnen Bundesländer erheben, erfüllt – mit Ausnahme von Berlin, wo auch der Lebendfang verboten ist.
Der Einbau einer Rohrfalle scheint auf den ersten Blick die sinnvollere Variante zu sein, da man ja mit dem Spieltrieb der Sauen rechnen muss. Jeder weiß, welche brachialen Kräfte eine Bache der 65-Kilo-Größenordnung aufbringt, wenn sie unter einem Stein etwas Fressbares vermutet. Insofern tut man gut daran, eine Rohrfalle ihrer Bestimmung entsprechend im Boden verschwinden zu lassen. Sonst kann es leicht passieren, dass man die Einzelteile seiner Falle später im näheren und weiteren Umfeld seiner Kirrung zusammensuchen darf. Bei den heute gängigen Modellen mit Wipprohrauslösung muss auf eine besonders solide Umbauung Wert gelegt werden, ansonsten betrachten die Sauen die Rohre als Aufforderung zum Spielen.
Als Alternative dazu empfehle ich deswegen den Aufbau einer Mäuseburg mit integrierter Kastenfalle. Diese hat mehrere Vorteile:
1. Sie kann alleine aufgebaut werden.
2. Sie fängt auch gänzlich ohne Beköderung.
3. Die Kosten für eine Mäuseburg sind überschaubar. Das dafür
benötigte Material bleibt beim Kanzelbau oft übrig.
4. Die Mäuseburg in Kombination mit Kastenfalle wirkt wie ein
Luderplatz und ersetzt diesen vollwertig. Gefangen wird aber rund
um die Uhr.
5. Die Materialkombination animiert Schwarzwild deutlich weniger,
sich an der Falle zu vergehen.
Die Kastenfalle wird bodeneben auf Holzdielen als Fallenbett gestellt und rundum verschalt, sodass sie 100 Prozent trocken steht und bequem in diesen Tunnel eingeschoben beziehungsweise aus ihm herausgezogen werden kann. Um die Verschalung werden acht stabile Pfähle in den Boden getrieben, sodass sie einen Rahmen von insgesamt 250 cm
Länge x 120 cm Breite x 120 cm Höhe erhalten. Das Ganze wird mit Baustahlmatten
(die untere Reihe der Matte öffnen, so kann sie in den Boden gesteckt werden und verhindert zuverlässig Durchgraben) umzäunt, mit kleinen Stroh- und Heuballen befüllt und mit einem Dach aus Ondolinen platten gegen Feuchtigkeit geschützt. Das A und O der Kastenfalle: Sie muss auf Durchlauf auslösen. Einer Triangelauslösung, die mit etwas Heu verblendet wird, würde ich einer Wippe gegenüber den Vorzug geben, denn ein Wippbrett
wippt immer genau dann nicht, wenn es soll. Aber das ist Geschmacksache. Es gibt kaum noch ein Revier, das heute keine Sauenvorkommen und damit die ein oder andere Kirrung besitzt. Selbst in klassischen Niederwildrevieren haben die Schwarzkittel, und damit einhergehend auch die Jagd an der Kirrung, Einzug gehalten. Machen Sie Ihre Kirrung zu einem Fangplatz, müssen Sie keine Sorge haben, Sauen durch einen Schuss auf Raubwild
zu vergrämen. Zudem können Sie sich trotzdem über den einen oder anderen zusätzlichen Balg freuen. Der Fuchs, der zweifelsohne regelmäßig die Kirrung revidiert, wird dadurch 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche bejagt und bliebe nicht, wie im vorangegangenen Beispiel, geschont. Nicht auszudenken, wie die Raubwildstrecke steigen würde, wenn jede
Kirrung in Deutschland mit einer Lebendfalle ausgestattet würde – und das durch „Gelegenheitsfüchse“ und quasi nebenher. Unsere Bodenbrüter, ob jagdbar oder nicht, würden es uns doppelt und dreifach danken. Ganz abgesehen davon ist die Fangjagd ein Instrument, dass es wert ist, als spannendes Handwerk erhalten zu bleiben.