Der erste Schnee im Jahr, Sauen in der Dickung und eine ganz besondere Jagd bescherten einen runden Geburtstag der anderen Art.
Mit dem 1. Dezember kam der erste Schnee dieses Winters nach Obertiefenbach. Doch diesmal haben wir, statt auszuneuen, moderne Technik genutzt, um Wild aufzuspüren.
Foto: Markus Lotz
Ganz leise ist es. Der über Nacht gefallene Neuschnee schluckt alle Geräusche der Natur. Hin und wieder rutscht das langsam schmelzende Weiß von den Buchenzweigen und fällt mit einem dumpfen Plumps auf den Boden. Die friedliche Stille wird plötzlich vom hellen Geläut meiner Steirischen Rauhhaarbracke „Arthus“ durchbrochen. Mein Puls steigt sofort. Halb im Anschlag stehe ich gespannt auf meinem zugewiesenen Stand im Testrevier. Mit einem riesigen Satz flüchtet ein Rehbock aus der Dickung auf mich zu. Mein Vierläufer ist ihm direkt auf den Schalen. Unmittelbar vor mir dreht der Gabler ab, von seinem Kopfschmuck hat er sich bisher noch nicht trennen wollen. Die beiden verschwinden in Richtung meines Standnachbarn.
Jetzt gehts in die Luft: Alexander Mohr startet das Drohnenmodell „H520E“ vom selbst gebauten Start- und Landetisch.
Foto: Markus Lotz
Dass es so spannend werden würde, ahne ich noch nicht, als ich an diesem Morgen, dem 1. Dezember, an einem wunderschön gedeckten Frühstückstisch sitze. Es ist mein 30. Geburtstag. Coronabedingt muss die Party leider ausfallen. Allerdings warten wir – meine bessere Hälfte, unser Hund und ich – noch auf Meldung aus dem Testrevier.
Dort kreist nämlich gerade, während wir vom Geburtstagskuchen naschen, eine von Hubschrauber- und Drohnenpilot Alexander Mohr gelenkte Drohne über die vielversprechenden Dickungen. Chefredakteur Heiko Hornung weist den Inhaber der Firma CopterPro ein, der sein Know-how und seine rund 9 000 Euro teure Ausrüstung zu jagdlichen Zwecken für 450 Euro pro Tag anbietet. Bereits im vergangenen Jahr hatten wir seine Fähigkeiten als „Drohnen-Wild-Aufklärer“ in Anspruch genommen und auf Rehwild Erfolg gehabt (s. WuH 1/2019, S. 24).
Der 23-jährige Bergener erklärt Heiko Hornung, was auf dem Display der Fernsteuerung zu sehen ist.
Foto: Markus Lotz
Das Kamerabild wird zeitgleich als Real-, Wärmebild und Google-Maps-Karte auf dem Bildschirm angezeigt.
Foto: Markus Lotz
Heute späht das einem kleinen Ufo mit Rotoren ähnelnde Fluggerät mit einer Normal- und einer Wärmebildkamera mehrere Dickungen entlang der Hasenbachhänge und um die Ringmauer an der östlichen Grenze des Reviers aus. Hierfür schaut Mohr zunächst das Wärmebild auf dem Display der Fernsteuerung an, um das Wild zu entdecken, das sich als weiße Silhouette von den Dickungen abhebt. Mithilfe des Normalbildes kann er dann die Wildart ansprechen. Rehwild erkennt der gebürtige Bergener beispielsweise anhand der Bewegung des Trägers, die sich deutlich von der des Schwarzwildes unterscheidet.
Kollege Michael Woisetschläger will mit Parson-Russell-Terrier „Otto“ und der Bracke „Pablo“ von Alexander Mohr die Sauen auf die Läufe bringen.
Foto: Ingo Tesch
In der Dickung, aus der mir gerade der junge Gabler entgegengeflüchtet ist, hat Alexander Mohr vor einer Stunde Sauen entdeckt. Heiko hatte uns angerufen, wir haben schnell aufgerödelt und sind ins Testrevier gefahren. Doch jetzt kommt statt der Sauen nur ein Stück Rehwild zum Vorschein. Ob sich der Drohnenpilot verguckt hat?
Allzu viel Hoffnung darauf, dass die angekündigten Schwarzkittel ausgerechnet in meine Richtung flüchten, mache ich mir ohnehin nicht. Denn Mohr berichtete zuvor noch, dass seiner Erfahrung nach Schwarzwild zu fast 90 % immer gegen den Wind aus den Dickungen flüchtet, und der weht auf mich zu.
Mit vereinten Kräften bergen die Jäger die 48 kg schwere Überläuferbache aus der Dickung.
Foto: Markus Lotz
Eine kurze Bewegung im Brombeer-Verhau vor mir reißt mich aus meinen Gedanken. Ich bin sofort in Alarmbereitschaft. Die Stimme von Kollege Michael Woisetschläger erklingt dumpf in der Ferne: „Hopp, hopp, hopp.“ Für Sekunden ist es ruhig. Dann raschelt und knackt es in den Brombeeren. Parson-Russell-Terrier „Otto“ gibt plötzlich einen kreischenden Laut von sich. Parallel setzt meine Bracke mit einem mehrere Oktaven tieferen Hals ein, der unverkennbar ist und „Sau“ bedeutet.
In den Chor mischt sich nun auch noch das Surren der Drohne über mir. Das Wackeln in den Brombeeren verlagert sich. Plötzlich schiebt sich ein Überläufer aus dem Dornenhorst. Einige Meter trollt er sich. Ich bin mir sicher – keine Frischlinge, keine Hunde im Schlepptau – und lasse fliegen. Das Projektil trifft tief aufs Blatt und bindet die Wutz an Ort und Stelle. Sekunden später erscheint mein Steirer aus den Brombeeren und zaust knurrend die Winterschwarte. Mit einigen dunklen Lauten am Stück vermeldet er „Sau tot“.
Die Autorin und ihr Steirischer Rauhhaarbracken-Rüde „Arthus“ freuen sich über den gemeinsamen Jagderfolg.
Foto: Markus Deutsch
Bei dieser Strecke bleibt es für heute. Die übrigen Schwarzkittel haben sich so intelligent aus dem Staub gemacht, dass die Kollegen mangels Kugelfang nicht schießen konnten, wie sie später am Treffpunkt berichten werden. Auch die Auswertung der Drohnenaufnahmen in der Redaktion wird zeigen, dass die Rotte komplett gesprengt wurde. Einige sind gegen und manche mit dem Wind ausgewechselt. „So viel zu den Regeln auf der Jagd!“, denke ich schmunzelnd und fahre glücklich mit meiner Geburtstags-Drohnen-Wutz zur Wildkammer.
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