BLATTJAGD-KARUSSELL
Bei der Krähen- und Taubenjagd gehört das Lock-Karussell zur Grundausstattung. Funktioniert es auch bei der Blattjagd? Revierjagdmeister Sascha Schmitt hat es ausprobiert.
Vor der Kanzel äst ein junger Gabler, bis ein Schmalreh aus dem angrenzenden Weizenschlag austritt. Zügig nähert sich der Jüngling und beginnt es nach kurzem Bewinden zu treiben. Das holde Liebesglück währt nicht lange. Wie ein wilder Stier stürzt der Platzbock aus großer Entfernung heran und verleidet dem Gabler jegliche amourösen Gefühle und treibt ihn davon.
Ähnliche Bilder sind jedem Rehwild-Jäger vertraut. Vielleicht entlocken Sie ihm noch ein süffisantes Lächeln, wenn er den jungen Springinsfeld das Weite suchen sieht. Doch diesmal sollte es bei mir nicht bei einem Lächeln bleiben. Ich durchstöberte die Angebotsseiten amerikanischer Jagdausstatter nach neuen Attrappen für die Raubwildjagd.
Dabei landete ich auch bei den Locktieren, die in den USA bei der Jagd auf verschiedene Hirscharten verwendet werden. Lebensgroße Alttier- und Hirschattrappen sollen dort
dem Weißwedelhirsch ein brunftiges Tier oder einen Nebenbuhler vortäuschen und ihn mit den entsprechenden Rufen zum Zustehen bringen. Kurzfilme im Internet zerstreuten
meine anfänglichen Zweifel. Eindrucksvoll belegen sie die Wirksamkeit der Kombination aus Ruf- und Lockjagd. Könnten solche Decoys nicht auch einen Rehbock zum Zustehen bringen? Immer wieder kommt es beim Blatten vor, dass der springende Bock auf größere Distanz verhofft und nach seinem Nebenbuhler späht. Gerade ältere Böcke verlieren das Interesse, wenn die Bühne offensichtlich leer ist.
Diese Tatsache ist auch anderen Blattjägern nicht entgangen. Denn immer wieder berichten sie davon und zeigen mögliche Lösungswege auf. Diese sind jedoch oftmals nicht ganz durchdacht. So wird empfohlen, eine gegerbte Rehdecke über die Brüstung des Blattstandes zu hängen, um den Bock auch optisch zum Jäger zu leiten. Das Problem: Der Bock springt immer frontal. Es bleibt nur der Schuss auf den
Stich. Mit Blick auf die Verwertbarkeit des Wildbrets ist das eher skeptisch zu beurteilen. Außerdem zieht der Jäger die völlige Aufmerksamkeit des Bockes auf sich. Selbst bei voller Tarnung wird er sich früher oder später durch eine Bewegung verraten. Andere Spezialisten raten, eine frische Rehdecke abseits des Standes über einen Ast zu hängen. In meinen Augen absolut praxisfern. Erstens wird sich die Decke bei schwül-warmer Witterung
in kürzester Zeit mit sämtlichen Insekten der Umgebung „beleben“. Zweitens könnte der Bock bei nicht optimalen Windverhältnissen durch das entstehende „Fäulnisaroma“
in die Flucht geschlagen werden. Drittens: Rehwild ist ein absoluter Bewegungsseher! Eine bewegungslos platzierte Rehwilddecke wird der Bock also kaum wahrnehmen. Nach längerer Recherche werde ich im Internet fündig. Ein schwedischer Jäger zeigt in einem kurzen Trailer, wie er bei der Blattjagd ein Rehkarussell verwendet und dabei tatsächlich Böcke streckt. Die Funktionsweise: ähnlich wie ein Taubenkarussell. Zwei Rehsilhouetten
drehen sich im Kreis. Nachgeahmt wird eine Ricke, die von einem Bock getrieben wird.
Das muss ich haben! Schnell stellt sich heraus, dass es die Erfindung ein Prototyp ist, den es nicht im Handel gibt. Also bleibt nichts anderes übrig, als den Rehkreisel selbst zu bauen. Sofort greife ich zum Telefon und rufe meinen Jagdfreund Uwe Hahn an. Nach kurzer Erklärung ist der passionierte Jäger und Elektroinstallationsmeister sofort Feuer und Flamme. „Komm vorbei, wir machen das!“ Gesagt, getan. In kürzester Zeit werden Ständerwerk, Motor und Arme zu einem stabilen Karussell zusammengebaut. Der Kreisel muss dabei drei wichtige Kriterien erfüllen:
1. möglichst geringes Gewicht,
2. ein leistungsstarker Motor,
3. es musste schnell auf ein praktisches Transportmaß zerlegbar sein.
Bereits Anfang Juli war leichtes Brunftgeschehen im Revier zu beobachten. Im ersten Licht wurde der Kreisel mit wenigen Handgriffen auf einer Wiese aufgebaut, an der ich zuvor einen starken Bock bestätigt hatte. Ich selbst postierte mich in Tarnkleidung an den Rand eines Feldgehölzes und war gespannt auf den Testlauf. Um es vorweg zu nehmen:
Sämtliche Erwartungen wurden mehr als übertroffen! Schon nach einer halben Stunde trat der Platzbock aus, eräugte das „treibende Rehensemble“ und näherte sich mit großen Sätzen. Er stand auf 30 Meter zu, verhoffte kurz und näherte sich dann im typischen
Stechschritt mit leicht geneigtem Haupt. Erst auf 20 Meter Entfernung wurde er misstrauisch und sprang ab. Jetzt wollte ich es wissen und setzte einen lauten Sprengfiep ab. Der Bock wendete auf der Stelle und stand erneut zu. Kurz gesagt: ich hätte mehr als reichlich Gelegenheit gehabt, den Alten zu strecken. Um einen Zufall auszuschließen,
wurde der Rehkreisel inzwischen an mehreren Stellen in verschiedenen Revieren erfolgreich getestet. Das Verhalten der Böcke war immer gleich: sobald sie den „unerlaubten Brunftbetrieb“ in ihrem Territorium eräugten, standen sie auch zu. Doch die große Zeit des Bockkarussells wird erst mit der eigentlichen Blattzeit kommen. Wie der Kreisel dann
funktioniert und ob sich seine Wirkung sogar verstärkt, erfahren Sie demnächst in WILD UND HUND.