Thore Wolf
AUS DEM WILD UND HUND-TESTREVIER
Der Nachmittagsansitz Ende Januar sollte in erster Linie dazu dienen,
Wildbret zu beschaffen. Doch ein Mitjäger war schneller.
Beute im Doppelpack: Fuchsrüde (7,5 Kilogramm) mit gefangenem Frischling (500 Gramm) Fotos: Thore Wolf
Kaum war der letzte Bissen vom Wildsaubraten verputzt, ging der Blick auf die Uhr: halb vier am Sonntag-Nachmittag. Also nichts wie rein in die dicken Klamotten und raus ins Revier. Denn in der Kühltruhe ist der Wildbret-Vorrat fast aufgebraucht. Vielleicht ergibt sich die Chance auf Sauen, Reh- oder Damwild. Draußen Bomben-Jagdwetter: strahlender Sonnenschein bei knackigen minus fünf Grad. Während das Auto am Spriestersbacher Hof ausrollt, bleibt mein Blick am Sauenknick hängen. In der etwas weiter oberhalb gelegenen Hecke erkenne ich zwei Damhirsche, die die letzten Strahlen der Nachmittagssonne genießen. Mein Plan, die Wildackerkanzel anzupirschen, wäre jetzt kontraproduktiv. Bei dem verharschten Schnee wird es nicht gelingen, leise voranzukommen.Die Hirsche würden mit hundertprozentiger Sicherheit vergrämt werden. Also umplanen. Die etwas weiter nördlich gelegene Volontärsleiter ist eine gute Alternative. Kann ich doch dieselbe Fläche wie von der Wildackerkanzel aus einsehen und dabei die Hirsche im weiten Bogen umschlagen.
Kaum auf der Leiter eingerichtet, eine Bewegung am etwa 250 Meter entfernten Sauenknick. Tatsächlich: Über den Horizont schieben sich Damhirschschaufeln. Vielleicht
ist es ja das bekannte zehnköpfige Hirschrudel, in dem zwei Abschuss-Spießer ihre Fährten ziehen? Aber weit gefehlt. Drei IIa-Hirsche und ein gut veranlagter, über Lauscher
hoher Spießer ziehen direkt auf mich zu. Der Finger bleibt gerade. Zwar hat das Testrevier noch einen Schmalspießer frei, aber dieser Abschuss wäre verständlicherweise den Sachkundigen der Damwildhegegemeinschaft nur schwer zu erklären. Bis auf 15 Meter kommen die vier Stücke an die Leiter heran, schlagen mit ihren Schalen nach Äsung unter dem Harsch. Nach einer halben Stunde ist das Hirschrudel wieder oberhalb in den Wald gewechselt. Stille. Doch es dauert keine fünf Minuten, bis ich links von mir im Bestand eine
Bewegung wahrnehme. Ein Fuchs! Und er hat etwas im Fang. Ich kann es nicht erkennen, habe auch keine Zeit zum genauen Ansprechen seiner Beute. Denn in wenigen Metern
wird Reineke vom Waldsaum verdeckt sein, sodass kein sauberer Schuss mehr möglich ist.
Schnell ist die Büchse zur Hand, der Spannschieber gleitet nach vorne. Im Knall wirft sich der Räuber herum, verliert seine Beute. Noch einmal packt er danach, bevor er Sekundenbruchteile später aus dem Waldrand kullert. will sitzen bleiben. Schließlich ist es erst 17 Uhr, und vielleicht klappt es doch noch mit einem Stück Schalenwild. Aber weil es eben erst 17 Uhr ist und der Fuchs keine 30 Meter vor mir liegt, hält mich die Neugierde nicht mehr auf dem Sitz: Was zum Teufel hatte der Räuber im Fang? Also doch mal eben
schnell nachgeschaut. Ich traue meinen Augen nicht. Ein Frischling mit sauber abgebissenem Kopf und Vorderläufen. Als ich den nur 500 Gramm schweren Kadaver in die Hand nehme, fällt auf, dass er noch verhältnismäßig warm und weich ist. Reineke muss seinen letzten Bissen also kurz vorher direkt aus dem Wurfkessel stibitzt haben.