JAGD UND BESTANDSDYNAMIK
Seit Jahrzehnten werden in vielen Regionen die Abschusszahlen regelmäßig stark erhöht. Das Ziel: Bestände reduzieren – das Ergebnis: Bestände nehmen zu. Wie kann das sein, und welchen Einfluss hat die Frühjahrsjagd auf Schmaltiere? Dr. Hubert Zeiler
Für mich ist es schwer vorstellbar, dass man immer wieder dieselbe Lösungsstrategie verfolgt, ohne zu hinterfragen, warum man bisher genau das Gegenteil damit erreicht hat. Besonders anschaulich zeigt dies die Rotwildstrecke im österreichischen Bundesland Kärnten. Im Grunde genommen verläuft die Entwicklung in vielen Ländern ähnlich. Kärnten führt die Problematik nur deshalb so deutlich vor Augen, weil die Strecken konstant und regelmäßig in Etappen angehoben wurden.
Es folgt dasselbe Muster: Wieder ein steiler Abfall in wenigen Jahren, wieder ein neues Ausgangsniveau um rund 1000 Stück über dem letzten. In den 1990er-Jahren wurde die Strecke ein drittes Mal steil nach oben gehoben, diesmal auf knapp unter 9000 Stück. Der Abfall erfolgte erneut, aber weniger ausgeprägt, auf rund 7200 Stück zurück. Derzeit läuft die nächste Reduktion, 2012 wurde mit rund 10000 Stück wieder ein Rekord erreicht. Ob damit die Bestände abgenommen haben, weiß bis dato niemand. In Summe wurde der Rotwildabschuss also vier Mal um 3000 bis 3500 Stück angehoben. Jedes Mal ist danach die Strecke abgefallen und von einem höheren Niveau wieder angestiegen. Falls mit dem Anheben der Strecken jeweils das Ziel verfolgt wurde, die Bestände zu reduzieren, ist dies eindeutig nicht gelungen. Spätestens seit Einführung der Raumplanung und der Reduktion der Winterfütterungen sollten nun Ausbreitung und Futter nicht mehr als Begründung für zunehmende Strecken dienen.
Ältere Tiere werden dagegen immer vorsichtiger und sind nur mehr sehr schwer zu bejagen. Diese mittelalten, reifen Tiere bilden das Rückgrat des Bestandes. Sie sind die eigentlichen Zuwachsträger. An jene erfahrenen Stücke kommt aber kaum noch jemand heran, weil sie mehr und mehr auf der Hut sind. Zunehmender Jagddruck macht sie scheu. Trägt die Fütterung noch dazu bei, dass es kaum mehr übergehende Schmaltiere gibt, steigt auch noch die Zuwachsrate. Mit den erfahrenen Tieren, die immer älter werden, weil sie schwerer zu erlegen sind, und der breiten Basis, die dann zusätzlich reproduziert und dabei zumeist auch noch Wildkälber setzt, kommen wir in eine Spirale, welche die Bestände immer mehr nach oben treibt. Hier geben sich Theorie und Praxis die Hand. Wer ohne theoretischen Unterbau arbeitet, der kann auch leicht in der Praxis scheitern.