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PROBLEM HAUSKATZE: „Nicht von zentraler Bedeutung“

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Gefährdet die Hauskatze den Wildkatzenschutz? – Wie sieht der BUND diese Problematik? WILD UND HUND fragte nach.

Für den BUND antwortete Diplom Biologe Thomas Mölich:
WuH: Nach Schätzungen des Deutschen Tierschutzbundes leben in Deutschland 2 Millionen verwilderte Hauskatzen. Zusätzlich streift ein erheblicher Prozentsatz der in Haushalten lebenden Hauskatzen (etwa 8 Millionen) als Freigänger durch die Natur. Ihr Ziel ist, die Wildkatze als möglichst reinrassig zu erhalten. In Schottland zeigen sich hinsichtlich dessen schon massive Probleme. Wie ist dieses Ziel auch in Zukunft angesichts der genannten Zahlen zu sichern?
Thomas Mölich: Ergebnisse aus mehreren Jahren eigener Forschungsarbeit in Zusammenarbeit mit dem Senckenberg-Institut zeigen bislang klar, dass Hybridisierung in Deutschland nicht von zentraler Bedeutung ist. Unsere Ergebnisse werden auch von anderen Studien belegt.
Die Situation ist in Schottland eine völlig andere. Dort ist die Zahl der Wildkatzen sehr gering und daher möglicherweise durch Hybridisierung so stark beeinflusst. Hybridisierung mit Haustierformen tritt häufig dann auf, wenn keine geeigneten Paarungspartner der eigenen Art bzw. Wildform gefunden werden. Das Phänomen kennt man beispielsweise bei Wölfen: Kurz nach der Besiedelung Deutschlands kam es zu einer erfolgreichen Paarung zwischen Wölfin und Haushund, seitdem gibt es keine Hinweise mehr auf Hybridisierung. Wir gehen davon aus, dass der Schutz der Wildkatze und die Schaffung geeigneter Lebensräume des beste Mittel gegen eine Hybrisidierung mit Hauskatzen darstellt.
WuH: Sie arbeiten bei der Bestimmung von Wildkatzen eng mit dem Senckenberg-Institut zusammen. Seitens einiger Wissenschaftler werden deren Ergebnisse bei der Bestimmung hinsichtlich ihrer Richtigkeit angezweifelt. Wie sehen Sie das?
Thomas Mölich: Die von Senckenberg verwendeten Methoden (z.B. Mikrosatellitenanalyse) sind seit Jahren der Standard in der Wissenschaft. Nahezu alle in der Literatur publizierten genetischen Studien an Wildkatzen und anderen hybridisierenden Wildtieren, darunter selbst Artikel in den höchstrangigen internationalen Wissenschafts- Zeitschriften basieren darauf. Senckenberg hat seine genetischen Ergebnisse mit Hunderten von Totfunden abgeglichen, die von führenden Experten untersucht wurden. Dabei hat sich erwartungsgemäß eine hervorragende Übereinstimmung von Genetik und Morphologie gezeigt. Genetische Wildkatzenuntersuchungen von Senckenberg sind in internationalen wissenschaftlichen Studien publiziert (Steyer et al., 2013 European Journal of Wildlife Research; Hartmann et al., 2013 Conservation Genetics) und auf zahlreichen Fachkonferenzen vorgestellt worden. Die uns bekannte Kritik an diesen Verfahren wiederum wird in Fachkreisen nicht nachvollzogen. Dennoch überprüfen wir selbstverständlich unsere Methodik regelmäßig und stellen sie auch gern der Diskussion. So werden die Daten unserer aktuell laufenden Geninventur nach der Erstveröffentlichung selbstverständlich auch anderen Forschern zur Verfügung gestellt.
WuH: Die Wildkatze lebt teilweise sehr siedlungsnah. Angesichts steigender Populationen ist eine zunehmende Wechselbeziehung zwischen Haus- und Wildkatze kaum auszuschließen. Wie sehen Sie dieses Problem für die Zukunft?
Thomas Mölich: Da bei über 1000 genetisch untersuchten Wildkatzenindividuen bislang nur wenige Hybriden gefunden wurden, erwarten wir auch für die Zukunft keinen massiven Anstieg der Hybridisierung in Deutschland. Selbstverständlich werden wir das Thema aber im Auge behalten. Der BUND führt seit Ende 2011 eine bis 2017 angelegte deutschlandweite genetische Erfassung der Wildkatzen durch. Bis dahin werden wir vermutlich mehrere Tausend Proben analysiert haben. Ziel ist u.a. die vertiefte Erkenntnis von Verwandtschaftsverhältnissen verschiedener Teilpopulationen der Wildkatze. Die wirkliche Bedrohung der Wildkatze sehen wir in der Verinselung der Lebensräume. Diese Langzeitstudie wird gefördert vom Bundesamt für Naturschutz, welches unsere Einschätzung der Gefährdungspotentiale teilt.
Übrigens können wir keineswegs sicher sein, dass die Wildkatzenbestände, die sich in einigen Regionen in den letzten Jahrzehnten offensichtlich erholt haben, dies auch in Zukunft weiter tun. Das Gegenteil könnte der Fall sein, denn der Verbrauch von Landschaft und die Intensivierung der Landnutzung schreiten dramatisch voran.
WuH: Der bekannte Zoologe und Artenschützer Prof. Rüdiger Schröpfer stellte auf einer Fachtagung Folgendes zur Diskussion: Der vielleicht beste Schutz vor Introgression für die Wildkatze könne die konsequente Erlegung nicht-wildfarbener Hauskatzen (Stichwort: Verwechslungsgefahr) im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen sein. Wie stehen Sie zum Abschuss?
Thomas Mölich: Zunächst: Der BUND sieht in der augenblicklichen Faktenlagen keinerlei Grundlage für den Abschuss von Hauskatzen zum Wildkatzenschutz. Selbst wenn es aktuell in Deutschland ein ernst zu nehmendes Introgressionsproblem gäbe, ist aus meiner Sicht fraglich, ob es auf diese Weise zu lösen wäre. Die meisten Hauskatzen leben dort, wo nicht gejagt werden darf – im Siedlungsbereich des Menschen. Die vergleichsweise wenigen am Waldrand jagenden Hauskatzen können immer wieder von neuen Hauskatzen ersetzt werden.
WuH: Eine von vielen Verbänden geforderte Kastrationspflicht für Hauskatzen scheint politisch nur schwer umsetzbar zu sein (siehe erst jüngst parlamentarische Anfrage der Freien Wähler in Bayern). Zudem sind damit hohe Kosten verbunden. Welche anderen Maßnahmen können Ihrer Meinung nach dem Schutz der Wildkatze dienlich sein?
Thomas Mölich: Der beste Schutz für die Wildkatze besteht im Erhalt und in der Entwicklung großer naturnaher und vernetzter Wälder mit nachhaltig genutzten Wiesen und heckenreichem Waldvorland. Davon und von der Eindämmung der immer noch grassierenden Zerschneidung der Landschaft profitiert auch eine Vielzahl weiterer Tier- und Pflanzenarten, für die es in Deutschland zu eng geworden ist. Wir sind überzeugt, dass die Biotopvernetzung eine der wichtigsten Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt in den dicht besiedelten Lebensräumen Mitteleuropas ist.

 

 

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