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REHWILDJAGD BEI SCHNEE

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Die kurzen Tage der Wintermonate erschweren die Ansitzjagd. Die Pirsch zur Mittagszeit, zur faulen Stunde, – richtig ausgeführt – ist effizent, störungsarm und zudem spannend. Tobias Thimm

Etwas zu laut knirscht der wenige Tage alte Schnee unter den dicken Winterstiefeln. Leichter Pulverschnee wäre besser. Schritt für Schritt geht es unterhalb eines Steilhangs entlang. Es ist still im märchenhaften Winterwald. Nicht einmal die emsigen Meisen sind zu hören. Durch das lichte Baumholz lässt sich fast 200 Meter hangaufwärts sehen. Bald ist es Mittag, und weiches Sonnenlicht erwärmt das durchforstete Bestandsinnere. Hier zieht das sonnenliebende Rehwild jetzt gerne. Es ist Anfang Januar, Morgen- und Abendansitz sind jetzt nur selten von Erfolg gekrönt. Schneelagen bis etwa 25 Zentimeter sind ideal für die aktive Winterpirsch auf Rehwild. Die Fortbewegung ist dann für den Jäger nicht allzu schweißtreibend. Aus Gründen der Waidgerechtigkeit sollte bei höherem Schnee nicht mehr gepirscht werden, da jede Beunruhigung des Wildes zwangsläufig zu erhöhtem Energiebedarf führt. Dies ist zur nahrungsärmeren Winterzeit nicht vertretbar. Ruhe in den Einständen ist in der kalten Jahreszeit oberstes Gebot.

Die Schneetarnkleidung leistet ganze Arbeit. Die Silhouette des Jägers verschmilzt mit der weißen Umgebung. Waffe und Optik sind mit einer Mullbinde umwickelt. Eine Sturmhaube, die eher an einen Bankräuber als an einen Waidmann erinnert, wärmt angenehm und vervollständigt den Tarneffekt. Moderne Schneetarnmuster wirken bei Bewegungssehern
wie dem Rehwild ausgesprochen gut. Skiunterwäsche schützt den Körper vor Auskühlung und transportiert Schweiß nach außen.

Erste Nebelschwaden ziehen heran und erschweren den Blick in die Ferne.

Plötzlich ein Schatten hinter einem kleinen Fichtenhorst. Jetzt nur keine falsche Bewegung. In Zeitlupe geht´s in die Hocke. Das Herz pocht, und Adrenalin schießt in die Blutbahn.
Durch bewusstes, langsames Ein- und Ausatmen wird die Puls- und Atemfrequenz  abgesenkt. Vosrichtig zieht eine Ricke mit zwei Kitzen oben im Hang. Sie bewegen sich extrem langsam, und die Szenerie erscheint fast unwirklich. Das Augenmerk richtet sich jetzt vornehmlich auf die Geiß, die ständig sichernd den Familienverband führt. Ihre Aufmerksamkeit kann jetzt alles zunichte machen. Sie allein bestimmt den Zielort und warnt als erste. Erspäht ein Kitz den Jäger, so wird dessen kurzfristiger Fluchtreflex vom Rest der Sippe meist nicht ganz ernst genommen. Warten und Ruhe bewahren. Bis auf etwa 50 Meter ziehen die drei heran. Schalen tauchen jetzt hörbar in die Schneedecke
ein. Das schwächere Kitz passt. Der Schuss peitscht durch die Idylle des Winterwaldes und bannt es an den Platz. Noch ein kurzes Schlegeln, dann ist Ruhe.

Etwa zehn Minuten später hallen sanft Klänge des Kitzfieps durch die kalte Luft. Diese sollen die zwei geflüchteten Stücke zurückholen. Oft hat man so die Chance auf weitere
Beute. Die geringe Fluchtdistanz lässt mit dieser Methode das Rehwild häufig in Hörweite verhoffen. Statt der Rehe steht wie aus dem Nichts ein Rotrock zu. Doch eine falsche Bewegung warnt ihn. Blitzartig nimmt er Reißaus. Reineke hat wohl weniger die wärmende Wintersonne, als vielmehr die Ranz auf die Läufe gebracht. Auch wenn sich sein  Aktivitätsrhythmus weit weniger an der Tageslänge orientiert als beim Rehwild. Der Stoffwechsel der Wiederkäuer und somit der Nahrungsbedarf verringern sich zur kalten Jahreszeit. Die Frequenz des Äsungsrhythmus ändert sich hingegen nur geringfügig. Wissenschaftlische Untersuchungen gehen von etwa acht bis zehn Äsungsperioden pro 24 Stunden aus, die jahreszeitlich nur geringen Schwankungen unterliegen. Das Wild kann zur Winterzeit oft nicht mehr direkt im Einstand naschen, der vielerorts zwar für die Rehe noch
wichtige Deckung, aber nur wenig Äsung und wärmende Sonne bietet.

Schnell ist das Kitz versorgt und die Pirsch geht weiter. Die Routen sind nicht willkürlich gewählt, sondern auf die Revierstruktur und die Windverhältnissen vor Ort genau abgestimmt. Sonnenreiche Süd- und Südwesthänge mit lichten Alt- und Baumholzbeständen sind goldrichtig. Inzwischen ist es halb eins. Ein eisiger Westwind treibt erste Nebelschwaden herbei. Die Sicht wird schlechter. Zudem bedeuten Wetterumschwünge auch meist unsteten Wind, der alle weiteren Bemühungen vereitelt. Ein windgeschütztes kleines Tal wird abgeglast. Die vereinzelten Brombeersträucher sind schneebedeckt, aber immer noch grün, eine beliebte Nahrungsquelle für das Rehwild. Der
Nebel nimmt weiter zu. Wie von Geisterhand steht ein einzelnes Reh auf knapp 30 Meter auf der gegenüberliegenden Talseite. Führend? Der Blick durch das Glas räumt letzte
Zweifel aus – ein Schmalreh. Lautlos geht´s in Deckung. Die Büchse liegt sicher auf dem
abgelegten Rucksack, als der Finger den Druck auf den Abzug erhöht. Möglicherweise zu hastig. Das Stück zeichnet erkennbar und geht ab. Kurz darauf ist am Anschuss nur spärlich Schweiß und etwas Schnitthaar zu finden. Die Fluchtfährte ist leicht auszugehen, und nach wenigen Metern liegt das verendete Schmalreh im Schnee. Der Schuss hat hochblatt gefasst. Der Jagdaufwand solcher winterlichen Pirschgänge ist in Relation zum Erfolg sehr gering. Vor allem sind sie in schneereichen Regionen ein bewährtes Mittel, noch gegen Ende der Jagdzeit den Abschuss zu erfüllen, denn aufgrund der fehlenden Belaubung im Unterwuchs ist das Rehwild jetzt gut sichtbar. Die Störung im Revier hält sich in  Grenzen, da Einstände und Ruhezonen nicht beunruhigt werden. Eine Tasse heißer Tee aus der Thermoskanne tut nach den erlebnisreichen Mittagsstunden gut. Die Stücke müssen
noch in die nahegelegene Wildkammer.

Zuhause wartet der warme Kachelofen. Sollten die Wetterbedingungen stimmen, so geht es morgen wieder auf die „Faulpirsch“.

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