Der Konflikt ums Rotwild im sächsischen Erzgebirge treibt seinem Höhepunkt zu: Vier Verwaltungsjagdbezirke des Staatsbetriebs Sachsenforst (SBS) haben für die Jagdjahre 2019/20 bis 2021/22 eine drastische Erhöhung des Rotwildabschusses um bis zu 41,4 % beantragt.
Der Ärger um die Abschusserhöhung beim Rotwild spitzt sich in Sachsen weiter zu.
Foto: Michael Breuer
Die Rotwild-Hegegemeinschaft (RHG) Erzgebirge hat am 22. Juni in ihrer Mitgliederversammlung in Scheibenberg (Erzgebirgskreis) dagegen schwere sachliche und rechtliche Bedenken erhoben. Das teilte RHG-Vorsitzender Karsten Bergner am 27. Juni „WILD UND HUND“ mit. Falls die Obere Forst- und Jagdbehörde den hohen Abschuss dennoch genehmige, habe man einen Weg gefunden, um dagegen zu klagen. „Um juristisch handlungsfähig zu sein, haben wir beschlossen, für die Hegegemeinschaft einen Förderverein zu gründen“, sagte Bergner. Denn Hegegemeinschaften haben in Sachsen kein Klagerecht.
Auch der Landesjagdverband Sachsen (LJVSN) macht gegen die Abschusserhöhung mobil. LJV-Vizepräsident Wilhelm Bernstein sieht in den Plänen der Sachsenforst-Betriebe einen schweren Verstoß gegen die gesetzliche Hegepflicht und das Tierschutzgesetz. Auf der LJV-Internetseite ruft Bernstein die sächsische Jägerschaft zum öffentlichen Widerstand auf – bis hin zu einer Demonstration vor dem sächsischen Landtag.
Der Hintergrund des Protests: Auf einen Frühjahrsbestand von nur noch 1,6 Stück Rotwild pro 100 ha soll laut einer „Prognose“ des Staatsbetriebs Sachsenforst (SBS), die vom 24. Mai datiert, bis zum Frühjahr 2022 der Bestand in den Forstbezirken Adorf, Eibenstock und Neudorf gesenkt werden. Damit würde die dortige Rotwilddichte von 2016 bis 2022 exakt halbiert.
Dafür soll im dreijährigen Planungszeitraum das Abschuss-Soll im Forstbezirk Eibenstock von zuletzt 350 auf 495 Stück (plus 41,4 %) sowie im Bezirk Neudorf von 1.290 auf 1.600 Stück (plus 24,0 %) und in Adorf von 620 auf 700 Stück (plus 12,9 %) erhöht werden. Im vierten Forstbezirk Marienberg soll der Rotwild-Abschuss „nur“ um 7,7 % steigen, nämlich von 1.300 auf 1.400 Stück. Dies bedeutet dort jedoch einen Abschuss von 3,9 Stück je 100 ha. „Im Erzgebirgskreis werden durchschnittlich 0,72 Stück Rotwild je 100 ha erlegt“, merkte Bergner dazu an.
Als „wissenschaftlich nicht haltbar“ kritisierte LJV-Vize Bernstein, wie Sachsenforst den Rotwildbestand ab 2016 anhand der Strecke und eines „vereinfachten Kohortenmodells“ zurückrechne und die dabei gewonnenen Zahlen der Abschussplanung zugrunde lege. Bernstein: „Sachsenforst wusste, dass das Rückrechnungsmodell falsch ist.“ RHG-Vorsitzender Bergner habe auf die gravierenden Fehler schon bei der Präsentation der Abschussplanvorschläge hingewiesen. Bergner habe just zu diesem Thema sein forstliches Diplom erworben. Auch der Forstzoologe Dr. Norman Stier (TU Dresden) habe, so Bernstein, gegen das SBS-Modell wegen seiner viel zu kurzen Laufzeit, starken Reduktionsabschüssen und mangelnder Kenntnis der Bestandsstruktur Bedenken erhoben.
Der LJV-Vize wies zudem darauf hin, dass in Sachsen die Rotwildstrecke zum Jagdjahr 2017/18 von 4.251 (in 2016/17) auf 3.771 Stück gesunken sei. Auch die vier staatlichen Forstbezirke konnten SBS-Unterlagen zufolge zusammen 2017/18 und 2018/19 den Abschuss nicht erfüllen, obwohl laut Presseberichten teilweise gesetzeswidrige Lappjagden durchgeführt und bei einer Drückjagd im August 2018 Feuerwerkskörper eingesetzt wurden.
Das sächsische Umweltministerium begründet die starke Schalenwildreduzierung in einem Erlass vom 1. Oktober 2013 „zur Vorbildlichkeit von Jagdausübung und Hege in den Verwaltungsjagdbezirken“ mit der Notwendigkeit, beim Waldumbau in der Regel „ohne Schutzmaßnahmen gegen Verbiss- und Schälschäden auszukommen“. roe