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Schnallen zur Hetze

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Wird das kranke Stück vor dem Nachsuchengespann aus dem Wundbett hoch, muss der Hund zur Hetze geschnallt werden. Dabei tun sich jedoch viele Unwägbarkeiten auf. Wann der Hund geschnallt wird und wann er besser am langen Riemen bleibt, schildern Stefan Mayer und Hubert Kapp.

Nachsuche ist zunächst einmal Riemenarbeit, und jeder Meter Hatz, der vermieden  werden kann, erspart dem Hund eine ganze Reihe von Gefahren. Diese alte Regel hat nach wie vor unumstrittene Gültigkeit. Doch häufig kommt das Gespann an einen Punkt,
an dem der Hundeführer entscheiden muss, ob nur noch eine Hatz die Riemenarbeit
beenden kann. Doch wann muss der Hund tatsächlich geschnallt werden und welche Gefahren gilt es auszuschließen? Bewusst wird der Hund nur dann geschnallt, wenn das kranke Stück vor dem Gespann hoch wird oder wenn der Vierläufer verlässlich ein warmes
Wundbett verweist. Krankes Wild, das aus dem Wundbett abspringt, ist meist gut zu erkennen. Dessen erste Fluchten sind häufig etwas unkoordiniert, weil die Beweglichkeit
des Stückes beeinträchtigt ist. Das wird an seinem Bewegungsablauf, aber auch an den Fluchtgeräuschen wie beispielsweise brechende Äste deutlich. Oft sind schlenkernde Gliedmaßen, die Ausschussverletzung oder heraushängendes Gescheide zu erkennen.
Kann dies der Hundeführer nicht selbst beobachten, gelingt das häufig den Begleitern des Gespanns. Denn in aller Regel folgen sie in etwas offenerem Gelände und haben bessere Sicht. Auch den eventuell abgestellten Vorstehschützen kann das verletzte Wild kommen, ohne dass sich eine Möglichkeit zum Schuss bietet. In beiden Fällen müssen Begleiter oder Vorstehschützen den Hundeführer umgehend informieren, damit dieser den Vierläufer
so schnell wie möglich schnallen kann.

In manchen Situationen wird das flüchtende Stück weder gesehen noch gehört, weil es zum Beispiel Wind vom Gespann bekommen und schon das Wundbett verlassen hat. In solchen Fällen ist ein verweisender und fährtentreuer Hund außerordentlich wichtig.
Er wird das Wundbett anzeigen. Legt der Hundeführer eine Hand in das Wundbett, kann er an dessen Wärme erkennen, ob das Lager kürzlich noch genutzt war. Frische Pirschzeichen
sind ein weiteres Indiz: Das Stück hat also bis vor Kurzem dort gelegen. Auch jetzt kann beziehungsweise muss der Hund geschnallt werden. Sehr erfahrene Schweißhunde zeigen ihrem Führer diese Situationen eindeutig durch verschiedene Verhaltensweisen an. Wer seinen Vierläufer zweifelsfrei „lesen“ kann, erkennt dessen Signale und schnallt ihn im vollen Vertrauen darauf. In der Praxis muss dies aber die absolute Ausnahme sein. Denn eine Fehlhatz zehrt enorm an den Kräften des Hundes und die Erfolgsaussichten eines zweiten Hatzversuchs sinken.
Oft genug kommt es aber zu Situationen, in denen der Vierläufer nicht ohne Weiteres geschnallt werden darf. So zum Beispiel, wenn es nicht zweifelsfrei sicher ist, ob es sich bei dem abspringenden Stück tatsächlich um das kranke handelt. Um dies zu klären, sollte der Führer zunächst versuchen, mit seinem Hund das Wund- oder Tropfbett des Stückes zu finden, bevor er seinen Vierläufer zur Hetze schnallt. Alternativ kann er der Fluchtfährte noch eine gewisse Strecke am langen Riemen folgen, um intensiver nach Pirschzeichen zu suchen. Sobald sich der Verdacht bestätigt, kann theoretisch der Hund geschnallt werden. Wie weit eine Hatz geht, kann der Hundeführer selten abschätzen. Stets sollte er versuchen, es nur zu einer kurzen Hetze mit raschem Stellen und Binden des Wildes kommen zu lassen.

Pirschzeichen sind oft einziger Beleg dafür, dass das abspringende Stück auch das gesuchte ist.

Die größte Gefahr und die häufigste Todesursache eines Hundes auf der Hatz stellt der Straßenverkehr dar. Führt eine Straße oder eine Bahnlinie weniger als 1 000 Meter am letzten Wundbett vorbei, ist höchste Vorsicht geboten. Auffällige Schutzwesten erleichtern es den Autofahrern, den Hund frühzeitig zu erkennen.
Bevor der Hund geschnallt wird, sollten – wenn verfügbar – zunächst zwei Begleiter an die nahegelegene Straße eilen, um die Verkehrsteilnehmermer zu langsamem und aufmerksamem Fahren anzuhalten. Andernfalls wird nicht nur das Leben des Hundes gefährdet, sondern auch fahrlässig in den Straßenverkehr eingegriffen. In solchen Fällen muss entweder mit Vorstehschützen gearbeitet werden oder der Vierläufer bleibt über die Gefahrenzone hinaus weiter am Riemen und wird erst später geschnallt.

Auf alle Fälle ist ein sehr umsichtiges Schnallen in zersiedelten Landschaften erforderlich. Fahrzeugführer können erschrecken und reflexartige Ausweichmanöver bei einem plötzlich auftauchenden Hund oder Stück Wild zu Kollisionen mit Hindernissen oder dem Gegenverkehr führen. Von den möglichen haftungsrechtlichen Folgen ganz zu schweigen.
Gefährdet hingegen bereits das weiter flüchtende Wild den Verkehr im nahen Umfeld, bleibt keine andere Wahl: Die Nachsuche muss abgebrochen werden. Ein weiterer Faktor, der bei der Entscheidung, den Hund zu schnallen, überdacht werden sollte, ist die Tageszeit. Ein Schnallen in die Dämmerung hinein ist ein risikobehaftetes Unterfangen. Beginnt die Hatz spät und dauert sie länger als erwartet, ist es rasch finster. Zum einen wird dann der Hund stark benachteiligt, wenn er wehrhaftes Wild stellen muss. Schließlich fehlt ihm die Sicht, um eventuellen Angriffen geschickt ausweichen zu können. Zum anderen können ihn während der Hetze im Dunkeln Äste oder Geländehindernisse wie Abbruchkanten bedrohen, die er zu spät oder gar nicht eräugt. Zusätzlich ist für den Führer das Auffinden eines Bails in der Dunkelheitmühsam und ebenfalls nicht gefahrenfrei. Zuletzt ist es unmöglich, einen Fangschuss in der Dunkelheit anzubringen.

Ebenso unberechenbar ist das Schnallen in dichter Vegetation. Mais- oder Rapsschläge sowie Brombeer- oder Schwarzdornhecken veranlassen Hundeführer häufig dazu, ihre Vierläufer ohne Bestätigung durch Pirschzeichen zu schnallen. Mit der Begründung, der Riemen behindere den Hund nur bei der Arbeit, wird er ins Ungewisse entlassen. Tatsächlich ist es aber nur die Bequemlichkeit, um nicht zu sagen die Faulheit des Nachsuchenführers. Von allen möglichen Entscheidungen hat er damit die absolut schlechteste getroffen. Von diesem Moment an kann er seinem Vierläufer weder helfen noch ihn bei gefundenen Pirschzeichen bestätigen, geschweige denn an einer sich stellenden Sau unterstützen. Besser ist es, dem Hund auf allen Vieren zu folgen oder
den unwegsamen Bereich zu umschlagen und mit dem Vierläufer am Riemen vorzusuchen. Ist das kranke Stück wieder ausgewechselt, zeigt das der fährtentreue Vierläufer an, die
Suche kann weitergehen. Verweist der Hund keinen Auswechsel, steckt das verwundete Wild noch in der Dickung. Mit Vorstehschützen kann es unter Umständen schneller erlöst
werden als mit einer gefährlichen Hetze.

Witterungseinflüsse sollten auch eine Rolle bei der Entscheidung spielen, ob der Hund geschnallt wird. Vor allem hohe Temperaturen können den hetzenden Vierläufer derart belasten, dass er während oder nach der Hatz kollabiert.
Der Hundekörper verfügt nur über einen relativ schlechten Wärmeaustausch. Daher kommt es – gerade bei großer Anstrengung – immer wieder zum Überhitzen. Als Sofortmaßnahme ist eine Kühlung und Wasserzufuhr erforderlich. Bei großer Hitze ist allerdings abzuwägen, ob eine Hatz nicht in jedem Fall ein zu großes Gesundheitsrisiko für den Hund darstellt.

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