AUS DEM WILD UND HUND-TESTREVIER
Am 25. Juli gehen die mehrjährigen Böcke im Testrevier auf. Wenn die Rehbrunft auf
ihrem Höhepunkt ist, läuft die Jagd nicht immer nach Plan.
Fabian Alexi
Abgehetzt und nass geschwitzt komme ich an der Leiter vom „Dreispitz“ an und klettere langsam auf die nagelneue, offene Kanzel. Oben angekommen, nehme ich direkt die Waffe hoch, drehe die Vergrößerung auf 12-fach und visiere den suchenden Bock auf dem gegrubberten Feld an. Währenddessen nimmt meine Freundin, die mich heute begleitet, lautlos neben mir auf der Sitzbank Platz. In flottem Troll zieht der liebestolle Bock über das Feld. Ein etwa dreijähriger Hintersprossengabler, nur schwach vereckt. Er steht in unmittelbarer Straßennähe. Mein Entschluss steht fest. Die Sicherung gleitet geräuschlos auf „feuerbereit“, und der Finger wandert an den Abzug.
Den Blatter zwischen den Lippen, will ich gerade die erste Arie ertönen lassen, als laut und schrill Bremsen quietschen. Das Geräusch von spritzendem Schotter und ein kurzer Aufschrei reißen mich aus meiner Konzentration und den Bock aus seiner romantischen Suche. Er verhofft und sichert. Auf dem nahen Schotterweg hat einer von vier Mountainbikern einen Abgang mit Formnote eins hingelegt. Der Hintersprossengabler springt ab. Ich ärgere mich, aber, da dem Radfahrer weiter nichts passiert ist, bin ich über dessen grandiosen Sturz amüsiert. In der Hoffnung, den Abschusskandidaten wieder aus dem Wald locken zu können, warte ich zunächst 20 Minuten und beginne anschließend, erst leise und dann immer aggressiver, zu blatten. Es passiert nichts.
Also wechsle ich zur „Langen Linie“. Dort hat Kollege Tobias Thimm mehrere Abschussböcke bestätigt. Doch bei der Abfahrt von der Bundesstraße zum Dorf die Überraschung: Mitten auf dem freien Feld links von der Straße treibt ein Bock! Der Blick durchs Glas verrät einen übermütigen Knopfbock. Schnell den Wagen an der Bushaltestelle geparkt und mit der Waffe zurückgepirscht. Das Pärchen ist verschwunden. Ich warte noch gut zehn Minuten, doch die beiden tauchen nicht mehr auf.
Zurück am Wagen, setzen wir unsere Fahrt zur „Langen Linie“ fort. Noch ist es für einen Ortswechsel nicht zu spät am Abend. Wir halten an der Straße zwischen „Grenzholz“ und der „Langen Linie“. Ich muss mich nach der Aufregung kurz sammeln und nehme einen Schluck aus der Wasserflasche. Während ich den Schraubverschluss zudrehe, flüstert mir meine Freundin zu: „Da oben steht ein Bock und sichert zu uns herunter.“ Vorsichtig hebe ich das Glas und erkenne gegen den Horizont einen starken Sechser, der mittlerweile begonnen hat, einen Büschel Altgras zu zerschlagen. Ich greife schnell den Repetierer und mein Vierbein vom Rücksitz, lade und stelle mich einige Meter in den hüfthohen Randmais. Meine Freundin bleibt in den höheren Reihen hinter mir.
Der Bock ist ein paar Minuten damit beschäftigt, sein Revier zu markieren, zieht dann den Weg vom „Grenzholz“ in Richtung Niedertiefenbach. Zwei zarte Fiep-Laute lassen ihn verhoffen, ein verhaltenes „Piah“ ihn sich wenden. Mit lang gerecktem Träger steht er vorm Horizont und versucht, eine Bewegung des weiblichen Stückes zu erhaschen. Nach einigen Minuten zieht er langsam in unsere Richtung. Den steilen Hang vorm „Grenzholz“ nimmt er nur schräg. Dabei schont er den linken Vorderlauf.
Ein paar Töne aus dem Rottumtaler bringen ihn auf die Stoppeln vor mir. Damit steht er in Schussdistanz, und ich habe Kugelfang. Immer in leichter Bewegung zieht er in Richtung des rechten Feldrands, an den ein Maisschlag angrenzt. Bevor er dort verschwindet, will ich ihm unbedingt die Kugel antragen. Ich richte das Absehen auf das Blatt, fahre mit, und im Schuss sackt er zusammen, um auf den Vorderläufen noch zwei Schritte zu machen und dann schlegelnd zu verenden. Die .308 Win. halbspitz von vorn hat ganze Arbeit geleistet.
Am Stück stellt sich heraus, dass der Bock wohl einen Autounfall ausgeheilt hat, denn das Gelenk an den Schalen des linken Vorderlaufs ist steif, die Decke darüber vernarbt und haarlos. Als erstes Stück im Testrevier ein starker Bock als Hegeabschuss nach so einem spannungsgeladenen Abend – Jägerherz, was willst du mehr?