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Mit dem Hund in der City – Bewährungsprobe Innenstadt

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Ein gehorsamer Jagdhund in der Fußgängerzone – leider ein seltener Anblick. Wie das gelingt, schildert Revierjagdmeister Sascha Schmitt.

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Karl ist angespannt. Er fühlt sich unwohl. Möglichst schnell muss er hier wieder raus. Raus aus der Einkaufspassage. Raus aus der Innenstadt. Schweiß rinnt ihm über den Rücken. Das Hemd klebt schon in den Achseln. Nichts wie raus aus der Stadt. Er hatte keine andere Wahl und musste „Nitro“ heute mitnehmen.
Auch das noch: In Gestalt einer nett aussehenden Dame nähert sich ihm das Unheil. Doch nicht etwa die hübsche Frau, sondern ihr leicht asthmatisch schnaubender Mops an der rosa Leine ist das Problem. Denn gleich hat auch Karls Hund „Nitro“ den Mops entdeckt. Karl weiß, was dann kommt: Mit einem Wutgeheul wird sich „Nitro“ seinem potenziellen Opfer entgegenwerfen und sich wie ein Berserker gebärden. Die nette Dame wird ihr Lächeln augenblicklich einstellen und der Mops wird sich derart erschrecken, dass ihn wahrscheinlich nur noch mehrere Besuche beim Therapeuten sein „Nitro-Trauma“ vergessen lassen. Die Dame wird Karl beschimpfen, die anderen Passanten werden einen großen Bogen um den sich pausenlos entschldigenden Karl und den tobenden „Nitro“ schlagen. Doch so weit kommt es nicht. Zum Glück. Am Auto angekommen, schwört sich Karl, dass er seinen Hund nie wieder mit in die Stadt nimmt. In Zukunft bleibt er im Zwinger.
Er kann nicht verstehen, warum sein jagdlich geprüfter Vierläufer im Revier und zu Hause geradezu durch absoluten Gehorsam, souveränes Wesen und Friedfertigkeit besticht, aber in der Stadt eine komplette Wesensveränderung vollzieht und nicht mehr zu kontrollieren ist. In ungewohnter Umgebung zeigen Hunde häufig Verhaltensweisen und Eigenheiten, die ihr Führer im jagdlichen Alltag überhaupt nicht von ihnen gewohnt ist. Diese sogenannte Milieuscheue ist bei jagdlich geführten Hunden relativ oft zu beobachten.

 


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Fahrzeuge und der mit ihnen verbundene Lärm können dem unvorbereiteten Hund Stress bereiten. Ist der Vierläufer dies vom Welpenalter an gewohnt, zeigt er sich auch in solchen Situationen sicher und gehorsam.
Die Eindrücke in der ungewohnten Stadtumgebung schüchtern die Vierläufer ein oder verängstigen sie. Hektik, Lärm, die vielen Menschen, fremde Gerüche und andere Vierläufer – all das bildet für den damit nicht vertrauten Hund eine Reizkulisse, die ihn stark in seinem Wohlbefinden und in seiner Wesensentfaltung beeinträchtigt.
Selbst Hunde, die im Jagdalltag mit allen vier Läufen fest im Leben stehen und sich durch nichts unterkriegen lassen, schleichen im Trubel der Stadt mit eingeklemmter Rute neben ihrem Führer her.

 


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Bereits kleine „Alltagshürden“ wie Treppen können manche Hunde schon nicht meistern.
Oftmals versagen die einfachsten Kommandos, der Vierläufer verweigert den Gehorsam. Im Nu übertragen sich die Konflikte, die der Hund mit sich und seiner Umwelt hat, auf seinen Führer. Dieser verliert die Kontrolle über sein Tier, wird dadurch im Verkehr abgelenkt, und unangenehme Konsequenzen folgen.
Immer wieder sieht man auch Vierläufer, für die bereits das Überwinden einer Treppe ein geradezu unlösbares Problem darstellt. Er kennt das Treppensteigen nicht, sperrt sich, verweigert die Folge und stellt jegliche Handlung ein.
Ähnlich verhält es sich beim Überqueren schmaler Fußgängerbrücken oder dem Durchgehen einer Unterführung. Mancher Vierläufer kommt schon schnell an seine Grenzen, wenn er über einen glatt gefliesten Boden laufen soll.
Mit Sicherheit verfügt ein Hund, der sich derart stark gehemmt zeigt, über kein besonders gefestigtes Wesen. In erster Linie ist dieser Mangel jedoch beim Hundeführer zu suchen. Er hat versäumt, seinen Vierläufer von Welpenbeinen an auch für das Leben im besiedelten Bereich fit zu machen.

 


Wird ein ausgereifter Hund erst einmal durch die fremdartigen Umwelteindrücke derart stark beansprucht, kann er in solchen Situationensehr schnell überreagieren. Kommt dann – stressbedingt – übertrieben starker Leinenzug hinzu, kann der Hund panisch reagieren und um sich schnappen.
Nicht nur für Hund und Führer sind solche Szenen äußerst belastend und peinlich, auch unbeteiligten Passanten bietet dies keinen schönen Anblick. Missverständnisse sind quasi programmiert.
Während der eine Hund seine Unsicherheit durch Angst und Meideverhalten ausdrückt, kann sie beim anderen schnell in offene Aggression umschlagen. Der Vierläufer versucht, seine Umgebung davon zu überzeugen, dass es besser ist, sich nicht mit ihm anzulegen. Körperlich und psychisch baut er sich auf und versucht jedem vermeintlichen Angriff mit einer eigenen Attacke zuvorzukommen.
Typisch für solche Hunde ist, dass sie sich anfangs kurzzeitig eingeschüchtert zeigen und dann blitzschnell in Dominanzverhalten wechseln. Auch der allerbravste Hund, der im gewohnten Umfeld absolut sozial gegenüber Artgenossen ist, legt plötzlich ein äußerst aggressives Verhalten an den Tag.

 


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„Wild“ in der Stadt – bei solchen Begegnungen muss vor allem der Führer ruhig auf den Jagdhund einwirken.
Dadurch gerät nun auch der Hundeführer unter Druck. Jeder noch so kurze Gang an belebten Orten wird für ihn zum Spießrutenlauf. Ob beim Einkaufsbummel oder im Café – sein Fokus ist stets auf seinen Hund gerichtet. Je mehr er versucht, jeglicher Konfliktsituation aus dem Weg zu gehen, desto mehr gerät er selbst unter Stress. Dem aufmerksamen Vierläufer entgeht die Unruhe und Anspannung seines Herrn keineswegs. Im Gegenteil. Die Verunsicherung überträgt sich auf den Hund. Wie eine Spirale schraubt sich das Spannungsfeld zunehmend hoch.
Um in der bereits brisanten Grundstimmung das berühmte Fass nicht zum Überlaufen zu bringen, vermeiden viele Hundeführer in diesen Situationen, den nötigen Gehorsam von ihren Hunden einzufordern. Statt sich dem Hund souverän zu präsentieren, verhält sich Herrchen, mehr unbewusst als bewusst, vollkommen kontraproduktiv.
Um den armen Hund nicht unnötig zu „belasten“, darf er an der Leine ziehen, braucht sich nicht mehr auf Befehl zu setzen oder kann aufstehen, wie es ihm gerade gefällt. In der Regel dauert es dann nicht mehr lange, bis der kluge Hund erkennt, dass er in der Stadt nicht gehorchen muss.
Gerade unsicheren, ängstlichen Vierläufern ist der Gehorsam aber eine wichtige Stütze, um ungewohnte, für sie bedrohlich wirkende Situationen, meistern zu können. Kleine, alltägliche Gehorsamsübungen wie das „Bei-Fuß-Gehen“ bieten dem Hund Sicherheit und auch einen gewissen Rückhalt.

 


Das beste Mittel, um einen zuverlässigen und in jeder Situation selbstsicheren Vierläufer zu erziehen, ist die Frühprägung. Alles, was der Hund bereits im Welpenalter kennenlernt, kann ihn als Althund nicht mehr verunsichern. Selbstverständlich sollte in  der Prägungsphase das Hauptaugenmerk im Fördern und Wecken der jagdlichen Anlagen liegen. Allerdings darf dabei nicht die Alltagstauglichkeit außer Acht gelassen werden. In diesem Lebensabschnitt ist es ebenso wichtig, dass der Welpe seinen Herrn auch möglichst oft in die Stadt und zu belebten Orten begleitet.
Bei diesen ersten, noch kurzen gemeinsamen Entdeckungstouren können Sie den Vierläufer noch auf dem Arm tragen. Durch diese körperliche Nähe geben Sie ihm ein Maximum an Geborgenheit und Sicherheit. Zusätzlich hat er aus dieser luftigen Perspektive einen guten Überblick über die Situation und das Geschehen um ihn herum. Bewusst sollten dabei auch Orte mit hohem Besucheraufkommen aufgesucht werden. Nur so kann sich der kleine „Grimm“ an das Gedränge und die Geräuschkulisse gewöhnen.
Zu solchen Aufgaben gehören auch Fahrten mit dem Linienbus oder der Straßenbahn. Es versteht sich von selbst, dass diese Entdeckertouren nicht ins Unendliche ausgedehnt werden sollten, um dem Ruhebedürfnis des kleinen Rackers Rechnung zu tragen.

 


Um solche
Um solche Aktionen im Vorhinein zu vermeiden, sollten Hunde im besiedelten Bereich nur angeleint geführt werden.
Natürlich erregen junge Hunde das Entzücken anderer Passanten. Auch wenn Sie selbst schon leicht genervt sind, sollten Sie die Bitte: „Darf ich den mal streicheln!“ möglichst nicht ausschlagen. Für den jungen Zögling ist es eine gute Erfahrung, dass er nicht nur vom eigenen Führer Zuneigung und Streicheleinheiten erfährt. Darüber hinaus fördert das ein freundliches, selbstsicheres Wesen des Hundes. Er erkennt schnell, dass ihm fremde Menschen ebenfalls wohlgesonnen sind.
Jetzt ist es wichtig, dass der Führer seinem Hund als gutes Beispiel vorangeht. Durch souveränes Verhalten zeigt der Herr dem Hund, dass ihm keine Gefahr droht. Suchen Sie bewusst Bereiche mit hohem Konfliktpotenzial auf, und meistern Sie diese Herausforderungen gemeinsam. Selbst wenn sich der kleine Vierläufer einmal erschrecken sollte, wäre es grundverkehrt, ihn sofort wieder auf den Arm zu nehmen und durch Streicheleinheiten zu beruhigen. Die für den Vierläufer beängstigende Situation würde dadurch viel zu stark aufgewertet. Reagieren Sie besser völlig gleichgültig auf Lärm, und ignorieren Sie die Angst und Unsicherheit Ihres Hundes.
Positives Verhalten hingegen muss selbstverständlich durch Lob verstärkt werden. Ist der junge Jagdhelfer diesem Alter entwachsen, beginnt die strukturierte Gehorsamsausbildung. Nun müssen alle möglichen Situationen gemieden erden, die das gerade erst gedeihende Pflänzchen „Gehorsam“ gefährden könnten. Erst wenn die einzelnen Lektionen in der vertrauten Umgebung zu Hause und im Revier reibungslos sitzen, werden diese Übungen auch in der Stadt erprobt.
Vom Welpenalter auch mit der City vertraut, beschränken sich die gewiss eintretenden Probleme auf die Vielzahl der Verleitungen. Mit viel Geduld und stetig korrigierenden Übungen in heimatlichen Gefilden wird aus dem Heranwachsenden ein angenehmer Begleiter in allen Lebenslagen.

 


Wesentlich komplizierter und aufwendiger ist es jedoch, einen bereits erwachsenen Vierläufer fit für den Trubel einer Innenstadt zu machen. Vor dem ersten Stadtgang müssen insbesondere die Übungseinheiten der Leinenführigkeit  und des allgemeinen Gehorsams wieder aufpoliert werden. Suchen Sie sich beim ersten Ausflug in die City zunächst eine etwas ruhigere Gegend aus. So vermeiden Sie, dass der unerfahrene Vierläufer schon zu Beginn überfordert wird.
Gewöhnen Sie den angeleinten Hund Schritt für Schritt an die neuen Eindrücke. Natürlich müssen Sie in kritischen Situationen augenblicklich einwirken können. Wie der junge Vierläufer wird auch der erwachsene Hund für gelassenes Verhalten ausgiebig gelobt. Momente der Furcht und Anspannung werden gemeinsam durch konzentriertes Vorgehen und Unterstützung durch den Führer gemeistert

 


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Erfährt der Hund schon früh Streicheleinheiten von fremden Personen, legt er schnell die Scheu vor Unbekannten ab und lernt, dass ihm diese auch wohlgesonnen sind.
Vielleicht fragt sich der eine oder andere Leser, warum man einen Jagdhund an die Bedingungen in der Stadt gewöhnen soll. Braucht man überhaupt einen Hund, der sowohl im Revier als auch unter Menschen absolut parkettsicher ist? Bedenkt man aber, wie viele Stunden seines Lebens ein normaler Jagdgebrauchshund effektiv im Revier verbringt, dürfte bei den meisten Vierläufern nur ein relativgeringer Prozentsatz tatsächlicher Jagd einsätze am Ende der Rechnung stehen. Auch wenn unsere Vierläufer als Spezialisten für den jagdlichen Einsatz gezüchtet wurden, wäre es falsch, sie nur auf diesen geringen Bereich ihres Lebens zu reduzieren.
Als domestiziertes Tier ist der Hund auf ständigen Kontakt zu seinem Menschen angewiesen. Nur wenn ihm die Möglichkeit dazu geboten wird, kann der Hund mit seinem Herrn zu einer Einheit, einem Gespann heranwachsen.
Text und Bilder von Sascha Schmitt.

 

 

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