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Nachwuchsfragen im Jagdhundwesen:Bald nur noch „olle Hundeköppe“?

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Auffällig wenig junge Leute sieht man vor allem auf den großen
Hundeprüfungen. Das gilt für Richter wie für Führer. Anlass genug, einmal nach Gründen für dieses Manko zu forschen.

 

Kein Richter bricht sich einen Zacken aus der Krone, wenn er Verständnis für kleine Unzulänglichkeiten zeigt, statt Überheblichkeit zu demonstrieren

von Margitta Albertsen

Seit elf Jahren nehme ich als Führerin, Richterin oder Schlachtenbummlerin an zahlreichen Internationalen Kurzhaar-Prüfungen (IKPs) und Kleemannprüfungen teil. Auffällig war für mich, dass junge Führer und Verbandsrichter die Ausnahme sind. Da stellt man sich zwangsläufig die Frage: Woran liegt das?

Ist beim Nachwuchs selbst nicht genügend Interesse vorhanden oder werden junge Leute von „ollen Hundeköppen abgewürgt“ und bekommen keine faire Chance?
In vielen Gesprächen mit hundeführenden Jägern in der heimischen Kreisjägerschaft (Schleswig Holstein) und auch im eigenen DK-Klub fielen mir im Laufe der Zeit einige Dinge zu diesem Thema auf.

Liegt es nur an den Umständen?

Sicher ist, dass es nicht an fehlenden Chancen der jungen Führer liegt, auch nicht an ihrem mangelnden Interesse. Vielmehr sind der Druck im Berufsleben und die Zeitansprüche der jungen Familien entscheidend. Bedenkt man, welchen enormen Aufwand die gewissenhafte Ausbildung eines Hundes bis hin zur VGP beansprucht, dann versteht man auch, weshalb die meisten Führer sich nicht (auch noch) zu den überregionalen Prüfungen melden – auch wenn das Können von Hund und Führer, hierfür allemal ausreicht.

Lange Wege in die geeigneten Übungsreviere – so mancher kann sie nicht mit dem Beruf vereinbaren und es sich auch finanziell nicht erlauben. Viele sind heilfroh, wenn sie VJP oder Derby, Brauchbarkeitsprüfung, HZP oder Solms und bestenfalls noch die VGP hinter sich gebracht haben. Dann ist aber erst mal Schluss; denn die Familie hat bereits „reklamiert“ und freut sich, wenn Vater (oder Mutter), Ehemann (oder Ehefrau) endlich wieder etwas mehr Zeit für sie hat.

Dies kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich erinnere mich noch gut an den Ausruf meiner damals noch kleinen Tochter, als ich mit einer Hündin nach Derby, Solms und IKP nur mit einem II. Preis von der VGP nach Hause kam, womit mir ja die Chance zur Teilnahme an der Dr. Kleemann-Ausleseprüfung verbaut war. Sie sagte: „Gott sei Dank, nun kann Mutti nicht zur Kleemann“.

Dazu kommt, dass der Erfolgsdruck sehr hoch ist, wenn man sich den „ganz großen“ Prüfungen stellt. Man sieht sich meist sehr erfahrenen, bekannten Meisterführern gegenüber und hat es nicht leicht, gegen diese Profis zu bestehen.

Und dabei hat man viel Zeit, Mühe und Geld in die Ausbildung investiert. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Prüfung, weit weg von zu Hause, fast soviel kostet wie ein kleiner Urlaub.

Trifft man bei den Richtern auf Offenheit, Verständnis und ein Stückchen Freundlichkeit, fällt alles leichter. Gerät man aber an hartgesottene, überhebliche Richter, für die nur die sture Einhaltung der „Paragraphen“ zählt, dann tut man sich halt manchmal schwer.

Ein Richter (das hat nichts mit dessen Alter zu tun), kann einem jungen Führer schon viel Mut nehmen – oder machen.
Ein wenig Verständnis wird häufig vermisst. Ich habe beobachtet und immer wieder festgestellt, dass durch die Bank nur in Ehren ergraute Richter eingesetzt werden. Ja und dort, so glaube ich, liegt ein Problem.

Oft genug kann man beobachten, dass das Alter so einer dreiköpfigen Richtergruppe nahe bei oder über 200 Jahren liegt. Da fehlt es dann zwar nicht an Erfahrung, aber an Beweglichkeit.

Ich bin nicht sicher, ob sich jeder alte Rüdemann, der selbst seinen letzten Hund auf der VGP führte, als sein Prüfling gerade geboren wurde, in die Sorgen und Nöte des Unerfahrenen hineinversetzen kann – und will. Auch ist jagdnahes Richten gefragt; denn besonders die in der Öffentlichkeit umstrittenen internationalen Prüfungen dürfen nicht zum Prüfungszirkus werden.

Wie sehr hilft besonders einem unerfahrenen Führer ein aufmunterndes Wort des Obmanns und seiner Mitrichter. Selbst nach einer Fehlleistung wirken ein paar „tröstende Worte“ Wunder und geben dem Führer das Gefühl, mehr als nur eine Nummer zu sein. Übrigens, nicht nur Erstlingsführer sind nervös. Auch viele alte Suchenhasen fragen sich vor jeder Prüfung, warum sie sich den ganzen Stress eigentlich antun?

Schade eigentlich, aber es mangelt bei einigen Richtergruppen an der Bereitschaft für ein persönliches Gespräch mit den Führern.
Am Prüfungstag ist mancher Führer blockiert, hat fast alles vergessen, was er vorher gelernt und sich vorgenommen hat. So eine Gruppe teilt sich oft in eine Zwei-Klassengesellschaft: hier die Richtergruppe mit strenger Miene, dort die zitternden Führer. Das kann es nicht sein; denn ein solcher Tag kann so viel Spaß machen – ohne dass irgend welche Noten einfach „verschenkt“ werden.

Oft habe ich mich gefragt, warum keine jungen Richter eingeladen werden und ob dieses wohl hauptsächlich an den ausrichtenden Klubs liegt. Zweifellos verdiente und erfahrene, aber ergraute Vorstandsmitglieder trifft man in den Richtergruppen.

Warum so wenig junge Obleute?

Wie soll der Nachwuchs Erfahrungen sammeln, wenn er nicht eingesetzt wird? Und irgendwann verliert er die Lust. Was spricht dagegen, auch beispielsweise auf einer Kleemann oder IKP einmal junge Richter zum Obmann zu ernennen?

Nur in der rauen Prüfungspraxis können sie sich bewähren. Es ist doch kein Problem, ihnen routinierte, ältere Richter zur Seite zu stellen. Auf vielen Gebieten ist „Learning by doing“ ein bewährtes Mittel – warum nicht auch hier?

Sicher sollte man einmal auf einer der „großen“ Prüfungen wie Hegewald oder eine Kleemann geführt haben, bevor man diese selbst richtet. Nur dann vermag man die gestellten Anforderungen richtig einzuschätzen, den enormen Druck, der auf den Prüflingen lastet, richtig einzuordnen.

Und noch etwas – vielleicht sollte man auf die alte Zeiteinteilung am Wochenende zurückkommen, das heißt Freitag, Samstag, Sonntag; denn für viele ist es schwer, inklusive Anreise schon ab Mittwoch Urlaub zu nehmen oder den eigenen Betrieb zu verlassen.

Und noch eine Anmerkung. Es ist doch erfreulich, wenn internationale Prüfungen auch von vielen ausländischen Gästen und Führern besucht werden. Dann sollte aus Gastfreundlichkeit und Fairness auch gewährleistet sein, dass in den jeweiligen Gruppen wenigstens einer ist, der die jeweilige Sprache beherrscht.

Natürlich kann man das von den Richtern nicht erwarten, aber es gibt sicher überall Studenten, die sich gern ein paar Mark verdienen möchten und dann als Dolmetscher zur Verfügung stehen würden.

Zum Schluss möchte ich folgendes deutlich machen. Wie gesagt, habe ich in den vergangenen Jahren an vielen Prüfungen ob als Führer, Richter oder auch nur als Zuschauer teilgenommen, jede irgendwie genossen und immer etwas mit nach Hause genommen. Damit das auch so bleibt, darf man doch wohl einmal über die angesprochenen Dinge nachdenken. Darf? Nein, muss!

Wo führt es uns hundeführende Jäger hin, wenn junge Führer sagen: „Ich gehe nicht wieder zu einer solchen Hundeprüfung!“ weil man sie ein für alle mal verprellt hat. Besser ist es, wenn es heißt: „An den Richtern hat es nicht gelegen, die haben sich große Mühe gegeben, nächstes mal bin ich klüger!“

Und welcher Hundeführer kennt nicht die Frage, die sich die „Prüflinge“ nach der Auslosung vor einer Prüfung immer wieder stellen: „Wen hast Du als Obmann?“ Und nach der Antwort die Reaktion: „Du armes Schwein, der hat mich auch schon mal…!“ Oder aber: „Ein klasse Fachmann, der tut was in seiner Macht steht, der gibt jedem Hund eine Chance.“

Es ist zwar nur „schmückendes Beiwerk“, aber wohl jeder Führer und Richter hat im Laufe der Zeit erfahren, dass gerade auf den überregionalen Prüfungen unzählige Bekanntschaften und nicht selten auch dauerhafte Freundschaften geschlossen werden – ganz abgesehen von den Fachgesprächen am Rande. Auch wenn die Zuchttauglichkeit der Hunde im Mittelpunkt steht, ist das Zwischenmenschliche eine Zugabe und ein weiterer Grund, an den großen Prüfungen festzuhalten.

Wir können auf diese Leistungsvergleiche nicht verzichten, aber sie haben nur eine Zukunft, wenn die Nachwuchsfrage geklärt ist. Sorgen wir dafür, dass genügend junge Führer und Verbandsrichter nachwachsen, damit die Zukunft des Hundewesens gesichert ist. Letztlich ist es die Zukunft der Jagd.

 

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