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Prüfen in der Praxis

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Um die Leistungsfähigkeit seiner Jagdhunde so
praxisnah wie möglich zu dokumentieren – und natürlich auch, weil es einfach mehr Freude macht – veranstaltete der Verein Jagdretriever eine Prüfung mit Fasanen- und Entenjagd in Tschechien.

 

Der Verein Jadretriever belegt – teilweise verständlichen Rassevorurteilen zum Trotz – durch Leistung der Hunde im Jagdbetrieb, was diese wirklich können

Von Dr. Erich Reiber

Nicht ohne Grund hat der Verein Jagdretriever eine Jagdpraxisprüfung (JPP) geschaffen, und nicht ohne Grund wird in der betreffenden Prüfungsordnung darauf hingewiesen, dass diese Prüfung auch im benachbarten Ausland abgehalten werden kann.

Um es aber etwas deutlicher zu sagen: Eine solche Prüfung lässt sich – aus politischen Gründen – eigentlich nur noch im benachbarten Ausland abhalten. Wir müssen nämlich aufpassen, dass unsere Politiker – unter dem Einfluss kleiner, aber lautstarker Minderheiten – nicht eine Gesetzgebung schaffen, der in absehbarer Zeit in der Bundesrepublik der brauchbare Jagdhund generell „geopfert“ wird.

Wobei sich die Frage aufdrängt, wie ein Gesetzgeber einerseits den Nachweis des brauchbaren Jagdhundes verlangen kann und andererseits die Prüfung eines brauchbaren Jagdhundes erschwert oder gar unmöglich macht?

Wer hat es im Jagdbetrieb noch nicht erlebt, dass auf großen Prüfungen hoch dekorierte Hunde, wenn sie das erste Mal an noch lebendes oder frisch erlegtes, warmes Wild kommen, versagen. Es ist eben ein Unterschied, ob der Hund einen steifen, stummen und nach seines Führers Auto oder Garage „riechenden“ Fasan bringt, oder ob der geflügelte Gockel mit List vor ihm zu entkommen versucht.

Wenn der Gesetzgeber Jägern und Jagdhundführern im eigenen Land eine ehrliche Prüfung und eine ehrliche Jagdgebrauchshundzucht versagt, so ist es wohl nicht mehr als recht und billig, wenn man sich nach praxisnäheren Möglichkeiten umsieht – mit dem Ziel, die vierläufigen Jagdhelfer auf ihren späteren „Beruf“ vorzubereiten.

Ich erinnerte mich an Steneck Novy, den ich, Jahre zurückliegend, anlässlich einer Fasanenjagd und auch Hochwild-Drückjagd kennengelernt hatte. Steneck spricht bestens Deutsch und ist Jäger und Rüdemann durch und durch.

Meine telefonische Anfrage bei ihm, ob wir eine Jagdpraxis-Prüfung mit Wasserarbeit bei ihm abhalten könnten, beantwortete er mit den Worten: „Klar, Ärich, das ist kein Probläm!“ Dass es aber tatsächlich ohne Probleme abgehen würde, konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen.

Ich bat ihn, sich nach Kosten und sonstigen Bedingungen zu erkundigen und hatte einige Tage später ein Telefax auf dem Schreibtisch, in dem mir Steneck bestätigte, er habe ein geeignetes Revier mit besten Feld- und Wasserbedingungen aufgetrieben. Außerdem laufe das Ganze nicht über ein gewerbliches Unternehmen, sondern über die örtliche Jagdgesellschaft, die größtes Interesse an unseren Retrievern und dieser Art der Prüfung hätten. Die genannten Konditionen waren ebenfalls durchaus zumutbar.

Das erste Mal in meinem Jägerleben und meinen Erfahrungen mit Jagdreisen war das Gefeilsche „andersherum“. Man bestand nämlich darauf, von uns weniger zu verlangen, als wir freiwillig zu zahlen bereit waren.

Mehr als Modehunde

Sechs Gespanne traten an, wobei zu bedenken ist, dass die Mindestvoraussetzung für die Teilnahme an einer JPP eine bestandene Bringleistungsprüfung (BLP) ist. Auf dieser müssen, nach absolvierter Schleppenarbeit, mehrere ausgelegte Stücke Wild gefunden und gebracht werden – und zwar sowohl in freier Suche als auch durch Einweisung.

Alle Teilnehmer waren natürlich begierig, mit ihren Hunden zu beweisen, dass Golden Retriever sich nicht nur zum schicken Jagddirndl gut ausmachen und ein Labrador nicht nur zum feinen Jäger in schottischem Tweed mit einem Pärchen Seitenschlossflinten passt.

Steneck wartete auf der tschechischen Seite der Grenze auf uns, um uns den Weg ins Revier zu zeigen. Er begrüßte mich mit den Worten: „Na, Ärich, das wurde auch Zeit!“ Steneck kassierte schnell die Waffenbesitzkarten und erledigte für 20 Mark pro Flinte die tschechischen Waffenformalitäten. Wir warteten derweil in einer neuen, freundlichen, hellen Abfertigungshalle, die nichts mehr mit den alten Holzbaracken aus früheren Ostblock-Zeiten zu tun hatte.

In der Abfertigungshalle wurden wir von einigen in feinsten Loden gekleideten Landsleuten angesprochen und gefragt, was wir denn in Tschechien vorhätten. Wir mussten bescheiden zugeben, dass wir eigentlich nur ein paar Fasanen und Enten erlegen und mit unseren Hunden eine Prüfung absolvieren wollten.

Daraufhin schlug uns Unverständnis entgegen, und die Hochwildjäger meinten, dass auf den böhmischen Fasanentreiben doch beste Hunde zur Verfügung stünden und ein eigener Hund doch nur stören und die Tagesstrecken unnötig mindern würde. Dann fuhr jeder seiner Wege. Die einen zur Flugwildjagd mit Hundeprüfung und die anderen möglichst starken Hirschen entgegen.

Wir waren zwar die einzigen Gäste in unserem Hotel, aber man hatte das ganze Haus für uns durchgeheizt. Selbstverständlich war es uns überlassen, ob die Hunde mit auf die Zimmer genommen wurden oder im Auto übernachteten. Das Ganze war bescheiden, aber die Übernachtung mit Frühstück kostete pro Person schließlich nicht mehr als 30 DM, und für ein Abendessen mit Getränken war jeder mit etwa 5 Mark dabei.

Treffpunkt war am nächsten Morgen in einer alten Wassermühle mit kleinem Gasthaus. Ich bat Steneck dem Jagdleiter nochmals zu erklären, dass wir in jedem Fall zwischen den Treiben genügend Zeit für die Hundearbeit haben müssten.
Es war ein herrliches Fasanenrevier. Große abgeerntete Feldflächen und überall eingestreute kleine Feldholzinseln, Wassergräben und Tümpel. Sämtliche Feldwege waren rechts und links mit mindestens 20 Meter breiten Hecken und Bäumen bewachsen. Also genau das, was unserer Natur in der Bundesrepublik von Feld- und Wasserbereinigungstechnikern weggenommen worden ist.

Da schwillt einem schon der Kamm, wenn man daran denkt, dass diese Leute jetzt satt und zufrieden, nachdem ihnen die Zerstörung unserer Feldflur gelungen ist, zu Hause sitzen und genüsslich ihre Renten und Pensionen einstreichen.

Hunde und Schützen wurden etwa 40 Meter vor dem ersten Feldgehölz aufgestellt, und nach einem schnöden „Träää“ mangels eines Jagdhorns kam bald Bewegung auf. Unter lautem Protestgegockel standen die ersten, herrlich bunten Hähne auf und strichen hoch über die Baumspitzen hin ab; welch faszinierende Bilder.

So manchen Hahn ließ ein gezielter Schuss in der Luft zusammenklappen und verendet auf den harten Feldboden fallen. Mit der Hundearbeit war so lange zu warten, bis ein weiteres „Träää“ das Treiben beendete.

Die Hunde suchten und brachten alles Wild, das sie fanden. Auf die sogenannten „Runner“ wurde vorschriftsmäßig angesetzt, und ich bin fest davon überzeugt, dass kein Fasan verlorenging. 46 Hähne und eine Ente wurden gestreckt.

§(zwtitel:Wasser, das eigentliche Retriever-Element)
Am nächsten Morgen war die Wasserarbeit dran und das in einem geradezu idealen Prüfungsgewässer. Zwei Schilfinseln, bewachsene Uferzonen, die in Verlandung übergingen und den bringenden Hunden ein vernünftiges Aussteigen ermöglichten.

Alle Prüfungshunde mit Führern hatten am Ufer Aufstellung zu nehmen. Plötzlich strich ein erster Erpel über den Teich, zwei fast gleichzeitige Flintenschüsse fielen und damit auch der Erpel. Der Prüfungsleiter bestimmte einen Hund zur Apportierarbeit.

Die anderen Prüflinge hatten standruhig, ohne einzuspringen oder Laut zu geben, bei ihren Führern sitzen zu bleiben. Es klappte bestens von hinten bis vorne – kein ungehorsamer Hund und kein Versager im Wasser.

Mit Booten ging es dann hinaus auf den See bis zu den Ständen. Um die Enten nicht zum frühzeitigen Aufstehen zu veranlassen, mussten die Hunde ihre Nervenstärke auch bei der für sie ungewohnten Schiffspassage zeigen. Und sie taten es.

Nach dem inzwischen vertrauten „Träää“ wurde Schof auf Schoof aus dem Schilf hochgemacht. Mancher Breitschnabel wurde erlegt, während die vierläufigen Prüflinge absolut ruhig und gehorsam auf den Ständen verharrten, bis es auf ein erneutes „Trää“ für sie hieß: „Bring apport!“ oder später „Such verloren!“

Jetzt konnten die „Golden“ und die „Schwarzen Labs“ zeigen, was an Arbeitsfreude, Finderwillen, Ausdauer, Nase und Wasserpassion in ihnen steckt. Erst als auch die letzte geflügelte Ente gebracht war, beendete man mit „Träää“ diesen Prüfungsteil.

Unsere tschechischen Freunde waren voll des Lobes und meinten, das hätten sie diesen Salonhunden eigentlich nicht zugetraut. Da das Ufer sehr schlammig war, sahen jetzt auch die feinen Golden Retriever endlich wie brauchbare Jagdhunde aus.

Wir wollten im Lauf des Vormittags die Prüfung flott fortsetzen, und es ging gleich weiter zum Fasanentreiben an ein kleines Feldgehölz. Natürlich wildern die böhmischen Jäger nach alter Tradition jedes Jahr Fasanen aus und dulden Raubwild weder zu Lande noch in der Luft.

O je, fragten wir uns, was wird nur aus diesen Revieren werden, wenn höchstbezahlte Brüsseler Bürokraten auch dort noch die unkontrollierte Vermehrung schwarzer und schwarzweißer Räuber anordnen? Und was wird aus dem jagdlich zu prüfenden brauchbaren Hund, den man dann in der Praxis nicht mehr prüfen darf?

Der „König“ ist krank

Aus alter böhmischer Tradition werden neben dem böhmischen Jagdfasan immer wieder einige Königsfasane ausgewildert. Jaroslav, der Jagdleiter, hatte uns einen der Königsfasanenhähne freigegeben.

Plötzlich war es dann auch soweit. Unter enormem Gepolter stand einer der farbenfrohen Vögel mit einem Stoß von bestimmt 1,20 Metern Länge zwischen den schon kahlen Bäumen auf. Kaum hatte er die Wipfelhöhe erreicht, begann er am Feldgehölz entlang zu streichen und wurde offensichtlich erfolglos beschossen.

Nach dem Treiben erklärte Jaroslav, er habe jedoch beobachtet, wie der „König“ krank am Ende des Gehölzstreifens wieder eingefallen sei. Die Arbeit der Hunde begann. Bald waren sämtliche Fasanen prüfungsgerecht apportiert einschließlich der Runner. Es fehlte nur noch der kranke König.

Richter, Mitjäger und Hunde warteten bereits an der Strecke. „Sammy“, der „Golden“ von Karl-Heinz wurde angesetzt und brachte nach bangem Warten der Teilnehmer den langstößigen Vogel, auch wenn er ihn nur dezent an einer Schwinge trug.

Damit war die Prüfung zu Ende. Und weil es nur „bestanden“ oder „nicht bestanden“ gibt, war den Richtern auch die letzte Arbeit von Sammy noch ausreichend, da er zuvor bei allen Arbeiten nur durch besten Apportiergriff geglänzt hatte.

Die Richterbesprechung mit Jaroslav, der mir der guten Ordnung halber noch seinen tschechischen Verbandsrichterausweis gezeigt hatte, dauerte deshalb so lange, weil er immer wieder betonte, wie gut ihm diese Art der Prüfung und die Arbeit der Hunde gefallen habe.

Wir bestanden nach kurzer Preisverteilung darauf, dass nun abgerechnet werden müsse. Unsere Gastgeber weigerten sich, Nebenkosten anzunehmen. Keine Kilometergelder, keine Treiberkosten, keine Organisationsgebühren, keine Trinkgelder wollten sie, sondern lediglich die vereinbarten Gebühren für zur Strecke gekommene Fasanen und Enten.

Alle bestanden vielmehr darauf, dass wir im nächsten Jahr mit ihnen wieder
eine Jagdpraxisprüfung abhalten sollten. Es sei für sie ein besonderes, ungewohntes Erlebnis gewesen, einmal mit Gästen zu jagen, denen es vorrangig um den Leistungsnachweis ihrer Hunde gegangen sei.

Übrigens zum Schluss: Beim nächsten Mal ist ein gewisser Redakteur von WILD UND HUND sowohl zur Berichterstattung als auch in seiner Eigenschaft als Verbandsrichter zum Prüfungsrichten in Tschechien verpflichtet, damit er aufhört, über Golden- und Labrador-Retriever weiterhin die Nase zu rümpfen.

 

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