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Caspars Weg IV: Vom Welpen bis zum Jagdgebrauchshund

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Die meisten Hundeführer sind sich einig: Der sichere Weg zum verlässlichen Verlorenbringer und Alles-Apporteur ist ohne gewissen Zwang nicht möglich. Bei den Methoden scheiden sich allerdings die Geister. Profi-Ausbilder Uwe Heiss bevorzugt die stressfreie Ausbildung auf dem Apportier-Tisch.

 

Völlig entspannt steht Caspar auf dem Apportiertisch und freut sich darauf, dass die Arbeit gleich los geht. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für den Ausbilder ist die gänsitge Griffhöhe der Arbeitsplatte

Von Uwe Heiss

Wie wichtig das Thema „Zwangsapport“ ist, wurde mir so richtig auf einer Treibjagd bewusst. Ich führte einen „Superhund“, der meiner Meinung nach ein exzellenter Verlorenbringer sein musste. Zumindest auf allen Prüfungen hatte er Schleppen- und Apportierfächer fehlerlos mit Höchstpunktzahl absolviert. Wie gut er das Erlernte im Jagdbetrieb umsetzen würde, sollte sich herausstellen. Ich war zuversichtlich, da er auch auf Hasenspuren immer problemlos lief.

Es ging gut los. Ein geflügelter Fasan im hohen Rübenschlag war kein Problem für ihn. Mein Hund arbeitete das Geläuf, fand und brachte den Hahn. Aber dann galt es, einen kranken Hasen nachzusuchen. Ich setzte meinen Hund an, er nahm mit tiefer Nase die Spur auf, kam aber zu meiner Verwunderung nach knapp fünf Minuten leer zurück. Schnell war der Schütze mit der Erklärung: „Dann hat der Hase wohl doch nicht so viel abbekommen“, zur Hand.

…ich hätte im Boden versinken können

Ein anderer, älterer Hundeführer mit einem vielfachen meiner Erfahrung, setzte daraufhin seinen Hund auf der Wundspur des Hasen an und siehe da, nach einiger Zeit kam sein Vierläufer mit dem Hasen im Fang zurück. Ich gab meinem „dummen Hund“ die Schuld und schämte mich für ihn. Zweifellos, er hätte diese Aufgabe lösen müssen, denn der zweite Hund hatte uns bewiesen, dass sie lösbar war. Um es kurz zu machen, am selben Tag passierte Ähnliches noch einmal. Ich setzte meinen Hund erneut auf der Spur eines laufkranken Hasen an und wieder kam er leer zu mir zurück. Der Hund des älteren Jägers brachte anschließend auch diesen Mümmelmann zur Strecke. Ich hätte im Boden versinken können.

Abends folgten intensive Gespräche über das Thema „Zwangsapport“ mit dem sehr netten älteren Hundeführer. Er machte mir klar, dass es bei den meisten Jagdhunden einfach oft für schwierige Aufgaben in der Jagdpraxis nicht ausreicht, wenn sie nur mehr oder weniger spielerisch im Apportieren ausgebildet werden. Für einfache Aufgaben mag das bei bringfreudigen Hunden reichen, aber zur „absoluten Bringtreue“ führt nur der Zwangsapport.

Aber was mir so an Zwangsapport-Methoden bekannt war, hat mich auf Dauer nicht zufrieden gestellt. Einsatz der Korallen-Halsung, Behang-Kneifen bis der Hund, um laut „Aua“ zu sagen, den Fang öffnet, aus gleichem Grund auf die Pfote treten und einiges mehr.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: All das habe ich selbst getan! Auch habe ich natürlich gesehen, dass Hunde, die durch eine äußerst harte Apport-Schule gingen, nachher trotzdem freudige und vor allem zuverlässige Apporteure wurden. Hunde, die diese harte Schule nicht vertrugen, verschwanden jedoch meistens irgendwo in der Versenkung.

…es geht auch anders

Ich habe danach sehr viel ausprobiert und weiter Fehler gemacht – selbst als ich dann endlich auf den Apportiertisch gestoßen bin. Ich glaubte zunächst, mit seiner Hilfe die Parforce-Ausbildung einfacher und bequemer haben zu können. Das war ein großer Irrglaube. Ich hoffe aber aus meinen Fehlern gelernt zu haben, denn heute weiß ich: Es geht auch anders als mit starkem Zwang.

Der „Zwang“ ist in der Hunde-Ausbildung ein äußerst sensibles Thema. Es wird oft nur hinter vorgehaltener Hand offen darüber gesprochen. Würden wir aber alle offener, ehrlicher damit umgehen, könnte ein konstruktiver Erfahrungs-Austausch über sinnvolle und unsinnige Zwänge stattfinden. Zugegeben – auch vielen Hunden, die durch meine Hände gingen, wäre dann so mancher unnötige Zwang erspart geblieben.

Keiner, der gern Jagd- oder andere Gebrauchshunde ausbildet, übt gerne Zwang aus. Dennoch lässt meiner Meinung nach Gebrauchshund-Ausbildung keine antiautoritäre Erziehung und Ausbildung zu. So ist auch der Zwangsapport ein wichtiges Hilfsmittel für die Ausbildung des Jagdhundes zum wirklich zuverlässigen Verlorenbringer zu Wasser und zu Land. „Wirklich zuverlässig“ ist natürlich ein dehnbarer Begriff. Man hört immer nur von „ganz tollen Arbeiten“, die Jagdhunde beim Verlorenbringen zeigten, von den erfolglosen Versuchen ist seltener die Rede.

Nun zum Apportiertisch. Der Apportiertisch ist nicht nur einfach ein Tisch, auf dem man das Apportieren übt, sondern ein Lernplateau, auf dem sich bereits der Welpe, wenn er positiv konditioniert wurde, gern arbeiten lässt. Caspar zum Beispiel wurde von mir bereits als Welpe täglich auf den Tisch gehoben und bekam dort viel Streicheleinheiten und auch kleine Leckereien. Es hat nicht lange gedauert, da war er ganz verrückt danach, auf diesen Tisch zu kommen. Er hatte ihn früh äußerst positiv verknüpft.

Bald fing ich an, ihn auf diesem Tisch langsam, Schritt für Schritt, zu fixieren. Auch daran musste er mit Geduld gewöhnt werden, bis er, positiv konditioniert, stets freudig wedelnd auch fixiert auf dem Tisch stand. Zuletzt sprang er freudig auf den Tisch, sobald er ihn sah. Wichtiger Hintergrund des Fixierens ist für mich die Tatsache, dass ich so mit einem völlig entspannten Hund arbeiten kann.

Ergreift man beispielsweise eine Taube, dann versucht diese doch zunächst, aus dem ungewohnten Griff loszukommen. Gelingt es dem Vogel dabei, mit einem Ständer oder mit einer Schwinge frei zu kommen, wird er noch mehr Energie aufbringen, um sich völlig zu befreien. Merkt das Tier jedoch, dass alle Versuche aussichtslos sind, findet es sich mit der Situation ab und entspannt sich.

Im Fall des entspannten, auf das „fixiert sein“ zusätzlich auch noch positiv konditionierten Caspar, ist dass eine optimale, pädagogisch wertvolle Ausgangssituation. Bei allen anderen Zwangsapport-Techniken hatten mir die Hunde zu viel Spielraum und setzten ihre Energien einfach unsinnig und falsch ein. Die Alternativen waren mir immer irgendwie zu unsauber und das Ergebnis zu unbefriedigend.

Ich habe mir sehr viel zeigen lassen und war zuvor oft an falschen Stellen einfach zu hart. Fatal ist, wie bereits erwähnt, dass eben auch die sehr harten Methoden funktionieren, was dazu verführt zu glauben, man sei auf dem einzig richtigen Weg.

…völlig entspannt auf dem Tisch

Der fixierte Caspar steht nun also rutewedelnd und völlig entspannt auf dem Tisch. Ich binde eine Schnur vorn an seinem Vorderlauf. Dazu verwende ich eine weiche Schnur, die nicht einschneiden kann.

Ich ziehe einen Handschuh über eine Hand und ergreife mit der anderen die Schnur, um an ihr ziehen zu können. Es soll nicht so stark gezogen werden, dass der Hund in den „Aua-Bereich“ kommt, sondern es soll lediglich eine Spannung erzeugt werden. Parallel zur Spannung lege ich mit einem leisen „Apport“ meine behandschuhte Hand in Caspars Fang. Exakt in dem Moment, indem die Hand in seinem Fang ist, löse ich die Spannung der Schnur, indem ich nachgebe bis sie völlig locker ist. Schnell lernt Caspar, dass sich die Spannung am Lauf löst, wenn er die behandschuhte Hand nimmt.

Als nächsten Schritt soll Caspar die behandschuhte Hand längere Zeit in seinem Fang dulden. Dies erreiche ich dadurch, dass nun die Spannung der Schnur erst dann nachlässt, wenn er die Hand wirklich ruhig im Fang behält. Durch den Handschuh spüre ich, ob und wann der Hund anfängt zu knautschen oder loszulassen. Dies quittiere ich sofort mit vorsichtiger Spannung der Schnur, die natürlich genau in der Sekunde aufgelöst wird, in der Caspar wieder ruhig hält. Ein Ausweichen ist für den auf dem Tisch fixierten Rüden nicht möglich.

Als nächste Übung stülpe ich den Handschuh über ein Stück Holz. Damit verfahre ich genauso wie mit der Hand im Handschuh. Jede Übung wird so lange gearbeitet, bis sie tadellos funktioniert. Langsam ersetze ich das Holzstück durch allerlei andere Apportiergegenstände bis hin zu unterschiedlichem Apportier-Wild. Hierbei lasse ich das Elektroreizgerät mit in die Ausbildung einfließen. Ich lege zusätzlich den „elektronischen Schlüssel“ auf das Apportierkommando. Das bedeutet, dass ich dem Hund beibringe, zunächst die Spannung durch die Schnur und dann den sehr niedrigen elektronischen Kribbel-Impuls simultan zur Schnur selbst durch Apportieren abzuschalten.

Dieser Impuls, wie auch die Spannung durch die Schnur, darf dem Hund nicht weh tun. So wird lediglich der zum Apportieren auffordernde Impuls (mit dem akustistischen Kommando) der Schnur zunächst gemeinsam mit dem niedrigen elektronischen Impuls simultan gegeben, um später auf den Impuls der Schnur verzichten zu können. Es wird also ein auslösender Impuls durch einen anderen ersetzt, um später am Boden oder im Revier auf größere Entfernungen auf die Schnur verzichten zu können und mit dem Reizgerät pädagogisch wertvoll und sinnvoll einwirken zu können.

Ein geringer Reiz genügt…

So reicht auch ein geringer Reiz auf Entfernung, wenn der Hund beispielsweise am Ende der Schleppe einmal nicht zügig aufnimmt oder gar das Stück Wild liegen lassen will. Erst wenn er wirklich alles auf einmaliges Kommando hin sofort greift und so lange festhält, bis ich das Kommando „aus“ gebe, fange ich an, auf dem Tisch das „vom Boden aufnehmen“ zu trainieren. Der Hund wird dafür so auf dem Tisch fixiert, dass er auch vom Tischboden aufnehmen kann.

Zunächst wird wieder nur mit dem mechanischen Impuls der Schnur gearbeitet. Langsam biete ich dem Hund das Apportierholz immer tiefer an. Wenn Caspar auf Kommando und auf mechanische Spannung durch die Schnur hin sicher vom Boden aufnimmt, arbeite ich nach und nach die verschiedensten Gegenstände bis hin zu allen nötigen Wildarten durch. Auch hier wird, wie oben beschrieben, der niedrige elektronische Impuls eingesetzt. Das heißt: Anfangs nur mechanisch, dann mit niedrigem elektronischem Impuls und danach simultan zum Impuls. Später nur mit niedrigerem elektronischem Impuls.

Erst zu guter Letzt beginne ich nach dem gleichen Schema wie zuvor mit Caspar neben dem Tisch auch auf dem Boden zu arbeiten. Für diese Art des Zwangsapports nehme ich mir sehr viel Zeit und beginne in der Regel erst nach dem vollendeten Zahnwechsel damit. Ich arbeite übrigens mit meinen Hunden immer noch auf dem Tisch, während die Hunde der meisten anderen Ausbilder längst draußen im Revier Schleppen absolvieren.

Wieder einmal schießen mir beim Schreiben dieses Artikels einige Gedanken durch den Kopf. Es drängen sich mir Fragen auf wie: Wie wird man damit umgehen, wenn in WILD UND HUND so offen über einen gewissen Zwang in der Hunde-Ausbildung gesprochen wird? Was ist überhaupt Zwang? Wo fängt pädagogisch wertvoller Zwang an und wo hört er auf? Wird die geschilderte Methode von Fachleuten nur kritisch betrachtet und wird man mich wegen meiner „ketzerischen“ Gedanken und neuer Methoden wieder einmal versuchen, in der Luft zu zerreißen? Ich bin wirklich gespannt.

Caspar war übrigens knapp 17 Monate alt, als er innerhalb von neun Tagen drei Verbands-Prüfungen zu meistern hatte. Mit 188 Punkten wurde er auf der HZP Suchensieger, die Solms (HZP des DK-Verbandes) absolvierte er mit voller Punktzahl (plus Suche 4h) und die VGP bestand er mit 316 Punkten im I. Preis.

Und wenn wir auf einer der nächsten Prüfungen durchfallen, werde ich mich genauso darüber ärgern wie jeder andere Hundeführer. Ich werde mir aber weiter Gedanken darüber machen, wie man das Wissen und Können der „alten Hasen“ mit moderner Hundeausbildung kombinieren kann – verfolgen wir doch das gleiche Ziel, möglichst zuverlässige Jagdgebrauchshunde für den Jagdbetrieb zu bekommen.

Ich denke, gerade beim Zwangsapport lohnt es sich, über alternative, pädagogisch vernünftige Zwänge nachzudenken. Bekanntlich sind die Wege, die nach Rom führen, eben sehr unterschiedlich. Welchen Weg man wählt, muss halt jeder für sich und seinen Hund entscheiden. Ich habe mit der geschilderten Methode selbst mit hochsensiblen Hunden ausgezeichnete Erfahrungen gemacht. Und das mit minimalem Druck und ganz, ganz wenig Stress.

Wenn alles – ohne jeden Stress – geklappt hat, freuen sich Hund und Führer gleichermaßen.

 

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