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Der Stoff, aus dem die Klingen sind

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Seit Menschengedenken ranken sich um Klingenstähle Mythen. Einst war ihre Zusammensetzung Betriebsgeheimnis, heute ist sie codiert. Und über die optimale Bearbeitung des Werkstoffes schweigen sich die Hersteller nach wie vor lieber aus. Wolfram Osgyan lüftet den Schleier. Hier Auszüge aus einem Kapitel im neuen WuH-Exklusiv Jagdmesser.

 

Sieben Tage und Nächte schuf Wieland an seinem Werk, und als diese vorüber waren, hatte er ein Schwert geschmiedet, so hart und scharf man noch nie eines gesehen hatte. Damit ging der Meister zum Fluss. Am Wasser angekommen, nahm er eine dicke Wollflocke, ließ sie von den Wellen hintreiben und hielt das Schwert entgegen. Der Wollsträhn wurde mühelos von der Schneide durchschnitten. „Noch nicht gut genug“, seufzte der Meister und begab sich wieder in seine Werkstatt.

Von Wichten geschmiedet

Dort zerfeilte er das Schwert zu Eisenspänen, mengte diese mit Mehl und noch anderen Dingen zu einem Brei. In der Esse schied sich mit dem beigemengten Gemisch auch alles schlechte Metall aus dem Guss, und was übrig blieb, härtete sich zu festestem Stahl. Am anderen Morgen ließ der Schmied vor den Augen des Königs einen hauchdünnen Wollfaden den Fluss, wo die Strömung am sanftesten war, hinabtreiben, und siehe, kaum hatte er das ins Wasser getauchte Schwert berührt, zerfiel der Faden in zwei Flocken, die lustig weitertanzten. Nun jauchzte der Herrscher: „Solch eine Klinge möcht’ ich haben, fürwahr, mich schreckte dann nichts mehr auf Erden.“

Mit dieser Probe hatte das Schwert „Mimung“ seine Schärfe unter Beweis gestellt, die Schnitthaltigkeit wiederum bezahlte Wielands Widersacher Amilias mit dem Leben, denn der Stahl glitt ohne Schaden zu nehmen wie von selbst durch dessen Helm und Brünne. Dass des Meisters Wissen nicht von Menschen stammte, erklärt die Sage mit Wielands Lehrjahren bei Zwergen. Zwergenarbeit gar waren Dietrich von Berns Schwerter „Eckesachs“ und „Nagelring“, und auch Siegfrieds legendären „Balmung“ hatten nicht Sterbliche, sondern Wichte geschmiedet.

Jahrhundertelang stand die Stahlerzeugung und -verarbeitung primär im Dienst der Blankwaffe. Schnitthaltige und gleichzeitig bruchsichere Klingen herzustellen, war mit den damaligen Mitteln ein schwieriges Unterfangen, und so erklärt sich, dass Wunschdenken Ausfluss in Sagen nahm. Gemessen an Stahl ist Eisen ein vergleichsweise weicher Werkstoff und zudem nicht härtbar. Erst das Einbringen von Kohlenstoff erlaubt das Härten und macht somit das Eisen zu Stahl. Beim wahrscheinlich ältesten Verfahren der Stahlgewinnung wurde mittels des „Rennofens“ aus Raseneisenerz und Holzkohle jeweils bescheidene Mengen Stahl erzeugt. Auch das alternativ praktizierte Frischfeuerverfahren, bei dem flüssiges Eisen durch den die Verbrennung unterhaltenden Luftstrom tropft und Roheisen zu Stahl werden lässt, versprach keine große Ausbeute. Das erklärt auch den hohen Wert von Stahl bis weit in die Neuzeit hinein.

Als Handelsware ist Stahl üblicherweise weichgeglüht und so zur Bearbeitung bestens geeignet. Danach jedoch muss er gehärtet werden. Dieser Vorgang wiederum vollzieht sich bei Temperaturen zwischen 850 und 1180 Grad Celsius in speziellen Härteöfen. Dabei verändern die Kohlenstoffatome ihre Position in der Molekularstruktur. Um sie an der gewünschten Stelle zu belassen, ist es notwendig, den Stahl rasch abzukühlen beziehungsweise in kalter Flüssigkeit abzuschrecken. Eine Klinge beispielsweise erreicht jetzt zwar maximale Härte, jedoch minimale Elastizität. Schon bei geringster Belastung würde sie wie Glas brechen.

Um dies zu vermeiden, müssen die inne liegenden hohen Spannungen abgebaut werden. Das geschieht durch erneutes Erwärmen bis zu einer auf die Stahlsorte abgestimmten Temperatur, die normalerweise zwischen 200 und 500 Grad Celsius liegt. Dieser Vorgang heißt: Anlassen. Nicht immer erreicht man die gewünschte Endhärte (Rockwell C) schon beim ersten Durchlauf.

Gäbe es einen idealen Messerstahl, dann wäre er nach dem Anlassen schnitthaltig, bruchsicher, leicht zu schärfen sowie rostfrei und damit ein Pendant zur eierlegenden Wollmilchsau. Schnitthaltig und leicht zu schärfen schließen sich nämlich aus. Hoch gehärtete Kohlenstoffstähle beispielsweise können recht schnitthaltig sein, solche mit weniger Rockwell C (HRC) lassen sich mit Sicherheit leichter schärfen, und beide teilen sich den Nachteil, dass sie nicht rostfrei sind.

Negative Beeinflussung der Stahlqualität

Modernen Messerstählen sind demnach Stahlveredler zulegiert. Zu den wichtigsten zählt Chrom. Stähle mit einem Chromgehalt von über 14 Prozent gelten gemeinhin als rostfrei und sind es auch, sofern sie nicht unentwegt Salzwasser und Obstsäuren ausgesetzt bleiben. Chrom (Cr) erhöht zudem die Festigkeit sowie die Einhärttiefe und macht den Stahl durch die Bildung von Chromkarbiden abriebfest. Nickel (Ni) verstärkt in Verbindung mit Chrom die genannten Effekte. Mangan (Mn) steigert ebenfalls die Festigkeit und verringert die kritische Abkühlgeschwindigkeit. Wolfram (W) verbessert die Festigkeit und erhöht sowohl Härte als auch Schnitthaltigkeit. Vanadium (V) beeinflusst die Warmfestigkeit positiv und erhöht zudem die Schneidfähigkeit. Letzteres bewirkt unter anderem Molybdän ebenfalls.

Wie Chrom, Titan und Molybdän bilden auch Vanadium und Wolfram mit dem überschüssigen Kohlenstoff extrem harte Karbide. Sofern sie gleichmäßig im Stahl verteilt sind, steigern sie dessen Schnitthaltigkeit erheblich. Bei herkömmlich erschmolzenen Stählen sind allerdings den Karbidbildern Grenzen gesetzt, denn ein Zuviel protegiert die Bildung von Konglomeraten, vergröbert die Struktur und beeinflusst somit die Stahlqualität negativ.

Nachdem sehr wohl bekannt ist, wie sich die einzelnen Elemente auf die Legierung auswirken, mag sich jetzt der Laie fragen, warum man nicht einfach reichlich von besten Zutaten nimmt, um den perfekten Messer-Stahl zu kochen. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn die Kombination der Stahlveredler in der Legierung genau das bewirkten, was die einzelnen Elemente vermögen. Die Praxis aber lehrt, dass sich durch Zulegieren nur bestimmte Eigenschaften des Stahls positiv beeinflussen lassen, so dass dieser für einen exakt definierten Einsatzbereich optimiert ist. Gewehrlaufstahl wird nun mal ganz anders belastet, als solche für Gewindeschneider, Bohrköpfe oder Stanzmaschinen. Demzufolge sind sie auch unterschiedlich legiert.

Bis Mitte der siebziger Jahre schien die Entwicklung der Klingenstähle ausgereizt. Die Schneidwarenindustrie wusste sehr genau, wie der optimale Rasierklingenstahl beschaffen sein musste, wie die Stähle von Küchen- und Metzgermessern zu sein hatten und welche für Schnitzmesser und Stemmeisen angemesen sind, und auch beim Jagdmesser mit seinem vielfältigem Einsatzspektrum schien die Grenze des Machbaren erreicht. In Solingen, dem Herz der deutschen Messerproduktion, gab es dafür so etwas wie Industrie-Einheitsstähle. Zu ihnen zählten beispielsweise die mit den Werkstoffnummern 1.4034, 1.4110 alias X 55 Cr Mo V 14 oder 1.2510 alias 90MnCr V8. Weil Besseres nicht im Gebrauch war, galten sie als gut genug für die vielseitig belasteten Jagdmesserklingen und vor allem als ideal für etablierte Produktionsmethoden wie das Schmieden im Gesenk.

Hinzu kommt, dass sich die Schneidwarenindustrie lange gegen Anregungen von außen abschottete, dass Messermacher, die mit neuen Stählen experimentierten, als unliebsame Konkurrenten oder Störenfriede angesehen wurden. In den USA wiederum war ein gegenteiliger Trend zu beobachten. Dort experimentierten Hobby-Messermacher mit allen möglichen Stählen aus der High-Tech-Produktion, suchten und fanden dann Ansprechpartner in der Schneidwarenindustrie und gaben ihre Erfahrungen weiter.

“Superstähle“ – Domäne der Messermacher

Pionierarbeit auf diesem Gebiet leistete Robert „Bob“ W. Loveless, der immer wieder zu neuen Ufern aufbrach und für sich in Anspruch nehmen darf, den 154 CM (US-Bezeichnung) heute bekannter als ATS 34 (Japan), als nahezu idealen Messerstahl entdeckt und der industriellen Fertigung zugeführt zu haben. Er kooperierte nämlich schon Mitte der siebziger Jahre mit dem Hersteller Schrade, arbeitete auch als Designer zu und brachte zusammen mit dem Serienproduzenten ein Schrade-Loveless-Messer in limitierter Auflage auf den Markt. A. G. Russell wiederum darf sich als Verdienst an die Fahnen heften, 1970 in Tulsa/Oklahoma die Knifemakers-Guild gegründet zu haben. Er wurde Präsident der zwölf Gründungsmitglieder und Bob Loveless der erste Sekretär.

Ohne Wolf Borger, Dietmar Kressler und Richard Hehn hätte sich wahrscheinlich bei uns in Sachen Messerstähle wenig bewegt. Auf getrennten Wegen und ohne voneinander zu wissen, ließen sich die Messermacher aus Passion von ihren amerikanischen Kollegen inspirieren, besorgten sich Materialien, stellten in Amerika aus und machten sich auch dort auf Anhieb einen guten Namen. Borger absolvierte die Meisterschule, legte 1986 die Meisterprüfung im Schmiedehandwerk ab, wurde Vollprofi und deshalb als einziger der deutschen Messermacher von den Bossen der Industrie und des Handwerks offiziell anerkannt. Kressler arbeitete im Rahmen seiner Dienstzeit in den USA sehr intensiv mit A. G. Russell sowie Bob Loveless zusammen, wurde von den US-Größen geprägt und übertraf im Laufe der Jahre hinsichtlich der Qualität seiner Arbeiten seine Lehrmeister.

Hehn wiederum, mit dem metallurgischem Know-how und dem Wissensdurst eines Maschinenbauingenieurs sowie einer schier unermüdlichen Schaffenskraft ausgestattet, stellte hinsichtlich der Experimentierfreudigkeit bald alles in den Schatten, was weltweit Rang und Namen hatte und avancierte zur absoluten Nummer eins in Sachen Klingenmaterialien.

Was die drei neben vielen Anregungen ausgangs der Siebziger aus den USA zu uns brachten, waren unter anderem die dort bekannten Klingenstähle D2, 440 C, 154 CM und die stahlfreie Kobalt-Legierung Stellite 6 K. Mochten diese Materialien noch so unterschiedlich legiert sein, hatten sie doch gemeinsam, hinsichtlich ihrer Schnitthaltigkeit die hierzulande gebräuchlichen Stähle bei weitem zu überbieten. Bearbeitet wurden sie spanabhebend. Weil die deutschen Serienproduzenten dafür maschinell nicht eingerichtet waren, blieb die Verarbeitung der „Superstähle“ zunächst die alleinige Domäne der Messermacher.

Von den Solingern reagierte Böker am schnellsten, indem das Haus den 440 C in sein Stahlprogramm aufnahm und Klingen ansprechender Qualität in verschiedenen Versionen auf den Markt brachte. Bei guter Schnitthaltigkeit sind solche aus 440 C rostfrei und ohne große Mühe mit geeigneten Schleifmitteln nachschärfbar. Mehr als eineinhalb Dekaden nach seiner offiziellen Markteinführung zählt der 440 C immer noch zum Besten, was man aus Industriefertigung bekommen kann. Davon versuchen Billigproduzenten zu profitieren, indem sie ihre Erzeugnisse mit 440 stempeln. Doch der Unterschied von 440 A beziehungsweise 440 B zu 440 C ist so groß wie der von der GT-Ausführung eines Kleinwagens zum Porsche Carrera.

Jagdmesser sollen über Allrounder-Eigenschaften verfügen

Der schnitthaltigere D2 ist leider nur rostträge, inzwischen weitgehend aus dem Sortiment verschwunden und kam industriell verarbeitet nicht aus den Startlöchern. Der ATS 34 (154 CM) dagegen zählt derzeit immer noch zu den Favoriten der Messermacher und hat mittlerweile auch seinen Einzug in die Serienproduktion gefunden. Stellite 6 K dagegen, schnitthaltiger als die Genannten, fristete von Anfang an ein Mauerblümchendasein und verabschiedete sich in kürzester Zeit aus den Schubläden der Messermacher.

Im Jahr 1983 läutete nämlich der US-Stahlhersteller Crucible mit dem CPM T 440 V, einem pulvermetallurgisch hergestellten Stahl, eine neue Ära ein. Beim PM-Verfahren vermischt man feinstes Pulver eines hochwertigen Stahls, zum Beispiel 154 CM, 440 C und ähnliche, so mit Vanadiumkarbidpulver, dass sich die Partikel gleichmäßig verteilen. In einem Behälter wird das Gemenge dann mit Hilfe einer Vakuumpumpe entgast sowie verdichtet, bis knapp unter die Schmelztemperatur erhitzt und mit hohem Druck zusammengepresst. Dieser Vorgang heißt auch „heißisostatisches Pressen“. Hier verschweißen die Partikel homogen, ohne Lufteinschlüsse und Hohlräume. Entscheidend jedoch ist, dass die extrem verschleißfesten Vanadiumkarbide sehr gleichmäßig verteilt bleiben und somit dem Stahl eine überragende Schnitthaltigkeit verleihen.

Richard Hehn erkannte als erster europäischer Messermacher die Zeichen der Zeit und das Potenzial des Stahls, kniete sich in die nicht einfache Bearbeitung hinein und setzte damit einen Meilenstein. Nachdem die Firma Zapp, Ratingen, die Fertigung des PM-Stahls in ihr Programm aufgenommen hatte, gab es auch keine Lieferprobleme mehr. Freilich, eine adrett aussehende Klinge aus CPM T 440 V zu arbeiten, fordert mehr Ellenbogenfett als eine aus 440 C, ATS 34 oder D2. Daher findet der PM-Stahl nicht bei jedem Messermacher ungeteilten Zuspruch. Hehn konnte übrigens auch den Beweis antreten, dass der PM-Stahl bei einer vernünftigen Gebrauchshärte (58 HRC) sogar bruchstabiler als D2 (61 HRC) und 440 C (60 HRC) ist und damit einer verbreiteten Irrmeinung entgegentreten. Bekanntlich ist alles Irdische endlich. Daher gibt es auch für den CPM T 440 V bereits einen Nachfolger namens CPM 420 V – mit noch höherem Vanadiumkarbidanteil und damit noch schnitthaltiger. Weil neue Wege in der Technologie auch neue Optionen eröffnen, darf der Freund der „handgemachten Klinge“ schon jetzt gespannt sein, was in absehbarer Zeit noch alles auf ihn wartet.

Was die Schneidleistung anbetrifft, sind die CPM-Stählen T 440 V und 420 V zur Zeit immer noch das Maß der Dinge. Nachfolgende Werte mögen dies belegen. Sie basieren auf einem Fundus von knapp 2000 versorgten Stück Schalenwild aller Altersklassen, jedoch mit höherem Jungwildanteil (Rehwild zu Hochwild = 3:2). Dabei wurde Nachschärfen im Durchschnitt notwendig nach:

Solinger Standard-
Jagdmesserstahl 2 Stück
440 C 5 Stück
D2 7 Stück
154 CM 6 Stück
Stellite 6 K 10 Stück
CPM T 440 V 25 –30 Stück
CPM 420 V über 30 Stück

Ein Haushalt, der etwas auf sich hält, verfügt über ein ganzes Sortiment an Küchenmessern: Brotmesser, Fleischmesser, Filiermesser, Käsemesser, Schälmesser, – und die Aufzählung ließe sich noch beträchtlich erweitern.

Auch der Metzger hat eine Reihe unterschiedlich geformter Klingen im Einsatz und verwendet jeweils eine, die für die augenblickliche Tätigkeit optimal ist. Jagdmesser dagegen sollen alles verrichten, was im Rahmen des Jagdbetriebes anfällt: aufschärfen, schneiden, durchtrennen, spalten und durchstoßen. Sie sollen somit über echte Allrounder-Eigenschaften verfügen. Dieser Anspruch wiederum nötigt ihrer Form und Größe natürlich Kompromisse ab.

Erschwertes Nachschärfen

Liegt die Spitze der Klinge unterhalb der höchsten Erhebung des Klingenrückens und neigt sie sich der Klingenmitte zu, kommt das dem Aufbrechen – und das ist ja das Haupt-Einsatzgebiet eines Jagdmessers – sehr entgegen. Die Gefahr, dabei das Gescheide zu verletzen, wird dadurch sehr gemindert. Noch mehr natürlich, wenn die Spitze vom Rücken weg in Richtung Klingenmitte gezogen ist. Wir sprechen dann von einer so genannten Drop-Point-Form.

Sie hat den früher weit verbreiteten Nicker mit seiner schmalen, spitz zulaufenden Klinge in den Hintergrund gedrängt. Letzterer spielt dann seine Vorzüge aus, wenn es um das Abnicken oder Abfangen von Schalenwild geht. Doch diese Tätigkeit beherrschen und praktizieren heute immer weniger Jäger. Die in der Regel lange Klinge des Nickers mit seiner schmalen Spitze bietet ferner beim Ansetzen auf der Schlossnaht ein ungünstiges Hebelverhältnis und ist bei leichtem Verkanten zudem ungleich bruchempfindlicher als die kurze, untersetzte Klinge eines Drop-Points. Außerdem bildet die Klingenbreite zur Klingenhöhe im Querschnitt einen breiteren Keil. Das erschwert das Nachschärfen, weil nach kurzer Zeit viel Material von den Flanken abgetragen werden muss.

Skinner wiederum sind Abschwart- oder Häutemesser, auf einen möglichst langen Schnitt ausgelegt, mit einer mehr oder minder zum Rücken hin gekrümmten Schneide (ausgeprägter Krümmungsradius) und einer rückennahen oder über den Klingenrücken ragenden Spitze ausgestattet. Mit ihnen aufbrechen zu wollen, heißt entweder äußerst behutsam vorzugehen oder unerwünschte Beilagen in Form von grünem Brei billigend in Kauf zu nehmen. Ein Skinner gehört demnach eher in die Wildkammer als an den Gürtel. In modifizierter Form, als so genannte Semi-Skinner mit heruntergezogener Spitze, meistern sie jedoch die Belange des jagdlichen Alltags hervorragend.

Auf der sicheren Seite

Drop-Point-Messer sind mit Klingenlängen zwischen acht und elf Zentimetern gut bedient. Sie reichen zum Versorgen von allem Schalenwild bestens. Auch das Schloss von jüngerem Hochwild kriegt man gut damit auf, sofern der Griff lang genug ist. Zu den immer noch verbreiteten Irrtümern zählt, die Klinge müsse proportional mit der Größe und dem Gewicht des Wildes wachsen. Eine für Hochwild habe demnach länger zu sein als eine für Rehwild.

Doch beim Aufbrechen wird immer nur ein verhältnismäßig kleiner Abschnitt der Schneide wirklich belastet und durch Gebrauch stumpf: nämlich der Schneidradius. Sind dessen erste vier Zentimeter von der Spitze rückwärts nicht mehr schneidfähig, nützt es wenig, wenn man sich mit der griffseitigen Hälfte der Schneide noch rasieren kann. Mit zunehmender Länge der Klinge aber rückt ganz von selbst der Schneidradius vom Griff weg. Das Hebelverhältnis wird ungünstig und es bedarf deutlich größerer Kraft, vor allem beim Durchtrennen des Brustbeins. Als Faustregel für ein volltaugliches Jagdmesser mag demnach gelten, dass der ausgestreckte Zeigefinger die Klingenspitze noch bequem erreicht, wenn sich der Daumen am Handschutz abstützt.

Ob die Klinge nun flach oder hohl geschliffen ist, spielt für ihre Bruchstabilität und Schnitthaltigkeit eine untergeordnete Rolle, sofern die Schneidgeometrie richtig gewählt wurde. Aufgrund ihrer konkaven Flanken müssen hohl geschliffene Klingen im Rücken stärker gehalten sein als solche mit Flachschliff. Jene wiederum sind mit einer Rückenbreite von 3,5 Millimetern und einer Klingenhöhe von 2,5 Millimetern so gut dimensioniert, dass sowohl Stabilität als auch Nachschärfbarkeit gewährleistet bleiben. Bei feststehenden Messern geht übrigens der Trend wieder eher zum Flachschliff.

Jagdmesser ohne ausreichenden Handschutz sind gefährlich. Leider wird dieses für die Sicherheit des Anwenders so wichtige Element bisweilen aus Gründen des Designs sträflich vernachlässigt. Wehe aber, der Griff ist durch Weißes oder Talg rutschig geworden und die Klinge stößt unvorhergesehen auf Widerstand. Dann flutscht der Daumen schneller in die Schneide als es dem Benutzer lieb ist. Desgleichen verdient nicht jeder Handschutz diese Bezeichnung. Nur wenn ein enger Radius gewählt wurde und das Element wenigstens sieben Millimeter vom Griff wegragt, ist der Anwender auf der sicheren Seite.

Hier sind Klingenform und Klingenlänge optimal. Der Zeigefinger reicht fast bis zur Spitze, vom Rücken her kann so Druck auf den Schneideradius ausgeübt werden

 

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