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Flächenstillegung und Niederwildhege

Die Besatzdichten des Feldhasen sind von den Nordseeinseln bis zu den Alpen bekanntlich sehr unterschiedlich. Die Bandbreite der Faktoren, die auf die Höhe der Besätze entscheidend Einfluss nehmen, reicht dabei von Beutegreifern bis hin zum Wetter. Das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersucht in Niederösterreich die Bedeutung von Brachflächen für das Wohl und Wehe des Feldhasen.

 

Von Dr. Klaus Hackländer, Mag. Erich Klansek, Prof. Dr. Thomas Ruf, Prof. Dr. Walter Arnold

Wer als Jäger einmal die Ackerbaugebiete Niederösterreichs kennengelernt hat, weiß um die sehr guten Niederwildreviere dort. In Österreich werden etwa die Hälfte aller jährlich erlegten Feldhasen allein in diesem Bundesland zur Strecke gebracht. Doch auch hier gibt es gebietsweise sehr unterschiedliche Besatzdichten. Die Erforschung der Ursachen für diese Unterschiede ist eines der aktuellen Ziele des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) in Wien.

Einer der Projekt-Schwerpunkte liegt im Marchfeld, wo nunmehr im fünften Jahr in Folge vier Gebiete genauer unter die Lupe genommen werden. Die vier Untersuchungsflächen zeigen dabei zunächst viele Gemeinsamkeiten. Sie liegen in unmittelbarer Nachbarschaft, die klimatischen Verhältnisse sind vergleichbar, der Jagddruck auf Beutegreifer ist hier wie dort relativ hoch und die Bejagung der Hasen erfolgt besatz- und zuwachsgerecht. Und dennoch gab es in den letzten zwölf Jahren erstaunliche Unterschiede und Entwicklungen im Stammbesatz.

Methode der Gebärmutternarbenzählung

Ein Herzstück der Forschungstätigkeit ist die Analyse der herbstlichen Jagdstrecken. Jedes Jahr werden Alterszusammensetzung, Gesundheitszustand, Kondition und Fortpflanzungsleistung ermittelt. Die Fortpflanzungsleistung der Häsinnen wird mit der Methode der Gebärmutternarbenzählung bestimmt. Diese Methode erlaubt es, die Anzahl aller von einer Häsin in einem Jahr gesetzten Junghasen zu bestimmen. Man macht sich dabei zu Nutze, dass bei der Geburt eines Jungtieres in der Gebärmutterwand eine Narbe des Mutterkuchens zurückbleibt. Diese Narben verblassen zwar mit der Zeit, können aber durch eine spezielle Färbetechnik auch noch am Ende der jährlichen Rammel- und Setzzeit festgestellt werden. Bis zum Beginn der nächsten Reproduktionsphase wird die Gebärmutter wieder regeneriert und die Narben verschwinden. Wird also eine in der normalen Jagdsaison erlegte Häsin untersucht, so kann man demnach exakt feststellen, wie viele Junghasen von dieser Häsin in diesem Jahr gesetzt worden sind.

So kann auch die Frage beantwortet werden, ob die im zeitigen Frühjahr geborenen Junghasen schon im Jahr ihrer Geburt selbst Nachkommen haben können. Auch wenn immer wieder Gegenteiliges berichtet wird, ist dies grundsätzlich möglich. Häsinnen, die im Januar oder Februar gesetzt werden, können bereits ab einem Alter von vier Monaten geschlechtsreif sein. Im Frühjahr geborene Häsinnen sind daher theoretisch bereits im Geburtsjahr in der Lage, selbst Junghasen zu setzen. Der Anteil dieser reproduzierenden Jungtiere im Herbst ist jedoch meist sehr gering. So wurden im Jahr 2000 nur bei einer von 138 untersuchten Junghäsinnen Gebärmutternarben gefunden. Diese Häsin, die nach der Altersbestimmung anhand des Gewichts der getrockneten Augenlinse etwa im März geboren wurde, hatte insgesamt vier Junghasen gesetzt.

Unterschiedlich hohe Sterblichkeit der Junghasen

Der geringe Anteil fortpflanzungsaktiver Junghäsinnen hat zwei Gründe. Einerseits werden im zeitigen Frühjahr nur sehr wenige Junghasen geboren, die noch vor dem Herbst geschlechtsreif werden können. Andererseits ist die Überlebenswahrscheinlichkeit dieser zeitig und bei meist ungünstiger Witterung gesetzten Junghasen eher gering. Dementsprechend ergab die detaillierte Analyse der Altersstruktur der 138 Junghäsinnen, dass nur ein einziges Tier aus den Monaten Januar/Februar stammte und mit 55 Prozent der Großteil in den Monaten Mai und Juni gesetzt wurde.

Im Gegensatz zu den Jungtieren pflanzten sich 96 Prozent der älteren, mindestens einjährigen Häsinnen fort. Damit lässt sich zumindest für das untersuchte Gebiet eindeutig ausschließen, dass immer wieder diskutierte mögliche Unterschiede in der Fruchtbarkeit der Rammler für hohe oder niedrige Zuwachsraten verantwortlich sind. Weiterhin konnten wir feststellen, dass die Geburtenrate im Jahr 2000 mit 13 Junghasen pro Häsin in etwa der Fortpflanzungsleistung des Jahres 1999 mit zwölf Junghasen pro Häsin entsprach. Damit liegt die Geburtenrate in den vier Untersuchungsflächen weit über jener früherer Untersuchungen aus Niederösterreich und auch weit über den üblichen Angaben von acht bis neun Jungen pro Häsin. Dieses Ergebnis macht deutlich, wie stark die Fortpflanzungsleistung zwischen einzelnen Jahren und verschiedenen Untersuchungsflächen schwanken kann. Langfristige und revierübergreifende Forschungsprojekte sind daher für allgemein gültige Aussagen unerlässlich.

In den vier Untersuchungsflächen unterschied sich die Fortpflanzungsleistung der Häsinnen nicht. Dennoch gab es deutliche Unterschiede hinsichtlich des Junghasen-Anteils an der herbstlichen Jagdstrecke von 39 bis 64 Prozent. Da trotz vergleichbarer Fortpflanzungsleistung pro Häsin die Anteile der Junghasen an der Jagdstrecke deutlich verschieden waren, bestätigt unsere Untersuchung erneut, dass die Ursache für unterschiedliche Besatzdichten – und vermutlich auch für den Rückgang der Hasenstrecken in den letzten Jahrzehnten – auf eine gebietsweise unterschiedlich hohe Sterblichkeit der Junghasen zurückzuführen ist.

Als Ursachen für hohe Junghasenverluste kommen zahlreiche Faktoren in Frage. Einige davon sind nicht oder kaum beeinflussbar – zum Beispiel Wetter, Verkehr und Feldarbeit – andere dagegen sind sehr zeitaufwändig oder zahlreichen Auflagen unterworfen, was zweifelsohne für die Raubwildbejagung zutrifft. Relativ einfach praktikabel ist dagegen die Verbesserung der Lebensraumqualität. Vor allem diverse Flächenstilllegungsprogramme können bei entsprechender Anlage und Pflege der Parzellen ein wertvolles Instrument der Wildhege sein.

Kein ausgeprägtes Brutpflegeverhalten

Dabei sind – aus wildökologischer Sicht – Dauerbrachen höher einzustufen als einjährige Stilllegungen und so genannte Gründecken. Durch die wildfreundliche Gestaltung und Bewirtschaftung dieser Flächen kann (nicht nur) dem Feldhasen sowohl Äsung als auch Deckung geboten und damit entscheidend geholfen werden.

Häsinnen produzieren eine Milch mit einem erstaunlich hohen Fettgehalt von über 20 Prozent. Dieser hohe Fettgehalt ist für die erfolgreiche Aufzucht der Junghasen notwendig. Junghasen werden in Niederösterreich von Januar bis Oktober gesetzt. Während dieser Zeit sind sie unterschiedlichsten Witterungsbedingungen ausgesetzt. Die Lufttemperaturen zum Beispiel können in diesem Zeitraum zwischen minus 26°C und plus 38°C liegen. Da Feldhasen ihre Jungen relativ ungeschützt in einer Sasse ablegen und kein ausgeprägtes Brutpflegeverhalten zeigen, müssen die Jungtiere einen wesentlichen Teil ihrer Energiereserven für die Aufrechterhaltung ihrer Körpertemperatur beziehungsweise zur Vermeidung von Überhitzung verwenden. Das Fett in der Milch dient dabei nicht nur als Energiequelle zur Wärmeproduktion bei kalter Witterung, sondern im Hochsommer auch als „Wasserspeicher“. Da beim Abbau von einem Gramm Fett im Tierkörper 1,1Gramm Wasser entsteht, haben die Junghasen auch in trockenen Gebieten und Jahreszeiten Wasser verfügbar, mit dem sie unter anderem durch Hecheln und Einspeicheln eine Überhitzung vermeiden können.

Bei höherwertiger Energiezufuhr wachsen Junghasen schneller

Die Höhe des Fettgehaltes in der Muttermilch wiederum wird wesentlich von der verfügbaren Qualität der Äsung bestimmt. Feldhasen ernähren sich vorwiegend von Gräsern und Kräutern, vor allem den fettreichen Pflanzenteilen, wie beispielsweise den Blüten des Löwenzahns oder des Klatschmohns. Unter experimentellen Laborbedingungen zeigte sich, dass Häsinnen in der Lage sind, ihre Jungtiere mit mehr Energie zu versorgen, wenn ihnen ein fettreiches Futter zur Verfügung steht. Bei höherwertiger Energiezufuhr wachsen Junghasen schneller und sind deshalb nur kürzere Zeit einem besonders hohen Feinddruck ausgesetzt. Außerdem sind gut genährte Jungtiere widerstandsfähiger gegen Krankheiten und extreme Außentemperaturen. In der ausgeräumten, intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaft sind Gräser und Kräuter und ihre fettreichen Teile wie Blüten und Samen oder Früchte jedoch selten geworden. Brachflächen können hier zu einer entscheidenden Bereicherung des Äsungsangebotes – insbesondere für säugende Häsinnen – beitragen.

Beutegreifer wie der Fuchs haben es auf Brachflächen relativ schwer

Neben Äsung bieten Brachflächen mit lückigem und niedrigem Bewuchs bis etwa 20 Zentimeter auch gute Deckung. Auf Brachen und ähnlichen Flächen bleiben die Hasen darüber hinaus auch vom Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen weitgehend verschont. Beutegreifer wie der Fuchs haben es auf Brachflächen relativ schwer, Junghasen zu erbeuten. Insbesondere zum Zeitpunkt der Getreideernte können Brachflächen als Rückzugsräume dienen und die Überlebensrate von Junghasen deutlich erhöhen.

Den Erwartungen entsprechend konnten wir in den Untersuchungsrevieren feststellen, dass mit dem Anteil an Brachflächen auch die Anzahl der Junghasen in der Strecke stieg. Die höhere Überlebenswahrscheinlichkeit der Junghasen in Revieren mit zahlreichen „Ökoflächen“ führt konsequenterweise zu höheren Bestandszuwächsen. Durch die wildfreundliche Gestaltung und Bewirtschaftung von Brachflächen sowie ein nachhaltiges Jagdmanagement kann in der Praxis damit nicht nur der Stammbesatz, sondern auch die Jagdstrecke erhöht werden. Bei bisher nur vier untersuchten Flächen sind die beobachteten Zusammenhänge zwischen Brachflächenanteil, Stammbesatz und Altersstruktur ob des geringen Stichprobenumfangs allerdings noch mit Vorbehalten behaftet. Sie müssen deshalb durch Vergleiche mit weiteren Revieren erhärtet werden.

Verbesserte Lebensbdingungen

Trotz der notwendigen Vorsicht mit Schlussfolgerungen aus kleinen Stichproben, die seriöse Wissenschaftlichkeit gebietet, sind positive Auswirkungen von Brachflächen nicht nur ökologisch plausibel, sie decken sich auch mit unseren Laboruntersuchungen zur Bedeutung eines vielseitigen und optimalen Nahrungsangebotes für die Fortpflanzungsleistung des Feldhasen. Es spricht also alles dafür: Wildtiergerecht gestaltete Brachflächen sind ein wichtiges Instrument der Hege, verbessern die Lebensbedingungen (auch) für den Feldhasen entscheidend und ermöglichen dadurch seine nachhaltige jagdliche Nutzung.

Bedeutung der Brachflächen in der Kulturlandschaft im Detail untersuchen

Nach wie vor ist jedoch unklar, welche Wirkungsgefüge für den positiven Effekt der Brachen verantwortlich sind. In einem von der Deutschen Wildtier Stiftung geförderten Projekt (www.deutschewildtierstiftung.de) soll in den nächsten Jahren die Bedeutung der Brachflächen in der Kulturlandschaft im Detail untersucht werden. Das vorrangige Ziel dieses Projektes ist es, den optimalen Anteil und eine positive räumliche Verteilung von Brachflächen für den Feldhasen in intensiv genutzter Agrarlandschaft zu bestimmen. Die zu erwartenden Ergebnisse sind daher für das zukünftige Management des Lebensraumes „Landwirtschaftliche Nutzfläche“ im Hinblick auf die Vereinbarkeit von agrarischer Produktion und der Erhaltung der Wildtierfauna von großer Bedeutung.

Die vorgestellte Untersuchung wurde durch die Jagdgenossenschaften Lassee, Zwerndorf und Oberweiden tatkräftig unterstützt und durch das Österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, die Stadt Wien, den Niederösterreichischen Landesjagdverband und der Abteilung Kultur und Wissenschaft des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung finanziell gefördert.

Auch in Niederösterreich wird das Gros der Junghasen im Mai und Juni gesetzt. Die Zahl der im Januar und Februar geborenen Hasen ist sehr gering. Nur die wenigsten von ihnen überleben

 

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