Ähnlich wie für den Luchs suchen Forscher auch für die Wildkatze deutschlandweit nach
geeigneten Lebensräumen. Sie sehen zwei Möglichkeiten für eine neue Ansiedlung dieser Wildart: entweder durch natürliche Rückkehr aus ihren jetzigen Territorien oder durch Aussetzen. Fachleute meinen, das nordostdeutsche Tiefland biete dazu optimale Voraussetzungen.
Von Siegfried Rieger, A. Büchner, Burkhard Stöcker
Die Wildkatze gehört auch im nordostdeutschen Tiefland zu den ursprünglich vorkommenden Wildarten. Die wahrscheinlich letzte Wildkatze Mecklenburgs wurde 1812 im Müritz-Gebiet erlegt. Etwa ab 1888 erlosch das Wildkatzenvorkommen im Bereich des heutigen Brandenburgs. Eine Wiederbesiedelung geeigneter Lebensräume im nordostdeutschen Tiefland durch Zuwanderung aus bestehenden Populationen wird als unwahrscheinlich angesehen (Goretzki 1995) – die nächsten Vorkommen sind zu weit entfernt. Und zwischen ihren heutigen Territorien und dem nordostdeutschen Tiefland liegen Lebensbereiche, die für Wildkatzen völlig ungeeignet sind.
Ausreichende Vorraussetzungen für überlebensfähige Population?
Das Fachgebiet Wildbiologie und Jagdbetriebskunde der Fachhochschule Eberswalde hat untersucht, inwieweit das nordostdeutsche Tiefland zur Wiederansiedlung der Wildkatze geeignet ist. Folgende Fragen standen dabei im Vordergrund: Gibt es in diesem Bereich Gebiete, deren natürliche Verhältnisse den Mindestanforderungen der Wildkatze entsprechen? Bieten sie ausreichend Nahrung sowie eine in sich geschlossene Ausdehnung als Minimum-Areal für eine langfristig überlebensfähige Population der Wildkatze?
Fazit: Es gibt sieben Großräume, die sich für eine Wiedereinbürgerung der Wildkatze in optimaler Weise eignen. Sie sind qualifiziert wegen ihrer reich gegliederten Landschaft (großräumige, störungsarme Waldgebiete) mit vielfältiger Strukturierung, mit zahlreichen für Wildkatzen bedeutenden Saum-Biotopen und einem ausreichenden Beuteangebot (Kleinsäuger). Dies sind zum einen die vernetzten Großräume der Mecklenburgisch-Brandenburgischen Seenplatte mit dem Naturpark Nossentiner Schwinzer Heide, dem Naturpark Uckermärkische Seen, dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin (3), dem Ruppiner Land (2) und dem Müritz-Gebiet (1).
Durch die Vernetzung dieser Gebiete untereinander könnten dort zwischen 500 und 1300 Wildkatzen potenzielle Lebensräume finden. Auch die Großräume Zossen-Teubitzer Platten- und Hügelland (5), Naturpark Dahme-Heideseen mit dem nördlichen Abschnitt des Biosphären-Reservats Spreewald (6) und der Naturpark Schlaubetal weisen ausreichende Vernetzungen auf und würden etwa 140 bis 400 Wildkatzen genügend Raum und Beute bieten.
Die Colbitz-Letzlinger Heide (4) könnte zwischen etwa 40 und 110 Tiere aufnehmen. Allerdings weist dieses Gebiet aufgrund zahlreicher Verkehrswege eine deutliche Verinselung auf. Eine langfristige Etablierung einer stabilen Population in diesem Gebiet wäre nur durch eine Besiedelung auch umliegender Randbereiche möglich.
Akzeptanz durch die Bevölkerung vorhanden?
Aus der Lebensraum-Analyse geht deutlich hervor, dass das nordostdeutsche Tiefland gut geeignet ist, um der Wildkatze in diversen, sich austauschenden Populationen ein langfristiges Überleben zu ermöglichen. Die analysierten Großräume unterliegen wie alle Naturräume einer ständigen Dynamik. Dabei stehen wildkatzenförderliche Entwicklungen, wie die Waldumbauprogramme der Landesforstverwaltungen oder die durch Klimaerwärmung bedingten schneeärmeren Winter einem ständig wachsendem Verkehrsaufkommen einschließlich der zunehmenden Erschließung als Gefährdung gegenüber.
Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Wiederansiedelung der Wildkatze im nordostdeutschen Tiefland ist natürlich die Akzeptanz durch die Bevölkerung und verschiedener Interessengruppen wie zum Beispiel der Jägerschaft. Eine Befragung durch die Fachhochschule Eberswalde in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zeigt hinsichtlich der Wildkatze eine hohe Akzeptanz – auch bei der Jägerschaft.