In dreierlei Hinsicht sorgt der Harz immer wieder für Diskussionen: durch die ansehnlichen Ergebnisse seines Rotwildrings, durch das umstrittene Aussetzen von Luchsen und durch eine der größten Wildkatzen-Populationen Deutschlands.
Die Wildkatze schickt sich an, einst verlorene Waldgebiete im Harzvorland erneut dauerhaft zu besiedeln |
Von Prof. Dr. Michael Stubbe, Dr. Annegret Stubbe
Die dem Harz nördlich vorgelagerten Waldinseln der Magdeburger Börde waren wiederholt Auffangebiete abwandernder Wildkatzen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts reichte ihre Verbreitung bis in den Stadtforst Neuhaldensleben, nördlich der Linie Helmstedt-Magdeburg. Ein Beleg aus dem Jahre 1863 befindet sich im Berliner Zoologischen Museum. Dr. Rudolf Piechoki, Verfasser der im Ziemsen Verlag erschienenen Wildkatzenmonografie (1990) zitiert aus Protokollen des „Allervereins“, wonach von 1866 bis 1868 beim Forsthaus Eiche und im Revier Altenhausen je eine Wildkatze zur Strecke kam.
Über eine der letzten erlegten Wildkatzen des Hakel – etwa 40 Kilometer weiter südlich – wird 1876 berichtet: „Ein junges Weibchen wurde vom Forstkandidaten Gallasch im Kleinen Hakel erlegt“. Weitere Wildkatzen-Nachweise aus dem Hakel wurden in den Jahren 1858 und 1894 verzeichnet. Im Kreis Haldensleben fand Piechoki Nachweise aus dem Revier Erxleben (1896, 1899, Quelle: Deutsche Jägerzeitung 1899/1900). Weitere Pressemeldungen über erlegte Wildkatzen im selben Landkreis datieren von 1883 (Bartensleben) und 1906 (Wegenstedt). In Brehms Tierleben (1890) ist nachzulesen, dass in der Letzlinger Heide eine Wildkatze beim Fuchsgraben erbeutet wurde.
Anhäufung der Wildkatzen-Nachweise
Am nördlichen Harzrand ist die Wildkatze auch in der Folgezeit wohl ständig mehr oder weniger regelmäßig vorgekommen. 1931 wurde ein Exemplar bei Benzingerode gefangen, das anschließend in den Zoo kam. Aus dem nördlichen Harzvorland dagegen war die Wildkatze verschwunden.
Mit den großen Kahlschlägen im Harz nach 1945 nahm die Wildkatze offenbar infolge reicher Nahrungsgründe wieder zu, und einzelne Exemplare erreichten erneut das Harzvorland. Bereits 1946 wurden am Fallstein eine junge Katze und ein alter Kuder gefangen. Im Jahre 1959 wurde im gleichen Gebiet erneut ein Paar Wildkatzen beobachtet, von dem der Kuder als Beleg an das Zoologische Institut der Universität Halle kam. Ebenfalls Ende der 50er Jahre wurde ein Exemplar nördlich von Blankenburg im Osterholz erlegt. Im November und Dezember 1962 wurden zwei Kuder wiederum am Fallstein gefangen (Habichtsfang). Zwei weitere Wildkatzen – ein junger und ein alter Kuder – kamen im November 1969 bei Osterwieck (Zilly) und im November 1979 bei Halberstadt zu Tode. Beide wurden erlegt und kamen ins Zoologische Institut in Halle, das als Untersuchungszentrale für vom Aussterben bedrohte Tierarten fungierte. Auch im östlichen und südlichen Harzvorland häuften sich in den 70er und 80er Jahren die Wildkatzen-Nachweise. Auffallend ist die Häufung der Meldungen im Herbst, wo es offenbar zu verstärkten Wanderungen kam.
Die erste wieder im Hakel gesicherte Wildkatzenbeobachtung (an einem Dachsbau), datiert vom 31. November 1982, war seinerzeit ungläubig registriert worden, da trotz intensiver Forschungsarbeiten in diesem Gebiet keine weiteren Wildkatzen beobachtet wurden. Seit Mitte der 90er Jahre hat die Wildkatze, 100 Jahre nach der letzten Erlegung, wieder bestandsbildend im Hakel Fuß gefasst. Im Herbst 1996 wurden die ersten kontinuierlichen Beobachtungen gemacht. In den Waldrandbereichen sowie in allen Revierteilen wurden regelmäßig Alt- und Jungkatzen sowie je ein Geheck von vier beziehungsweise drei Jungen gesehen. Letztere wurden im Jahr 2000 beim Mähen eines am Hakel angrenzenden Rapsschlags registriert. Am 10. Mai 2001 wurden in einem Waldkauz-Nistkasten eine Altkatze mit zwei etwa zweieinhalb Wochen alten Jungen gefunden.
Derartige Wurfplätze werden offenbar gern angenommen. So liegen entsprechende Beobachtungen zum Beispiel auch aus Belgien und der Schweiz vor, wo in der Nähe von Genf im Mai 1978 ein Weibchen mit drei Jungen einen Nistkasten bewohnte. In Burgund fanden Biologen bei 1000 Kontrollen von 75 Waldkauzkästen drei Wurf- und vier Ruheplätze der Wildkatze.
Außer im Hakel scheint die Wildkatze auch im Huy – einem Waldgebiet zwischen Fallstein und Halberstadt, etwa 20 Kilometer westlich des Hakel – wieder Fuß gefasst zu haben. Zu sämtlichen Daten liegen entsprechende Literaturangaben vor, die bei den Autoren erfragt werden können (Seuffstr. 22 a, 06120 Halle).
Zu den Wurfplätzen der Wildkatze im nördlichen Harzvorland zählen unter anderem ein Wildkautznistkasten |