Kommt der Braunbär in den deutschen Alpenraum zurück? Fachleute sind skeptisch.
Eine Zuwanderung könnte zur Zeit nur aus Österreich erfolgen. Wie sieht die Situation dortund in den Nachbarstaaten aus?
Ein Foto aus dem bayrisch-österreichischen Grenzgebiet? Natürlich nicht. Einige Wissenschaftler halten das Gebiet aber für Bären geeignet |
von Petra Kaczensky und Felix Knauer
Bis in die 60er Jahre hinein wurden Bären, die aus Slowenien oder Kroatien in die österreichischen und italienischen Alpen zuwanderten, konsequent erlegt. Heute jedoch verpflichten internationale Abkommen wie die Berner Konvention und die Flora Fauna Habitat Richtlinie (FFH) der Europäischen Union die Mitgliedsstaaten zum aktiven Schutz des Braunbären. Hinzu kommen nationale Schutzbestimmungen.
Die slowenische Bärenpopulation stellt derzeit die einzige Quelle für eine natürliche Wiederbesiedlung der Alpen dar. Das Land ist in Bären-Management-Zonen aufgeteilt. In einem 5320 Quadratkilometer großen „Bärenkerngebiet“ im Süden werden die Bären nach einem Quotensystem vom 1. Oktober bis 31. April bejagt. Außerhalb dieses Gebietes wurden Bären nicht geduldet. Der Waldanteil ist dort geringer, die Bevölkerungsdichte höher und es werden weit mehr Haustiere, besonders Schafe gehalten. Bis 1991 konnten Bären außerhalb des Kerngebietes jederzeit bejagt werden.
Durch das internationale Interesse an der Wiederbesiedlung der Alpen durch Bären wurde diese Politik jedoch 1992 fallengelassen. Seitdem sind die Bären außerhalb des Kerngebietes geschützt. Nur in Ausnahmefällen werden Genehmigungen zum Abschuss von Problembären erteilt. Für Schäden an Haustieren gibt es seit 1994 ein einheitliches Vorgehen, und das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft ersetzt die Schäden.
Geringe Scheu vor dem Menschen
Ein drastischer Anstieg der Übergriffe von Bären auf Schafe und anderen Bär-Mensch-Konflikten wird seit 1995 in Slowenien beobachtet. Dies heizte die öffentliche Diskussion um die Zukunft des Bären in Slowenien stark an, und der Bär wurde zum Politikum. Auf Grund des öffentlichen Drucks wurden zahlreiche Sondergenehmigungen zum Abschuss von Bären außerhalb des Bärengebietes im Alpenraum erteilt.
Eine 1998 in Slowenien durchgeführte Umfrage zeigte, dass es in der Bevölkerung und bei den Jägern keine Unterstützung für ein weiteres Anwachsen der Bärenpopulation gibt. Obwohl der Bär eigentlich eine hohe Wertschätzung genießt, stimmten nur fünf Prozent der Jäger und 19 Prozent der örtlichen Bevölkerung einer weiteren Zunahme der Bärenpopulation zu. Schäden an Haustieren und die Angst vor Übergriffen auf Menschen sind die Hauptmotivation für diese Haltung.
In Österreich war der Braunbär nie wirklich ausgestorben, sein Vorkommen aber auf einzelne Zuwanderer aus Slowenien beschränkt. Der Abschuss eines Bären im Jahre 1971 löste heftige Proteste aus, so dass der Bär in ganz Österreich unter Schutz gestellt wurde. 1972 wanderte ein einzelner Bär – wiederum aus Slowenien – nach Niederösterreich ein, bis in das Gebiet um den Ötscher Hochschwab südwestlich von Wien. Der unauffällige „Ötschbär“ wurde zum Symbol und zum Beweis, dass Österreich bärentauglich ist.
Um dem alten „Ötschbären“ Gesellschaft zu leisten und eine österreichische Bärenpopulation aufzubauen, wurden auf Initiative des WWF Österreich zwischen 1989 und 1993 im Gebiet um den Ötscher Hochschwab drei Bären aus der Slowenisch-Kroatischen Population (zwei Weibchen und ein Männchen) wiedereingebürgert.
Die Wiedereinbürgerung lief gut an, die Bären verursachten fast keine Schäden und schon 1991 stellte sich zum ersten Mal Nachwuchs ein. 1994 kam es dann aber zu bisher unbekannt hohen Schäden, sowie zu zahlreichen Beobachtungen und Begegnungen von oder mit Bären, die nur geringe Scheu vor dem Menschen zeigten. In den Medien überschlugen sich die Meldungen und die zuvor positive Stimmung, drohte ins Gegenteil zu kippen.
Keine Akzeptanz für Wiedereinbürgerung
In Notwehr wurde ein Bär von einem Jäger erlegt, ein weiterer mit behördlichem Abschussbescheid zur Strecke gebracht. Die Schäden gingen danach weitgehend zurück. Die Behörden und die Öffentlichkeit aber waren verunsichert. Vor dem Hintergrund dieser Vorfälle reichte der WWF Österreich in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft in Wien und der ehemaligen Wildbiologischen Gesellschaft München einen Antrag zum Bärenschutz in Österreich bei der Europäischen Union ein. 1995 wurde der Antrag genehmigt, und die drei Institute erarbeiteten als „Arbeitsgemeinschaft Braunbär Life“ zusammen mit den betroffenen Interessensvertretern einen Managementplan für den Bären in Österreich.
Kernstück des Managementplans war die Berufung einer Koordinierungsstelle, in der die Jagd- und Naturschutzvertreter sowie einige Bärenfachleute vertreten sind. Die Koordinierungsstelle soll die Richtung im Bärenmanagement vorgeben. Zusätzlich wurden „Bärenanwälte“ als Ansprechpartner für die Bevölkerung und zum Monitoring der Bären eingesetzt. Für den Umgang mit Problembären wurde eine Eingreiftruppe aufgestellt, deren Mitglieder geschult sind, im Konfliktfall Bären zu fangen, zu besendern und zu vergrämen. Weiterhin wurden einheitliche Kompensationszahlungen sichergestellt und Informationsmaterial veröffentlicht.
Seitdem haben sich die Vorfälle von 1994 nicht wiederholt. Immer wieder aber gab es Bären, die durch wenig scheues Verhalten auf sich aufmerksam machten. Die Ängste der Bevölkerung scheinen sich weitgehend gelegt zu haben, doch gibt es für weitere Wiedereinbürgerungen zur Zeit keine Akzeptanz.
Obwohl es in der österreichischen Bärenpopulation regelmäßig Nachwuchs gibt, scheint sich der Bestand nicht oder nur unmerklich auszubreiten. Die Gründe hierfür sind unklar, der Verbleib der Jungbären ist ungewiss. Seit 1998 wird der Bestand auf etwa 25 bis 30 Bären geschätzt.
Schutz der Bären koordinieren
Im italienischen Trentino hat die letzte bodenständige Alpen-Bärenpopulation überlebt. Seit 1989 gab es jedoch keinen Nachwuchs und 1998 wurde der Bestand auf nur noch drei Tiere geschätzt. Schon vorher aber war klar, dass diese Population ohne Wiederaufstockung aussterben würde. Eine Machbarkeitsstudie ergab, dass die Gegebenheiten in der Provinz Trento und ihrer Umgebung eine sich selbst erhaltende Population von mehr als 50 Bären tragen könnte. Weiterhin wurde bei der örtlichen Bevölkerung eine hohe Akzeptanz für die Wiedereinbürgerung von Bären festgestellt.
1999 wurden die ersten zwei Bären in Slowenien gefangen und im Naturpark Adamello Brento mit Telemetrie-Sendern versehen wieder freigelassen. Beide verhielten sich „mustergültig“, so dass im Jahr 2000 weitere drei Bären freigelassen wurden. Die Tiere werden mindestens zwei mal pro Tag geortet und halten sich in einem etwa 6500 Quadratkilometer großen Areal im und um das Gebiet des Naturparkes Adamello-Brenta auf. Die Schäden sind mit etwa 2000 Euro bisher gering und werden durch die Provinz geregelt.
Man hat sich die Erfahrungen aus Österreich zu eigen gemacht und ebenfalls eine Eingreiftruppe aufgebaut, die einen Bären, der mehrfach in Ortsnähe gesehen wurde, auch vergrämte. Die Bevölkerung steht dem Projekt nach wie vor positiv gegenüber.
Es gibt also wieder eine kleine Bärenpopulation im Trentino und in den österreichischen Zentralalpen. Zudem wanderen einzelne Bären aus Slowenien nach Italien und Österreich ein. Doch wie steht es um eine mögliche Verbindung der aktuellen Bärenvorkommen?
Wissenschaftler entwickelten ein Habitatmodell, das zeigt, dass in den Ostalpen nach wie vor geeignete Gebiete für den Braunbären existieren. Dazu gehören das Dinarische Gebirge in Kroatien und Süd-Slowenien, die Nordost-Alpen sowie Gebiete entlang der bayerisch-österreichischen Grenze.
Schaut man sich die Verteilung der geeigneten Bärenhabitate in den Ost-Alpen an, so scheint es sinnvoll, dass alle beteiligten Länder, einschließlich Slowenien und Kroatien, ihre Anstrengungen zum Schutz der Bären koordinieren. Die föderalistischen Länder Österreich und Italien sind immer noch auf dem Weg, eine landesweite Managementstrategie zu erstellen, und in Deutschland hat bis heute kaum jemand einen Gedanken an die Zuwanderung einzelner Bären in naher Zukunft verschwendet.
Zukunft hängt von Slowenien ab
In Slowenien und Kroatien streiten derzeit Behörden und Verbände über Ziele und die weitere Vorgehensweise im Bärenmanagement. Es gibt neue Jagdgesetze mit neuer Kompetenzaufteilung, weite Teile der Wälder wurden reprivatisiert, die Bedeutung nichtbehördlicher Institutionen steigt. Das alte Bärenmanagement – hauptsächlich jagdlich ausgerichtet – wird mit neuen Problemen konfrontiert. Dazu gehört der Verlust der öffentlichen Akzeptanz durch vermehrte Schäden an Haustieren und Unfällen mit Menschen.
Die Strategie Österreichs ist von der weiteren Zuwanderung aus Slowenien abhängig, da die derzeitige öffentliche Meinung keine weitere Aussetzungen zulässt. Zwar unterstützt Slowenien die Ausbreitung der Bären im eigenen Land nach Norden, doch wird durch den starken Anstieg der Schafschäden diese Politik nun in Frage gestellt. Es ist immer wahrscheinlicher, dass Slowenien zur alten Politik (vor 1992) zurückkehrt und Bären nur in den geeignetsten Gebieten im Süden toleriert.
Die Populationen in Österreich und Italien sind nach wie vor sehr klein und auf eine Verbindung mit der großen Population in Slowenien angewiesen. Die Zukunft der Bären dort hängt also maßgeblich vom Bärenmanagement in Slowenien ab.