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Willi nimmt’s gelassen

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Ausbildung im Schwarzwildgatter:
Ende September wurde im brandenburgischen Bad Feienwalde das Seminar
„Bewegungsjagd auf Schalenwild unter Einsatz von Jagdgebrauchshunden“
abgehalten. Kernpunkt der Veranstaltung war die tierschutzgerechte Einarbeitung der Hunde im Schwarzwildgatter. Markus Wörmann war dabei und stellt „Willi“ vor, den wahrhaft Größten im Gatter.

 

Von Markus Wörmann

Willi blinzelt mit einem etwas überheblichen Gesichtsausdruck in die Runde. Die große Ansammlung von Menschen bringt ihn nicht aus der Ruhe, weckt höchstens Interesse. Aber selbst das nicht im Übermaß: „Willi“ kommt an den Zaun, steckt seinen Wurf den Leuten entgegen, merkt aber schnell, dass hier für ihn nichts zu holen ist. Und nur zum „Waffenvergleich“ tritt er hier nicht an. Gelassen zieht der dreijährige Keiler weiter, schiebt sich erst einmal in Sichtentfernung unter die Büsche. So wie „Willi“ mit seinen drei Zentnern zieht, verharrt und äugt, ist in jedem Augenblick klar, mit welcher Gelassenheit er seiner Aufgabe im Gatter entgegensieht.

Die Anforderungen für eine effektive Jagd haben sich nicht geändert

Die Schwarzwildgatter in Brandenburg haben, wie früher in der gesamten ehemaligen DDR, eine lange Tradition. Nach dem Krieg waren die Jäger schlecht bewaffnet, kaum jemand war in der Lage, das Schwarzwild effektiv zu bejagen: Die Bestände explodierten. Als Kugel und Brenneke wieder zu haben waren, konnte allein durch den Ansitz nicht genügend Schwarzwild erlegt werden. Alternative Bejagungsmethoden mussten her, Drückjagden sollten den gewünschten Erfolg bringen. Den erfahrenen Waidmännern war klar, dass dies nur mit guten Hunden zu machen ist. Gute Jagdhunde bedeutete, dass die Vierbeiner nicht blindlings ins Treiben geschickt wurden. Sie mussten eingearbeitet sein, um an dem wehrhaften Wild nicht aufgerieben zu werden. So richteten die Jäger der damaligen DDR etwa Mitte der 50er Jahre so genannte Schwarzwildgatter ein.

Auch wenn dies ein halbes Jahrhundert her ist, haben sich die Anforderungen für eine effektive Bewegungsjagd auf Schwarzwild nicht geändert: Die Hunde sollen das Wild in seinen Einständen finden, es in Bewegung und somit vor die Schützen bringen. Nicht mehr und nicht weniger. Wie es heute um die Schwarzwildbestände in Deutschland steht, ist hinlänglich bekannt. Unlängst forderte Rheinland-Pfalz jedes Revier auf, sich an zwei bis drei Bewegungsjagden zu beteiligen, um der Sauen Herr zu werden. Mit keiner Silbe wird dabei erwähnt, wie diese Jagden denn nun im Detail auszusehen haben. Klar scheint aber zu sein, dass etwas – in diesem Fall Schwarzwild – bewegt werden muss.

Und genau an dieser Stelle setzte das Seminar des Landesjagdverbandes Brandenburg an. „In der gegenwärtigen Situation gibt es keine Alternative zum Hundeeinsatz auf Bewegungsjagden“, womit Professor Hans Wunderlich auf den tierschutzrechtlichen Aspekt einging. Denn das Tierschutzgesetz fordert, dass „keine, die Integrität der Tiere weniger beeinträchtigende Maßnahme mit gleicher Effektivität in Betracht kommen darf“. Wunderlich sprach dabei nicht wie der Prophet vom Berg, um die Seminarteilnehmer auf den vermeintlich rechten Pfad zu bringen: „Ich sehe heute eine Versammlung von Tierschützern mit hohem ethischen Anspruch vor mir.“ Gerade die Jäger würden die Übereinstimmung mit dem Tierschutz immer wieder suchen. „Doch tierschutzrechtliche Vorgaben müssen praktikabel sein“, so der Veterinär. Man könne nicht die Regulierung der Schwarzwildbestände fordern, ohne den Hundeführern die Möglichkeit zu geben, ihre Jagdhelfer auf diese Aufgabe vorzubereiten. Frank Oeser von der Obersten Jagdbehörde Brandenburgs konnte dies angesichts einer Vorjahresstrecke von etwa 79 000 Schwarzkitteln nur unterstreichen. Es sei bei Ansitzdrückjagden von besonderer Bedeutung, wie die Hunde auf die Begegnung mit Sauen vorbereitet sind, beispielsweise durch die kontrollierte Einarbeitung im Schwarzwildgatter. Oeser begrüßte es, dass diese Ausbildungsmöglichkeit im wenige Tage vorher verabschiedeten Landesjagdgesetz verankert wurde. Für den Jagderfolg sei entscheidend, dass die Hunde die Sauen so bedrängten, dass sie in Bewegung gerieten. „Unsere Hunde müssen den Frischling nicht apportieren oder den Überläufer packen und halten“, so Oeser. In Gattern könnten sie lernen, mit gesundem Respekt den Sauen zu begegnen.

Der Engländer macht seinem Namen alle Ehre

Inzwischen hat sich „Willi“ von seiner kurzen Siesta erhoben und zieht durch das 1,5 Hektar große Gatter – eigentlich schleicht er eher. Dass sich der feiste Keiler in keinster Weise apportieren ließe, steht außer Frage. An das Packen und Halten mag bei einem geschätzten Lebendgewicht von etwa 150 Kilogramm auch so recht niemand glauben. Die Teilnehmer sind gespannt, wie der erste Hund im Schwarzwildgatter arbeitet. Zur Überraschung einiger kommt ein Pointer zum Einsatz. Der Engländer macht seinem Namen aller Ehre und sucht mit hoher Nase das Areal ab, findet „Willi“ nach etwa einer Minute in der Dickung. Laut erklingt, der Pointer hat den Keiler gestellt. Die Zuschauer horchen gespannt dem Standlaut und den Kommentaren des Gattermeisters Conrad Philipps: „Sie hören, dass der Pointer unseren Willi nicht bewegen kann.“ Nach kurzer Stellzeit gibt der Hund auf und kehrt zu seiner Führerin zurück. Sie schickt ihn ein zweites Mal, allerdings mit dem gleichen Ergebnis. Nur bedingt geeignet für die Stöberjagd auf Schwarzwild, lautet das Urteil des dreiköpfigen Richtergremiums, bestehend aus Conrad Philipps, Hans-Karl Seifert und Peter Urban. Allesamt sind sie Gattermeister der ehemaligen DDR, erfahrene Ausbilder und Richter im Jagdgebrauchshundlager.

Kontrollierte Einarbeitung

„Bevor ich ein Gatter führen beziehungsweise leiten durfte, musste ich in der DDR eine Prüfung als Gattermeister ablegen“, so Philipps. Neben der Haltung der Tiere ging es dabei vor allem um die einzelnen Ausbildungsschritte zum schwarzwildtauglichen Jagdhund. Seiner Meinung nach, ist es verantwortungslos, rohe, völlig unerfahrene Hunde auf der Saujagd einzusetzen, da die Gefahr von Verletzungen oder Tod bestehe, wenn sich die Hunde blindlings einer Sau nähern. „Die kontrollierte Einarbeitung unserer Jagdhunde in einem Schwarzwildgatter ist eine gute Voraussetzung“, erläutert Philipps die Notwendigkeit dieser Ausbildung. Es sei eine völlig irre Ansicht, dass ein Hund von vornherein an Sauen arbeite: „Unser Hund muss lernen, die unangenehm riechende Krähe zu apportieren, den stinkenden Iltis zu fassen und den Überläufer zu stellen.“ Für den Gattermeister beginnt die Ausbildung zum Stöberhund auf Sauen breits im Welpen- und Junghundalter. Die Wittrung von Schalenwild, insbesondere Schwarzwild, muss für den angehenden Jagdhund etwas Normales sein, er darf sie nicht als negativ empfinden. Wann immer eine Schwarte zur Hand ist, wird sie zum Mittelpunkt des Welpenspielplatzes. Dabei sollte der Nachwuchs von der Hündin an das Objekt Sau herangeführt werden. Steht das Muttertier der Schwarzwildwittrung mit Ablehnung gegenüber, übernehmen die Welpen diese Verhalten unter Umständen.

Für die eigentliche Einarbeitung der Jagdhunde im Gatter reichen zwei bis vier Übungseinheiten in den meisten Fällen aus, so Conrad Phillips. Die erste Begegnung mit dem wehrhaften Wild dient alleine dazu, den Hund olfaktorisch und visuell mit der Sau in Kontakt zu bringen. Er soll keine Angst vor diesem, dem Hund körperlich überlegenen Wild aufbauen. Wobei wir wieder bei „Willi“ wären, dem Gatterkeiler. Der stört sich nicht weiter an bellenden Hunden. Solange sie ihm nicht zu nahe kommen. Dann startet er schon mal einen Scheinangriff, aber nur bis der Störenfried wieder auf angemessene Distanz gebracht ist. Alles, was darüber hinaus geht, scheint für „Willi“ Energieverschwendung zu sein. Der Hund lernt aber dadurch, die Wehrhaftigkeit des Schwarzwildes zu akzeptieren. Er muss keinen direkten körperlichen Kontakt mit der Sau haben, um instinktiv zu wissen, dass dieser mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein könnte.

Die Hunde müssen unterstützt und motiviert werden

Wenn der Hund ein zweites Mal im Gatter arbeitet, sollen die positiven Erlebnisse verstärkt werden. Unter Anleitung des Hundeführers wird das Folgen der Saufährte vertieft, denn der Keiler neigt dazu, sich im Dickicht zu verstecken. Bei weiteren Übungen sollen die Selbstständigkeit, die Taktik und das Selbstvertrauen ausgebaut werden, wobei der Laut des Hundes gefördert werden muss. Es sei außerordentlich wichtig, sagt Gattermeister Philipps, dass man den Hund bei den ersten Übungen unterstützt und motiviert. Er dürfe aber nicht verknüpfen, dass immer, wenn er ein Stück stellt und verbellt, der Führer herbeieilt und ihm hilft. Nach den ersten gefestigten Übungen müsse der Hund solange geschickt werden, bis er die Sau aus der Dickung gedrückt hat, erklärt Philipps. Nur so werde der Hund für die Praxis tauglich. Aber auch für den Hundeführer gibt es bei den Übungen etwas zu lernen. Er muss für die jagdliche Praxis an Hand des Lautes unterscheiden können, was der Hund gerade in der Dickung macht: Gibt er Standlaut, zieht er mit dem Stück, oder ist er auf einer Fährte.

Geeignet

Für die Arbeit im Schwarzwildgatter ist von den Brandenburger Jägern eine Benotungsrichtlinie erarbeitet worden, um die fachgerechte Ausbildung zu dokumentieren. Danach bekommt der Hund eine Überprüfungszeit seiner Leistungen von maximal zehn Minuten zugestanden. In dieser Zeit muss er innerhalb der ersten fünf Minuten gefunden haben, in den restlichen fünf Minuten hat der Hund mindestens drei Minuten durchgehend am Stück zu arbeiten, sprich zu verbellen, aus der Dickung zu drücken und zu stellen. Sein Verhalten in diesem Zeitraum entscheidet letztlich, ob der Hund als geeignet, bedingt geeignet oder nicht geeignet für den Einsatz auf Schwarzwildjagden gilt. Die Mehrzahl der fünf Hunde, die „Willi“ an diesem Tag zu Besuch hat, bekommen nur das Prädikat „bedingt geeignet“, denn der gute „Willi“ erweist sich als sehr standorttreu. Erst als ein Kurzhaarteckel zum Einsatz kommt, bemüht sich der Keiler gemächlichen Schrittes aus der Dickung. Was zuerst so aussieht, als würde „Willi“ den Teckel vor sich herschieben, erweist sich als unermüdliche Arbeit am Stück. Der kleine Hund wuselt um „Willi“ herum, gibt Laut und zeigt den begeisterten Zuschauern, was Passion auf vier „Stümpfen“ sein kann.

Die Ausbildung entspricht in allen Belangen den Kriterien des Tierschutzes

Wunderlich betonte, dass es bei der Einarbeitung der Hunde an Schwarzwild nicht um die Abrichtung auf Schärfe geht: „Sie dient einzig und alleine der Verhaltensanpassung.“ Damit machte der Veterinär deutlich, dass die Ausbildung an der lebenden Sau in allen Belangen den Kriterien des Tierschutzes entspricht, denn den Gattersauen würden weder Schmerzen, noch Stress oder gar Schäden zugefügt. „Wir müssen aber auch den Mut haben, diese Dinge Außenstehenden zu zeigen und zu erklären“, appelliert Wunderlich an das Jagdhundelager. Unterstützung findet er dafür zur Zeit im Landesjagdverband Brandenburg, dessen Präsident Dr. Wolfgang Bethe eine Fortsetzung des Seminars für 2004 in Aussicht stellte.

„Willi“ und seine Arbeitskollegen werden sich bis dahin anderen Dingen im Nachbargatter widmen können, denn in der Rausch- und Frischzeit ist das Schwarzwildgatter für Hunde tabu.

Sie stehen hinter der Ausbildung im Schwarzwildgatter: Dr. Wolfgang Bethe, Präsident LJV Brandenburg, Gattermeister Conrad Phillips und Jagdkynologe Professor Hans Wunderlich

 

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