Blattjagd:
Wer die Möglichkeit hat, seine Böcke richtig zu bejagen, der hat zur Rehbrunft noch genügend frei, um die Feinheiten der Blattjagd zu genießen. Jetzt, Anfang August kommt die hohe Zeit dieser attraktiven Jagdart – auch wenn Klaus Demmel der Meinung ist, etwas früher hätte schon was gehen können. Aber lesen Sie selbst!
Von Klaus Demmel
Wo bringst du denn den schon wieder her? Oder „der muss eine besondere Art von Wurzel in der Tasche haben, dass ihm alle Rehböcke nachlaufen.“ So oder so ähnlich klingen die Worte meiner Jagdkameraden, wenn ich einen oder mehrere Rehböcke zur Strecke lege, die einer der zahlreichen Jagdgäste, die ich – wie schon seit vielen Jahren – zur Blattjagd führe, erlegen konnte. Das Erstaunen ist deshalb so groß, weil der Großteil dieser Böcke allen unbekannt war. Oder es handelt sich um Rehböcke, die vor Jahren einmal bestätigt wurden und dann plötzlich wie vom Erdboden verschwunden waren.
Hinein in die vergessenen Ecken des Reviers
Wer kennt sie nicht, die weißen Flecken auf der Revierkarte, Ecken im Revier, die jagdlich kaum oder gar nicht genutzt werden. Sei es aus Gründen des dort geringen Anblicks oder wenig Erfolg versprechenden Geländes. Genau diese weißen Flecken zeitigen bei der Blattjagd oft sehr guten Erfolg. Blatten wir ausschließlich von Hochsitzen oder anderen jagdlichen Einrichtungen, die über das ganze Jahr hinweg genutzt werden, so wird das Ergebnis bei der Blattjagd eher spärlich sein. Denn es bleibt kaum einem Rehbock verborgen, dass gerade diese Plätze von uns Jägern öfter aufgesucht werden. Darum gilt zur Blattzeit die Devise, hinein in die vergessenen Ecken des Reviers. Ganz egal, ob im Wald oder draußen im Feld. Bei der Blattjagd bin ich völlig ungebunden. Ich kann mich mit einem transportablen Blattstand oder auch nur mit dem Sitzstock überall dort platzieren, wo es Sicht und Windverhältnisse zulassen. Bei den Gästen, die ich alljährlich führe, ist diese Jagd der „freien Platzwahl“ mittlerweile sehr beliebt. Wenn sie auch auf bequeme Hochsitze und Gewehrauflagen verzichten müssen, schätzen sie doch diese spannende Jagdart, da sich auf jedem Blattstand eine neue Situation bietet und der Erfolg meist nicht ausbleibt.
Der Bock fühlt sich in dunkleren Bereichen einfach sicherer
Das alles soll aber nicht bedeuten, dass bestehende Einrichtungen, wie zum Beispiel Ansitzleitern, für die Blattjagd untauglich sind. Hier ist nur darauf zu achten, dass sie sich am richtigen Platz befinden und zur richtigen Zeit genutzt werden. Oft stehen Hochsitze an großen Freiflächen. Versucht der Blattjäger hier bei herrlichem Sonnenschein zu blatten, wird der Erfolg mit Sicherheit nicht überwältigend sein, denn der Rehbock vermeidet stets, über helle sonnenbeschienene Flächen zuzustehen, außer vielleicht einem Jährling. Bei ihm ist aufgrund seiner Unerfahrenheit in der Blattzeit alles möglich. Wählt man denselben Hochsitz zu einer anderen Zeit, zum Beispiel in den ersten Morgenstunden bevor die Sonne aufgeht, oder bei anderem Wetter, zum Beispiel bei bedecktem Himmel oder Regen, wird sich im Normalfall der Erfolg plötzlich einstellen. Bei der Platzwahl im Wald wähle ich, wo immer es möglich ist, einen dunkleren Bereich (Altholzbestände mit niedrigem Bewuchs), denn dort fühlt sich der Bock einfach sicherer als auf hellen, sonnenbeschienenen Flächen, und er steht uns in den meisten Fällen auch viel vertrauter aufs Blatt zu. Draußen im Feld nutze ich die sehr frühen Morgenstunden, denn um diese Zeit sind Böcke auch weit draußen fernab vom Wald zu finden und reagieren viel besser auf unsere Blattversuche als zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie dann irgendwo dösend im Getreide liegen.
Gibt es ein Geheimnis?
Wann in der Rehbrunft beginnt die Blattjagdsaison? Ich ernte oft ungläubiges Kopfschütteln, wenn ich empfehle, ab dem 25. Juli zu blatten. „Das ist doch viel zu früh, uns hat man gelehrt, vor dem ersten August nicht zu blatten“, ist die häufigste Antwort. Doch die Erfahrung zeigt, dass gerade die Zeit des Brunftbeginns sehr gute Erfolge bringt. Die Erklärung ist, dass um diese Zeit noch wenige weibliche Stücke brunftig sind, die Böcke aber befinden sich noch in einer sehr guten konditionellen Verfassung. Nur in dieser Verfassung ist es gerade den territorialen Böcken möglich, auf jede Kleinigkeit zu reagieren, ihr Territorium zu kontrollieren, ob ein weibliches Stück brunftig ist oder ein Rivale zu nahe rückt. Die Zeit ab dem vierten August ist auch wieder sehr erfolgsversprechend. Aber jetzt kostet es uns schon etwas mehr Mühe, die körperlich angeschlagenen Böcke zum Zustehen zu bewegen, besonders in den Revieren, in denen ein Überhang an weiblichen Stücken vorhanden ist. Zu bedenken ist auch, dass die Brunft in raueren Gegenden, zum Beispiel in Bergrevieren, ein paar Tage später einsetzt.
Welche Rolle spielt das Wetter? Kann auch bei Regen geblattet werden? Die Erfahrung zeigt, dass das Blatten bei Regen durchaus erfolgversprechend sein kann. Da aber die niederprasselnden Regentropfen eine gewisse Geräuschkulisse erzeugen, blatte ich gleich etwas lauter. Schlechte Erfahrungen habe ich hingegen mit Kälteeinbrüchen und Wind gemacht.
Wer erfolgreich blattet, wird häufig nach „seinem Geheimnis“ gefragt. Es gibt aber kein Geheimnis, sondern nur ein paar wichtige Punkte, die zu beachten sind:
Das Brunftgeschehen läuft keineswegs monoton ab
Wir Jäger müssen das Verhalten und die verschiedenen Lautäußerungen des Rehwildes während der Brunft kennen und – was noch viel wichtiger ist – „verstehen lernen“. Nur so ist es möglich, Verhalten und Lautäußerungen auf dem Blattstand zur richtigen Zeit am richtigen Ort zielbewusst einzusetzen.
Gelingt uns dies, sehen wir uns nicht mehr als fiependen Jäger, der von Blattstand zu Blattstand eilt, sondern wir spielen plötzlich die Rolle einer Ricke oder eines Schmalrehes, oder wir übernehmen einfach den Part eines Nebenbuhlers oder eines Kitzes, das nach der Ricke ruft.
Beobachten wir das Rehwild während der Brunft, stellen wir fest, dass das Brunftgeschehen keineswegs monoton abläuft. Dies aber ist einer der häufigsten Fehler, die bei der Blattjagd gemacht werden: Wir Jäger verhalten uns zu monoton. Es gibt Zunftgenossen, die nach der Uhr blatten: „Dreimal Fiepen, fünf Minuten Pause – dreimal fiepen, fünf Minuten Pause und so weiter. Das glaubt uns außer einem Jährling wirklich kein Rehbock. Ich beginne meine Blattserien sehr verhalten mit einzelnen Fieplauten, steigere mich dann in der Lautstärke und der Anzahl der abgegebenen Laute von kurzen Fieptönen über den „Pia-Laut“ bis hin zu einem richtigen Konzert.
Etwas Übung ist erforderlich
Genauso verhalten beginne ich nebenher mit kleinen Ästen zu knacken und steigere mich dann beim Konzert zum richtigen Krachmachen. Es ist auch ohne weiteres möglich, dass ein Bock nur auf das Ästeknacken zusteht. Diese Erfahrung machen wir immer wieder ungewollt, wenn wir auf dem Weg zu unserem Blattstand nicht ganz geräuschlos sind.
Von Jagdgästen werde ich immer etwas komisch beäugt, wenn ich auf dem Blattstand plötzlich zu schrecken beginne. Aber auch das ist eine Möglichkeit, einen Rehbock zum Zustehen zu bewegen. Es erfordert aber doch etwas Übung und schlägt auch etwas auf die Stimmbänder.
Wenn man sich im Ton vergreift
Bei der Wahl der Blattstände sollten wir variabel sein: Nicht dreimal am Tag vom selben Stand aus blatten. Habe ich einen größeren Einstandsbereich vor mir, spricht nichts dagegen, hier innerhalb von ein paar Tagen öfter zu blatten, dann aber – wenn möglich – jedes Mal zu einer anderen Zeit auf einem anderen Platz. In solchen Fällen weiche ich gerne auf natürliche Blattstände wie Holzstapel, Reisighaufen oder Wurzelteller aus, sofern diese mir gute Deckung und gleichzeitig die nötige Rundumsicht bieten.
Es kann vorkommen, dass keine Böcke zustehen, sondern zum Beispiel nur Bussarde. Was hat derjenige falsch gemacht? Nicht allzuviel, man hat sich lediglich im Ton vergriffen. Es ist übrigens ein häufiger Fehler, dass zu hoch geblattet wird. Wer draußen im Revier die Brunftlaute von Ricke oder Schmalreh gehört hat, weiß, dass diese Laute gegenüber dem Kitzfiep recht tief klingen.
Da wir schon beim Ton sind, und der Blatter die Musik macht, kommt in der Regel die Frage, nach dem besten Blattinstrument. Meine Antwort lautet immer gleich: Jeder soll mit dem blatten, mit dem er glaubt, am besten zurecht zu kommen. Ob es nun – wie nach Väter Sitte – mit dem Buchenblatt ist oder es sich um ein herkömmliches Blattinstrument handelt, letztlich muss jeder selbst entscheiden. Ich blatte seit zehn Jahren ausschließlich und mit sehr gutem Erfolg mit dem von mir entwickelten „Rottumtaler Rehblatter“. Dieser Universalblatter wird von mir in Handarbeit aus Rehstangen hergestellt und ist auf die praktischen Belange der Blattjagd abgestimmt.
Ob nun Buchen-, Flieder-, Efeu-, Saalweiden-, Birkenblatt, wilder Wein und Birkenrinde oder Blattinstrument, fleißiges Üben ist immer Vorraussetzung, um die einzelnen Laute naturgetreu nachahmen zu können.
Um eine wirklich erfolgreiche Blattjagd auszuüben und nicht nur auf Zufallserfolge hoffen zu müssen, gehört aber doch noch etwas mehr dazu, als nur die richtige Einstellung und ein Blattinstrument.
„Tote Böcke springen nicht“
Erfolgreiche Blattjagd will geplant sein! Unter Planung verstehe ich, dass ich mir schon im Frühjahr einmal grundsätzliche Gedanken mache, wie ich meinen Bockabschuss tätige. Erlege ich die reifen Böcke schon im Frühjahr, schmälert dies natürlich den Erfolg, und ich bringe mich selber um die schönsten jagdlichen Freuden. Denn wir wissen alle: „Tote Böcke springen nicht“. Deshalb sollte im Frühjahr der Abschuss der Jugendklasse gelten und die reifen Böcke bis zur Brunft geschont werden. Es ist nicht nur aus der Perspektive der Freude an der Jagd richtig, sondern auch aus wildbiologischer Sicht (siehe WuH 9/03, Seite 16). Dass dies in der heutigen Zeit mit den immer kleiner werdenden Revieren nicht ganz einfach ist, leuchtet ein, doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Weiter verstehe ich unter Planung, dass ich mir mein Revier genau anschaue und mir Notizen mache:
• Wo sind erfolgversprechende Plätze zum Blatten?
• Wo befinden sich natürliche Blattstände (Holzpolter, offene Feldscheunen und so weiter)?
• Wo baue ich Blattstände (erhöhte Blattstände sind immer von Vorteil, gute Sicht, Blendschutz und ein sicherer Kugelfang sollten stets gegeben sein)?
• Wo kann ich bestehende Jagdeinrichtungen zur Blattjagd nutzen?
• Wo lege ich Pirschwege an, um die Blattstände lautlos zu erreichen?
Wenn Sie die verschiedenen Punkte beherzigen und noch etwas Einfühlungsvermögen mitbringen, sind Sie nicht mehr der „fiepende Jäger“, sondern integrieren sich in den Brunftbetrieb des Rehwildes, und Sie werden bei der Blattjagd sehr viel Freude und Erfolg haben.
Ein nicht ganz Problemloser Stand im Fichtenaltholz. Aber mit ein wenig Tarnung funktioniert es auch dort |