ANZEIGE

Schnepfen-Geschichten

6395


Erlebnisse auf dem Fühjahrsstrich:
Viele Jäger erwarteten früher mit Spannung die Ankunft der ersten Schnepfen aus ihrem Winterquartier. Bei uns verboten, darf die Jagd auf dem Strich in einigen europäischen Ländern nach wie vor ausgeübt werden.

 

Von Philipp Graf Meran

Eine Methode, die außer Schussweite vorbeistreichenden Waldschnepfen anzulocken, ist das Hinaufwerfen einer Mütze oder eines Hutes, wie das Julius Hoffmann (1877) in seinem Buch „Die Waldschnepfen“ berichtet. Dieses Gehabe soll besonders dort von Erfolg gekrönt sein, wo die Männchen noch balzlustig umherstreichen, die Weibchen aber schon auf dem Gelege sitzen. Seine Methode ist heutzutage in unseren Breiten während des Durchzuges nicht anzuwenden. Ich habe es, um ehrlich zu sein, auch nie versucht.

Auf Erzählungen der Alten hören

Eine andere Lockart, auf die in meiner Jugend noch ältere Schnepfenjäger schworen, ist die Ausnützung der angeblichen Anziehungskraft von Rauch auf vorbei-streichende Schnepfen. Ich habe zwar öfters gesehen, wie Schnepfen am Herbststrich über Bauernhäuser strichen, deren Schornsteine rauchten, Versuche aber mit Feuer habe ich nie anstellen können, weil ich ausschließlich in fremden Revieren auf dem Strich weilte und es nie wagte, für solch ein Ansinnen vorstellig zu werden. Die Schnepfenjäger früherer Tage waren wesentlich aktiver, interessierter und letztlich in solchen Dingen auch erfahrener. Ich bin meistens gut gefahren, wenn ich auf Erzählungen der Alten hörte, was heutzutage eher außer Mode geraten ist.

Wenige Beobachter wissen vielleicht, dass der Beginn des Abendstriches fast überall zur gleichen Zeit stattfindet. Das konnten wir feststellen, denn wenn wir die erste Schnepfe sahen oder beobachteten, fielen nah und fern die ersten Schüsse. Noch besser konnte ich das auf einem großen Schlag – eigentlich war es schon eine richtige Dickung – feststellen. Es war in Ujvärfalva, Komitat Somogy, am 24. März 1992. Da hatte ich einen sehr guten, weiten Ausblick auf eine riesige Dickung. Ich sah eine Schnepfe aufstehen, unmittelbar danach eine zweite, etwa 200 Meter weiter und noch in derselben Minute zwei weitere in einer anderen Richtung. Sie stiegen mit Geflatter gegen den Wind auf, und schon im nächsten Moment strichen sie puitzend in mittlerer Schnelligkeit, allerdings in verschiedene Richtungen. Sie begannen ihren Abendstrich.

Der Grad der Dunkelheit entscheidet

Der Abendstrich beginnt ausschließlich nach dem Grad der Dunkelheit, dieser hängt wiederum von der Bewölkung und ihrer Dichte ab. Wenn Schnepfen weit streichen, kann es passieren, dass in Revierteilen, wo der Himmel frei von Wolken ist, Schnepfen, die in „dunkleren“ Regionen gestartet sind, wohl „zu früh“ erscheinen. Je „balzlustiger“ die Schnepfenmännchen sind, also gegen Ende des Durchzuges, etwa Anfang April (aber nur in richtigen Balzarealen, wo die Rast längere Zeit andauert), desto früher starten sie zum Abendstrich. Manchmal schon so früh, dass man es gar nicht glauben will, der Vogel, den man sieht, sei eine Schnepfe.

Das gleiche kann man im Hochgebirge feststellen, wo die Männchen im April und Mai ganze Täler überstreichen. Da zu dieser Zeit der Waidmann sein Augenmerk der Auer- und Birkhahnbalz widmet, werden im Hochgebirge im Frühjahr fast überhaupt keine Waldschnepfen bejagt. Im Herbst erst recht nicht, weil zu der Zeit die Hirschbrunft im Gange ist. Unsere Gebirgsschnepfen kennen eigentlich überhaupt keine Bejagung. Im Herbststrich passiert es hin und wieder, dass einzelne Schnepfen schon bei vollem Tageslicht, sogar vor Sonnenuntergang, aus den Dickungen auf die Almen streichen. Das dürften hungrige Ankömmlinge sein, denn wie verschiedene Autoren einhellig berichten, zieht auf weitere Strecken die Schnepfe grundsätzlich mit leerem Magen.

Schnepfen können ihre Jungen transportieren

Unerklärbar ist mir das Überleben jener Waldschnepfen, die auch bei großem Frost, hohem Schnee und tiefem Winter in „unseren Beobachtungsgebieten“ in letzter Zeit manchmal vorkommen. So haben wir in einer kleinen Dickung 1993 im ungarischen Börzsönygebirge Mitte Januar bei sechs Grad unter Null und vereister hoher Schneedecke drei Waldschnepfen anläßlich eines Saurieglers hochgemacht. Dasselbe geschah Anfang Februar 1995 bei einer Fuchsjagd in Buzsäk, wo sogar fünf Waldschnepfen in einem Treiben waren. In beiden Fällen waren die Bäche zugefroren. Welche Nahrung diese Vögel zu sich nahmen, ist mir unbekannt, am ehesten irgendwelche Würmer, wo Sauen frisch gebrochen haben oder aus dem faulen Heu der Fütterungen. Untersuchungen waren unmöglich, da in Ungarn im Winter auf Waldschnepfen keine Schusszeit herrscht.

Diese Überwinterungen kommen in letzter Zeit immer öfters vor. In meiner Jugend wurde unser ganzer Waldbesitz in zwei Wochen Sau- und Kahlwildjagd durchgetrieben. Mir ist nicht bekannt, dass bei diesen Jagden, die immer etwa Mitte Jänner begannen, je eine Waldschnepfe vorgekommen ist.

Der Waldschnepfe wird – auch von ernstzunehmenden Forschern – nachgesagt, dass sie ihre Jungen, wenn das Gelege oder dessen Umgebung, insbesondere die Jungen selbst, gefährdet erscheinen, einzeln forttransportieren kann. Dabei soll sie mit Hilfe ihres langen Stechers die Jungen fest an ihre Brust pressen und in niedriger Höhe vorsichtig und langsam an einen sicheren Platz streichen, das Junge ablegen und sofort zurückkehrend das nächste abholen. Ihr Kopf muss dabei extrem hinuntergebeugt sein. Allerdings sollte sie auch in dieser Haltung mit ihren außergewöhnlich hoch angesetzten Augen trotzdem nach vorne gut sehen. Es ist sich die Wissenschaft zwar einig darin, dass die Waldschnepfe zu den etwa 20 bis 30 Vogelarten gehört, die ihre Jungen transportieren können, nicht aber in der Methode des Tragens. Einige behaupten, beispielsweise J. Szabolcs, dass sie die Jungen zwischen den Ständern „abschleppt“. Ein Transport ist aber nur in den ersten 10 bis 12 Tagen notwendig, da die Jungen von da an schon ein bisschen fliegen können.

Unglaublich schnelle Entwicklung

Englische Ornithologen behaupten, dass das Transportieren der Jungen nicht nur bei Gefahr erfolgt, sondern auch aus Gründen der Übersiedlung an einen besseren „Äsungsplatz“. Wie dem auch sei, ich habe nie einen „Jungentransport“ gesehen. Dort, wo ich Schnepfen seit vielen Jahren beobachte, auf klassischen Durchzugsrastplätzen, gibt es keine Brut, und ich habe auch in den vielen Jahren niemals – auch nicht zufällig – ein Gelege, eine brütende Schnepfenmutter oder junge Schnepfen beobachten können.

Junge Schnepfen entwickeln sich übrigens unglaublich schnell. Doch wie das auch andere Vögel tun, versucht die Mutterschnepfe bei Gefahr durch das Vortäuschen eigener Gebrechlichkeit, den Feind auf sich aufmerksam zu machen und von den Jungen wegzulocken. Auch solches habe ich leider nie beobachten können.

Noch etwas Ungewöhnliches, das nicht jedem Jäger passiert: Es war im Jahr 1944, meinem letzten Frühjahr im alten Csàkberény. Wir waren nach dem Einmarsch der Deutschen in Ungarn aus dem Pensionat geholt worden und konnten zu Hause den Schnepfenstrich genießen. Im Jahre 1943 war dies wegen des „unpassenden“ Ostertermins nicht möglich. Ich war mit dem Revierjäger Müller auf dem Strich, in einem für Schnepfen erst in diesem Jahr ausgezeichnet gewordenen Gebiet, dem Vargatisztás-Schlag. Die Schnepfen sind wie im Vértesgebirge meistens um den Josefi-Tag erschienen. Als die Zeit gekommen war und die Vögel zu singen aufhörten, sah ich schon von weitem eine puitzende, aber nicht quorrende Schnepfe schnurgerade auf mich zustreichen. Sie kam nicht langsam, aber auch nicht schnell, so im Mitteltempo puitzender Schnepfen.

Dublette auf Fuchs und Schnepfe

Auffallend war, dass es noch recht hell war. Als ich mich für den Schuss richtete, meine 16er Steyr-Hahnflinte war verlässlich, sah ich aus den Augenwinkeln halbrechts auf etwa 15 Schritt einen Fuchs aus der Dickung schnüren. Er bemerkte mich nicht. Nun hatte ich im linken Lauf 3 mm, im rechten 2,5 mm Schrote. Mit dem linken Lauf streckte ich den nichtsahnenden Fuchs, sah wie die Schnepfe wegtauchte, einen Bogen vollführte und noch am Rande der Schussdistanz wieder die alte Richtung aufnahm. Mein Schuss aus dem rechten Lauf flügelte die Schnepfe. Ich sah sie neben einer Birke niedergehen. Da war auch schon Müllers bayerischer Schweißhund. Er zauste den Fuchs ein wenig, dann – als wüßte er genau Bescheid – läuft er genau dorthin, wo meine Schnepfe fiel. Ich fand sie sofort, weil der Hund natürlich nicht apportierte, aber Laut gab. Dublette auf Fuchs und Schnepfe, wenn das nicht außergewöhnlich ist?

 

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot