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Mehr Ärger als Freude

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Taubenjagd am Stadtrand:
Die Ringeltaube ist ein sehr anpassungsfähiger Vogel, der sich auch in der Nähe des Menschen wohlfühlt. Er brütet in Gärten und Parks und nutzt die nahen Nahrungsangebote. Gehen die Flugkünstler auf den umliegenden Feldern zu Schaden, müssen die Jäger eingreifen. Doch die Taubenjagd am Rande bewohnter Gebiete gleicht oft einem Spießrutenlauf.

 

Von Burkhard Winsmann-Steins

Alarm, Alarm, komm bitte sofort, die Tauben fressen unseren Kohl auf!“ Der Hilferuf des Jagdherrn vom Stadtrand traf mich unvorbereitet, denn im Juli war ich noch nicht auf Taubenjagd eingestellt.

Eine Sondererlaubnis zur Reduzierung der Ringeltauben wurde beantragt, und die Untere Jagdbehörde gab dem statt. Zwei Tage später war ich vor Ort und konnte mich von Taubenschäden überzeugen, wie ich sie zuvor noch nie gesehen hatte. In einigen Kulturen standen vom Kohl nur noch die Strünke und im Lagerweizen waren die Ähren leergefressen.

Ideales Taubenwetter

„Wir müssen handeln, denn im Jagdpachtvertrag steht, dass die Pacht gekündigt werden kann, wenn eine Bejagung unterbleibt“, die Worte des Jagdherrn überzeugten. Es musste tatsächlich etwas passieren. Aufgestellte Schussapparate wurden von den Geringelten nur unter 50 Meter beachtet. Und die aufgescheuchten Tauben fielen nach einer Flugrunde oft an derselben Stelle wieder ein.

Nach halbstündiger Beobachtung der Fluglinien und Äsungsplätze baute ich meinen Schirm an einer Hecke auf. Zwei Pfosten und ein Tarnnetz genügten. 20 Meter vom Schirm postierte ich 15 Locktauben, und zwar so, dass die Grauen als Querreiter gegen den Wind einfallen konnte.

Die Locktauben stellte ich u-förmig auf, damit genügend Platz zum Landen blieb. Zum Glück strich ein kühler Wind über die Felder – ideales Taubenwetter!

Überall schauten Menschen aus den Fenstern

Ein „Tauben-Karussell“ wäre vielleicht noch anziehender gewesen, doch es lockt natürlich auch neugierige Zweibeiner an. Kaum saß ich mit meinem Drahthaar im Schirm, da umrundete schon die erste Taube das Feld, legte die Schwingen an, kam tiefer und wurde Opfer meiner Schrote. Schnaubend brachte der Hund mir meine Beute. Die lockeren Federn mögen viele Apportierer gar nicht.

Nach den ersten Schüssen wurde es an den gegenüberliegenden Häusern lebendig. Überall schauten Menschen aus den Fenstern oder vom Balkon. Ich schoss nur 2,4 Millimeter-Schrote und konnte so keinen gefährden – die Häuser waren etwa 300 Meter entfernt. Darüber hinaus vermied ich es, in Richtung Siedlung zu schießen.

Beträchtliche Strecke

Nachdem ich zwei Dutzend Schüsse abgegeben hatte, raschelte es hinter mir im Weizen. Drei neugierige Jungen wollten sich die Sache mal etwas genauer ansehen.

Zum Glück waren sie aber belehrbar und verschwanden nach kurzer Inspektion meiner „Anlage“. Nachdem ich eine Taube geflügelt hatte, verließ ich meinen Schirm, um den Drahthaar einzuweisen. Dabei bemerkte ich, dass mein Tun mit einer Video-Kamera gefilmt wurde. Die Distanz war aber so groß, dass mich der Amateur nicht weiter beunruhigte.

Der Hund hatte einige Mühe, die Geflügelte im Halmenmeer des Weizens zu finden. Meine Strecke war inzwischen schon beträchtlich, und da eine „Flugpause“ eintrat, verstaute ich die hitzeempfindlichen Vögel im Schatten der Hecke. Bei kühlen Temperaturen ist es äußerst zweckmäßig, sie als Locktauben einzusetzen.

Immer die Flinte bereit halten

Die Anziehungskraft wird dadurch enorm gesteigert. Es darf aber keine Taube auf dem Rücken liegen – bei der leuchtenden Bauchseite dreht jede Anfliegende ab. Wenn Tauben in das Nachbarfeld einfallen, müssen sie unbedingt hochgescheucht werden, da sich ansonsten alle weiteren zu ihnen gesellen. Nur bei an Schussapparate gewöhnte Vögel ist das gar nicht so einfach.

Meine Locktauben standen aber an diesem Tag genau richtig, und langsam wurde die Flinte heiß. Nach einem Doppelschuss stoben die Federn, die Beschossene himmelte und stürzte direkt in einen der Gärten. Auch das noch! Sofort verließ ich den Schirm und eilte zum „Tatort“. Da stand auch schon ein älterer Herr am Gartenzaun und schwenkte meine Taube! Gerade wollte ich etwas von einem Lungentreffer erzählen, da sagte er nur: „Sie brauchen mir nichts zu erklären, ich bin selbst Jäger. Beim Rasenmähen ist sie mir direkt vor die Füße gefallen.“

Erleichtert kehrte ich zu meinem Ansitzplatz zurück. Krank geschossene Tauben sind immer ein Problem, da sie noch sehr weit streichen können. Daher sollte ihr Flug genau verfolgt werden, um sich die Bäume zu merken, in die sie mit letzter Kraft einfallen. Dort können sie später aufgesammelt werden. Aber aufgepasst: Immer die Flinte bereithalten, denn manchmal streichen sie doch noch ab.

Es wurde Abend, und der Taubenflug ließ nach. Fünf Stunden hatte ich an meinem Platz ausgeharrt. Wer Strecke machen will, sollte nicht nur anderthalb Stunden ansitzen – dafür lohnt der ganze Aufbau nicht. Gerade war ich dabei, meine Lock-tauben einzusammeln, als ein Polizeiwagen vorbeifuhr, drehte und zurückkam. Zwei Beamte stiegen aus und näherten sich durch den feuchten Kohl. „Wer hat ihnen erlaubt, hier herumzuballern ?“, fragte einer der Polizisten nicht gerade im freundlichen Ton. „Der Jagdherr X, und der hat eine Sondererlaubnis zur Taubenjagd“, erwiderte ich. Zum Glück hatte ich alle erforderlichen Papiere dabei, doch als sich ein Beamter der Strecke näherte, sprang ihm zu allem Überfluss mein Drahthaar vor die Brust. „Sie haben ja einen Kampfhund!“, rief der Polizist erregt.

„Das ist kein Kampfhund, jeder normale Jagdhund hätte sich ebenso verhalten“, war meine prompte Antwort. „Dann passen sie aber auf ihren Köter besser auf“, entgegnete der Staatsdiener. Mit dreckigen Halbschuhen und nassen Hosen verließen die Herrn das Kohlfeld. Sie waren natürlich von einem Anwohner angerufen worden und mussten auch nur ihrer Pflicht nachkommen. Der Jagdherr hatte vorher die örtliche Polizei von unserem Vorhaben verständigt, doch diese Beamten kamen vom „Nachbarrevier“.

Als ich es am nächsten Tag in einem anderen Revierteil auf Tauben versuchte, stand plötzlich eine ältere Frau hinter mir und ging gleich zum „Angriff“ über : „Sie sollten sich schämen, diese herrlichen Vögel totzuschießen. Gönnen Sie denen doch ihr Leben und ihre Mahlzeiten !“ Nach einer längeren Verteidigungsrede fiel sie mir wieder ins Wort: „Und brüten tun sie auch noch, in meinem Garten sitzt eine auf ihrem Nest!“ Hier hat man es als Jäger natürlich enorm schwer, sein Handeln zu rechtfertigen. Zum Schluss sagte ich : „Ich höre sofort auf, wenn sie den Bauern den Schaden im Kohl ersetzen.“ Dieser Satz zeigte bei ihr Wirkung, und kopfschüttelnd zog sie von dannen.

Kein frohes Waidwerk

Die Jagd am Stadtrand ist kein frohes Waidwerk. Jagdfreunden sind schon Reifen zerstochen worden. Es allen recht zu machen, ist nicht einfach. Die Landwirte leben von ihrer Kohlernte und müssen hart dafür arbeiten. Aus Kostengründen können nicht alle Felder mit Netzen bespannt werden. Und der Verbraucher will auf den Märkten schließlich zivile Preise zahlen. Es wäre natürlich einfacher, die Geringelten im Spätherbst und Winter intensiv zu bejagen, doch dann ist der Großteil längst fortgezogen. Bis zum nächsten Jahr, wenn sie wieder die Felder anfliegen, um sich an Kohl und Getreide gütlich zu halten.

 


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