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Reizjagd auf Goldschakale

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WILD UND HUND-Reiz- und Lockjagdspezialist Klaus Demmel zog mit dem Drilling und seinen Rottumtaler Wildlockern los, um zu sehen, ob auch Goldschakale in Südungarn darauf zustehen.

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Todesklagen in der Ormánság. Foto: Florian Standke, Text: Florian Standke

 

In der Abenddämmerung rollt der Landrover langsam von der Straße in den angrenzenden Feldweg. Nach einigen Metern hält der Fahrer an. Das Abblendlicht ist längst ausgeschaltet. Berufsjäger Josef, WILD UND HUND-Experte Klaus Demmel sowie Jagdfreund Robert klettern leise aus dem Wagen und leuchten die angrenzenden Felder und Wiesen mit ihren Doppelgläsern ab. „Hier ist eine gute Stelle. Gestern Abend hab ich mehrere Goldschakale rufen gehört“, flüstert Josef. „Tagsüber schlafen sie gerne in der dichten Buschlandschaft. Davon haben wir eine Menge“, fügt er hinzu.

 


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Lagebesprechung: Robert, Josef, Attila und Klaus (v. l.) schmieden Schlachtpläne. Foto: Florian Standke
Gespannt lauschen die drei Jäger in die Dunkelheit – zu hören ist aber noch nichts. Eine Bewegung auf dem Acker vor ihnen lässt die Waidmänner aufwerfen. Die Ferngläser wandern an die Augen. „Kahlwild“, lautet Roberts schnelle Diagnose. „Psst“, zischt Klaus plötzlich. Josef und Robert setzen ihre „Guckerl“ ab und horchen. Tatsächlich: Aus einem nahen Feldgehölz ist kurz ein Heulen zu hören. Einige Sekunden später kommt scheinbar eine Antwort aus derselben Richtung, die prompt vom nächsten Ruf „kommentiert“ wird.
Innerhalb kurzer Zeit entsteht so ein wahres Konzert, denn auch aus anderen Dickungen stimmen Artgenossen ein: Die Goldschakale gehen auf Beutezug.
„Das sind mehrere Familien“, erklärt Josef das Geheule. „Sie jagen auch im Rudel, ganz anders als der Fuchs“, ergänzt er leise. Auf Klaus’ Gesicht macht sich ein Grinsen breit, denn für den passionierten Lockjäger sind die Lautäußerungen des unbekannten Wildes Musik in den Ohren. Vor der Reise nach Südungarn war er skeptisch, ob der Besatz wirklich so hoch ist, wie die Berufsjäger behaupteten. Doch nun scheint die Population tatsächlich groß zu sein, obwohl die Schakale Ungarn erst Anfang der 1990er Jahre wiedererobert haben. „Hört sich gut an“, sagt Klaus, und man merkt ihm die Vorfreude auf den ersten Jagdtag an.

 


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Goldschakale sind in Europa auf dem Vormarsch. Die Besätze in Ungarn haben sich in den vergangenen 20 Jahren rasant nach oben entwickelt. Foto: Kristian Pompola

 

Lange vor Sonnenaufgang sind Robert, Josef und Klaus schon wieder auf den Läufen. Im Dunkeln bauen sie zwei Tarnschirme in etwa 80 Metern Entfernung zum Feldgehölz auf, wo am Vorabend das „Konzert“ stattfand. Berufsjäger Josef steht etwas abseits, futtert Kürbiskerne wie am Fließband und schaut sich die Vorbereitungen skeptisch an – seine Mimik drückt nicht gerade Zuversicht aus. Auch mit den Tarnsachen kann er sich anscheinend nicht anfreunden. Ob das wirklich nötig sei, fragt er, als ihm Klaus den Tarnanzug reicht.
Die Schakaljagd, und dann auch noch mit Lockern, löst bei ihm offensichtlich keine Begeisterung aus. Denn in erster Linie dreht sich in den südungarischen Revieren alles ums Schalenwild. Besonders das zahlreiche Rotwild dominiert dort das Waidwerk.
„Rohrwölfe“, wie die Goldschakale im Volksmund heißen, werden nur hin und wieder bei Zufallsbegegnungen geschossen. Es ist auch gar nicht so einfach, die cleveren Räuber zu erlegen. Denn laut den Berufsjägern nehmen sie beispielsweise Luder schlecht an und meiden Fallen geschickt.

 


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Die vorderen Ballen sind beim Schakal (r.), im Gegensatz zu anderem Raubwild (links Fuchs), im hinteren Bereich verwachsen. Die Spur ist unverwechselbar. Foto: Florian Standke
Die Waidmänner haben bereits in den Schirmen Stellung bezogen, als sich der Morgen am Horizont ankündigt. Das erste Büchsenlicht gibt den Blick auf eine Märchenlandschaft frei: Felder, Wiesen, Büsche und Bäume sind mit einer dicken Eisschicht überzogen. Klaus hat seine Rottumtaler Wildlocker, Hasen-, Kaninchen– sowie Vogelklage und Mauspfeifchen an einer Kordel befestigt. Dieses Locker-Charivari hat er sich um den Hals gehängt – alle Pfeifchen sind somit griff- und einsatzbereit.
Wenig später zerreißt der noch verhaltene Klang der Kaninchenklage die Stille der erstarrten Landschaft. Klaus gibt seine ersten Strophen zum Besten.
 „Keine Sorge, es geht auch lauter. Falls Schakale in der Nähe sind, will ich aber nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen“, erklärt er Robert leise die zaghaften Töne. Denn der macht schon einen leicht enttäuschten Gesichtsausdruck, nickt jetzt aber verständnisvoll und vielsagend. „Deshalb nehme ich auch nicht sofort die Hasenklage. Wir wissen ja gar nicht, wie die Schakale auf meine Musik reagieren“.

 


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Wolfsähnlich: das Gebiss des Goldschakals. Foto: Florian Standke
Nach einigen Minuten ertönt die zweite und wenig später die dritte Serie – Anblick haben die Jäger jedoch nicht. Doch auf einmal macht sich Josef im Stand hinter ihnen durch Zischlaute und verhaltene Gesten bemerkbar. Klaus und Robert drehen sich langsam um. Sofort entdecken sie schräg hinter sich einen braunen Fleck in zirka 350 Metern Entfernung, der sich dem Waldrand nähert. Schon an der gemächlich trottenden Gangart und auch aufgrund der Größe ist ohne Fernglas sofort klar, dass es sich um einen Schakal handelt.
Klaus lockt gleich noch einmal. Der Räuber sichert prompt in Richtung der vermeintlichen Beute und setzt sich anschließend in Bewegung. Zielstrebig kommt er näher. Allerdings steht der Wind ungünstig und daher scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Schakal gewarnt wird. Klaus ist schon im Anschlag, doch noch ist die vermeintliche Beute zu weit entfernt. Plötzlich wird der Schakal unruhig. Dann macht er auf den Hinterläufen kehrt und flüchtet ohne zu verhoffen in den Wald – erste Chance vorbei.
Nach der Kaninchenklage, die bei diesem Ansitz keinen Erfolg mehr bringt, fährt Klaus etwa 20 Minuten nach Beginn seines Konzerts ein schwereres Geschütz auf: den sterbenden Hasen. Zunächst tut sich nichts, doch während der zweiten Serie geht er plötzlich in Anschlag: Ein Schakal war zügig von der gegenüberliegenden Dickung über einen hohen Altgrasstreifen in Richtung der Jäger gepasst, drehte aber sofort wieder ab, ohne eine Gelegenheit für einen sicheren Schuss zu bieten. Josef und Robert hatten ihn gar nicht gesehen.

 


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Doppelpack in fünf Minuten: Klaus mit erlegtem Schakal und Fuchs. Deutlich ist die typische Stummellunte des „Rohrwolfes“ erkennbar. Foto: Florian Standke
An zwei weiteren Stellen haben die Jäger an diesem Vormittag keinen „Schakalkontakt“ mehr. Trotzdem gehen sie gut gelaunt zum Mittagessen. „Wir haben immerhin zwei gesehen, und der zweite kam definitiv aufs Locken“, fasst Klaus das Erlebte kurz zusammen.
Was Jagdstrecken betrifft, ist der erfahrene Auslandsjäger mit Prognosen und Vermutungen eher vorsichtig. Robert hingegen, auch passioniert und mit allen Wassern gewaschen, ist in dieser Beziehung aber anders gepolt und hat seine Systeme schon voll hochgefahren: „Ich bin mir sicher, dass wir zehn schießen, ganz sicher“, verkündet der lustige Österreicher. Klaus grinst ungläubig, und auch der ruhige Josef, der das Revier, die Schlauheit der Räuber und Robert genau kennt, hat denselben Gesichtsausdruck. Noch eine Weile referiert Robert über hohe Schakalbesätze und einen schwindenden Rehwildbestand, bis das Essen auf dem Tisch steht.
Zwei Tage später liegt immer noch kein Schakal auf der Strecke. Klaus und Robert haben sich nach zwei Versuchen am Morgen – einer mit Schakalkontakt gegen halb elf – auf einer verwilderten Kuhweide etwa 30 Meter neben einem großen, dichten Buschkomplex eingerichtet. Den Platz haben sie gewählt, weil Stellen mit ein wenig mehr Deckung bislang erfolgsversprechender waren.
Schon während der zweiten Hasenklagen-Strophe dringt aus dem Dornendschungel ein gedämpftes Kläffen. Klaus kann das Geräusch nicht zuordnen, doch Robert flüstert: „Schakal“. Klaus setzt gleich wieder den Locker an. Mittlerweile sind es drei, vier oder mehr Schakale, die bellen, heulen und langsam im Pflanzengewirr näher kommen. In sicherem Abstand zum Dickungsrand drehen sie aber ab und passen mit Rückenwind nach links.

 


Den Jägern dämmert allmählich, dass sich die Schakale dort Wind holen wollen. Die Räuber versuchen so herauszufinden, ob sie eventuell ein Wolf oder ein anderer überlegener Räuber beim Beuteschmarotzen überraschen könnte. Dazu müssen die cleveren Caniden allerdings die sichere Deckung verlassen und etwa 50 Meter auf die Weide hinauslaufen. Offensichtlich trauen sie sich das aber nur in größerer Entfernung zum sterbenden Hasen und dessen Peiniger, denn schon erscheinen die ersten Schakale etwa 200 Meter entfernt am Dickungsrand.
Insgesamt sind es fünf. Aufgeregt rennen sie auf der Weide hin und her, bis sie weit genug draußen sind, um in den Wind der Jäger zu kommen. Daraufhin macht die ganze Korona kehrt und verabschiedet sich wieder in ihren Tageseinstand.
Die Jäger warten noch einige Minuten und packen dann ein. „Zwei Dinge haben wir auf jeden Fall in den vergangenen Tagen gelernt“, sagt Klaus. „Sie holen sich, wenn möglich, Wind bevor sie anwechseln und reagieren meistens mit Heulen und Kläffen aufs Locken“.
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Selbstverständlich wurde der Schakal gestreift. Der Winterbalg ist eine schöne Trophäe.Foto: Florian Standke
Für den letzten Abendansitz hat Josef ein Ass aus dem Ärmel gezogen: Berufsjäger-Kollege Attila, der Schäfer ist und mehrere hundert Tiere besitzt, hat seit geraumer Zeit Probleme mit den Schakalen. Jedes Jahr reißen sie ihm etliche Schafe. Daher ist er froh, dass die Jäger den Störenfrieden auf den Balg rücken wollen.
Als sie auf seinen Hof fahren, wartet der Jäger dort bereits und begrüßt die drei herzlich. Seine Hofhunde schauen weniger freundlich und beschnuppern die Fremden argwöhnisch. Nach einem kurzen Gespräch und einem Schluck „Zielwasser“ folgt die Einweisung. Attila malt gekonnt den Einstand der Räuber auf ein Blatt Papier und zeichnet die aktuelle Windrichtung ein. Klaus und Robert beraten sich. Kurz darauf ist ein Plan geschmiedet. Im Revier – Attilas Hof liegt mittendrin – bauen sie auf einer Schafsweide im Abstand von 70 Metern zur Dickung die Schirme auf.
Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang lässt Klaus die erste Strophe auf der Hasenklage erklingen. Sie hatte sich in den vergangenen Tagen als am wirkungsvollsten erwiesen. Aber erst kurz vor Ende des Büchsenlichts tut sich was – ein Schakal kläfft in der Dickung. Jetzt sind alle sofort Feuer und Flamme und beobachten konzentriert den Rand des Einstands. Es ist mucksmäuschenstill. Nur das Knacken der Kürbiskerne, die Josef wie immer in Unmengen verzehrt, dringt aus dem hinteren Stand bis zu Klaus und Robert nach vorne. Auch Attila ist vom Raubwildfieber gepackt. Er sitzt neben Josef und hält Ausschau.
Plötzlich erscheint auf der Wiese ein dunkler Schatten, der schnurstracks auf die Jäger zukommt. Es ist tatsächlich ein Schakal. Der Reizjagdspezialist hat seinen Drilling schon im Anschlag und lockt zaghaft weiter. Auf 40 Meter verhofft der Räuber und sichert. Jeden Moment kann er flüchten. Klaus lässt daher die .222 Remington sofort fliegen. Der Beschossene flüchtet noch ein Stück und fällt dann mausetot um. Direkt erklingt wieder die Hasenklage, denn vielleicht sind ja noch Artgenossen in der Nähe. „Außerdem will ich damit vom Knall ablenken“, erklärt Klaus. Fünf Minuten später fühlt sich wieder ein „Rohrwolf“ angesprochen und will nachschauen, ob es vielleicht leichte Beute gibt. Schnell ist klar, dass es sich aber um einen Fuchs handelt, den Klaus ebenfalls mit sauberem Schuss erlegt.
Als das Büchsenlicht schwindet, hält es die Jäger nicht mehr in ihren Schirmen. Alle vier laufen zum Räuber mit der Stummellunte und begutachten glücklich die Beute. Der Goldschakal-Rüde bringt beim späteren Wiegen 13 Kilogramm auf die Waage. Nachdem alles eingepackt ist, gibt Klaus Berufsjäger Attila noch einige Locker, mit deren Hilfe er in den nächsten Wochen mehrere Schakale vor seine Büchse dirigieren wird.
Auf der Rückfahrt ins Jagdhaus lassen Robert, Josef und Klaus die vergangenen Tage Revue passieren. Alle drei sind froh, dass es auf den letzten Drücker doch noch geklappt hat. Und auch Josef scheint Gefallen an der Reizjagd gefunden zu haben. Denn in der Unterkunft angekommen klebt er förmlich an Klaus’ Lippen und versucht konzentriert, den Pfeifchen die richtigen Töne zu entlocken.
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Steckbrief Goldschakal

 

 

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