Welche Rolle spielt die Lautstärke beim Blatten und welcher Blatter bringt die lautesten Brunfttöne hervor? Thore Wolf hat die Geräte getestet:
Am Horizont steht ein Bock. „Hier ziehen zwei Böcke, die sich sehr ähnlich sehen, aber nur einer davon hat das Ernte-Alter“, sagt der Jagdführer. „Wollen mal sehen, welcher es ist“, spricht er und kramt seinen Blatter heraus. „Ich nutze diesen am häufigsten, weil er am lautesten ist“, erklärt er dem Jagdgast. Warum die Lautstärke beim Blatten für ihn so wichtig erscheint, wird beim Blick ringsum klar: Weitläufige Wiesen, Felder und Knicks prägen das Revier. Etwa 300 Meter Grünland und ein nochmal so großer Maisacker erstrecken sich vor den Jägern.
Auf einer Wiese dahinter steht der Bock. Insgesamt dürften rund 700 Meter zwischen Jäger und Gejagtem liegen. Verhalten beginnt der Jagdführer mit den ersten Blatter-Strophen. Doch der Bock äst unbekümmert weiter, auch die folgenden „Piääh“-Rufe aus dem Blatter bringen keinen Erfolg. „Wenn Sie meinen, dass dies der lauteste Blatter ist, kennen Sie diesen wohl noch nicht“, entgegnet daraufhin der Jagdgast und entlockt wenig später seinem Instrument drei ziemlich laute Sprengrufe. Kaum zu glauben. Der Bock wirft auf und stakst auf den Stand zu. Kurz verhofft er am Rand des Maisackers. „Machen Sie ruhig weiter“, sagt der Jagdführer.
Gesagt, getan. Drei weitere Piääh-Rufe hallen durch die mittelfränkische Landschaft. Der Bock stürmt erneut los. Nach zwei weiteren Rufserien steht er in Schussentfernung vor den Jägern. „Wahrscheinlich hat er die Töne des ersten Blatters nicht gehört“, meint der Jagdführer, muss aber einsehen, das sein Locker nicht der lauteste ist. Um herauszufinden, welcher Blatter die lautesten Rufe hervorbringt, hat WILD UND HUND die verschiedenen handelsüblichen Blatter mithilfe eines Schallpegelmessgerätes getestet.
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In einem schalldichten Raum wurde mithilfe eines Schallpegelmessgerätes ermittelt, wie laut die einzelnen Blatter sind. (Foto: Thore Wolf) |
Angetreten waren:
1. der Rottumtaler Blatter
2. der Nordik-Roe
3. der Buttolo-Gummiball
4. der Buttolo-Mundblatter
5. der Weisskirchen-Edelholz-Mundblatter
6. der Weisskirchen Fiep-piu-Blatter
7. der Hubertus Reh-Fiep
Damit stets gleiche Testbedingungen gewährleistet werden konnten, wurden die einzelnen Instrumente in einem schalldichten Raum im immer gleichen Abstand von etwa 50 Zentimetern zum Schallpegelmessgerät getestet. Gemessen wurde bei allen Blattern jeweils der „normale“, verhaltene Fiep-Laut. Analog dazu wurde ermittelt, wie viel Dezibel (dB) stark der sich ins Angstgeschrei steigernde Sprengruf bei den einzelnen Blattern entwickeln kann. Mit zwei Ausnahmen: Die Kandidaten 6 und 7 wurden diesem Test nicht unterzogen, weil diese Rufe mit ihnen nicht imitiert werden können.
In beiden Testreihen wurde mit jedem Instrument zehnmal „geblattet“, wobei darauf geachtet wurde, möglichst naturgetreue Töne hervorzubringen. Das Messgerät wurde so eingestellt, dass bei jeder Rufserie jeweils nur der lauteste Ton festgehalten wurde. Beim lauten Angstgeschrei erreichten alle getesteten Blatter Werte über der 80 dB-Marke. Der „Nordik-Roe“ sowie der „Rottumtaler“ knackten msogar die 90 dB-Hürde.
Bei den einfachen Rickenfiep-Lauten bewegten sich alle Blatter zwischen 72,3 und 77,6 dB. Zum Vergleich: 70 dB entsprechen üblichem Straßenlärm, 90 dB in etwa dem Arbeitslärm in einer Fabrikhalle. Die Schmerzschwelle des Menschen liegt bei 120 dB, Büchsenschüsse erreichen rund 140.
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Testergebnisse: Mit jedem Blatter wurde zehnmal geblattet, wobei nur der Spitzenwert in Dezibel (dB) dokumentiert wurde. (Fotos: Kristofer Hansson; Peter Schmitt) |
Mit Sicherheit wäre es interessant gewesen, die Lautstärke der Blatter in der Landschaft auf unterschiedlichen Distanzen zu messen. Versuche haben aber gezeigt, dass dies mit einem Handmessgerät nahezu unmöglich ist. Wie wichtig aber ist das laute Blatten überhaupt in der jagdlichen Praxis? Eigene Erfahrungen während der Rehwildbrunft 2011 gaben den Anlass, dieser Frage näher auf den Grund zu gehen. Während der Blattjagd in einem mittelfränkischen Revier ergab sich glücklicherweise gleich dreimal die Situation, dass ein Rehbock bereits deutlich weiter als 500 Meter vom Blattstand entfernt im Feld stand, als die Jäger ihren Sitz bezogen.
Ausgerüstet waren sie damals mit einem „Buttolo-Mundblatter“, dem „Rottumtaler“ und dem „Nordic-Roe“. Während der erste Bock auf circa 700 Metern Distanz auch nach mehreren aggressiven Sprengrufen keinerlei Reaktion auf den „Buttolo-Blatter“ zeigte, ließ der spontan benutzte „Nordik-Roe“ den Bock aufwerfen und näher kommen. Als er kurz vor dem Blattstand wieder absprang, wurde er ein zweites Mal aus größerer Entfernung mit dem „Rottumtaler“ zurückgeholt. Beim zweiten Bock ein ähnliches Spiel, mit dem Unterschied, dass dabei der „Rottumtaler“ vor dem „Nordik-Roe“ benutzt wurde. Beide Blatter zogen den Gehörnten vor den Sitz. Am nächsten Tag war der „Buttolo“-Blatter erneut erfolglos. Vermutlich kamen seine Laute nicht gegen den starken Wind an. Aus rund 500 Metern holten der „Rottumtaler“ und der „Nordik-Roe“, die beide abwechselnd benutzt wurden, den Bock vor den Sitz. Gewiss stellen diese drei Begegnungen keinen ausreichenden Praxistest dar. Dennoch lässt sich diese Erfahrung mit den ermittelten Dezibel-Werten vergleichen.
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Praxistest in Mittelfranken: Der mehrere hundert Meter entfernt stehende Bock springt sofort auf die extrem lauten Sprengrufe mit dem „Nordik-Roe“, nachdem der „Buttolo-Mundblatter“ keinen Erfolg brachte. (Foto: Thore Wolf) |
„Laute Brunftrufe, vor allem ein lauter Sprengruf oder ein lautes Angstgeschrei bedeuten für den Bock immer Bedrängnis“, sagt WuH-Lockjagdexperte Klaus Demmel und vergleicht dies mit dem Rufen des Hundes. „Wenn der Hund beim ersten oder zweiten Ruf nicht gehorcht, wird der Mensch automatisch lauter. Häufig versetzt dies dem Hund den Ruck, doch zu folgen. Ähnlich ist es bei der Geiß, die sich durch Lautstärke für den Bock interessanter macht.“
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Knapp 60 Meter vor dem Blattstand flüchtet der Gehörnte zurück und wird mit lauten Sprengfiepen aus dem „Rottumtaler“ erneut vor den Blattstand geholt. (Foto: Thore Wolf) |
Nach Demmels Erfahrungen hängt es immer von der jeweiligen Situation ab, ob laut oder leise geblattet werden muss. „Beispielsweise davon, wie weit der bekannte oder vermutete Einstand des Bockes vom Blattstand entfernt liegt“, sagt der Oberschwabe. Da man dies aber oftmals – vor allem in Waldbeständen – nicht genau wissen kann, empfiehlt Demmel, stets mit dem verhaltenen Fiepen zu beginnen und sich dann langsam hochzuschaukeln. „Somit hat man einerseits die Möglichkeit alle möglichen Gefühlslagen des Bockes ‚anzusprechen‘, andererseits verringert sich die Gefahr, einen Bock zu verblatten“, der vielleicht schon recht nahe steht, aber noch unentdeckt ist“, gibt Demmel zu bedenken.
Vor allem im Wald sei dies schnell möglich. „Fängt der Jäger dann bereits sehr laut an zu blatten, kann der Zauber recht schnell vorbei sein. Der Bock wird eher verschreckt als geweckt.“ Anders sei es, wenn der Bock bereits auf die ersten zaghaften Rufe gefolgt ist. „Selbst dann, wenn der Bock auf etwa 30 Meter zusteht, kann ihn ein lauter Sprengruf nicht mehr vergraulen“, so der Blattjagdexperte. „In Revieren mit einem großen Offenlandanteil und vergleichsweise geringer Rehwilddichte beherrschen Rehböcke größere Territorien“, erklärt der schwedische Wildbiologe Per-Arne Åhlén. Aus diesem Grund hat er den Kunststoff-Blatter „Nordik-Roe“ entwickelt. Er wollte einen Rehwildlocker bauen, der Böcke in sehr großer Entfernung – bis zu mehreren tausend Metern – erreicht.
Dementsprechend jagt der Schwede auch. Die althergebrachte Blattjagd-Weisheit, besser in Waldbeständen zu rufen, dreht der schwedische Wildbiologe auf den Kopf. Bevorzugt platziert er sich – gut getarnt – mitten im Feld und beginnt keineswegs verhalten mit seiner Arie. Seiner Meinung nach sollte in solch einer Situation recht laut und fordernd geblattet werden.
Lockjagdexperte Klaus Demmel sieht das ähnlich. Für ihn ist lautes Blatten in den meisten Fällen aber erst ab einer Entfernung von 500 Metern und mehr relevant.
„Gerade in offenen Landschaften wie in Südschweden kann man mit dieser Taktik durchaus zum Erfolg kommen. Auch bei Regenwetter empfiehlt Demmel, bedeutend lautere Blattarien zu spielen, damit die Ruflaute nicht von den Regengeräuschen überlagert werden. Bei starkem Wind schwört Per-Arne Åhlén auf seinen „Nordik-Roe“-Blatter. Testjagden in England und Schweden haben gezeigt, dass er damit Dank der hohen Lautstärke auch bei starken Böen Böcke aus relativ großer Entfernung vor die Büchse locken kann. Die These, dass ein Rehbock sich generell daran stören könnte, dass der Ton des Blatters wesentlich lauter ist als der echte Ruf einer Geiß, kann Per-Arne Åhlén nicht bestätigen. WuH-Lockjagdexperte Klaus Demmel ist der gleichen Meinung. Für ihn macht eindeutig der Ton die Musik: „Viel wichtiger ist, dass die Rufe möglichst nah am Original sind.“