nur knapp vor dem Stadtstaat Hamburg!
Der Grund für die geringen relativen Zahlen: Der Lebensraum des Rotwildes ist in Bayern auf zehn behördlich aus gewiesene Bezirke reduziert, die nur rund 14 Prozent der Fläche Bayerns oder – anders ausgedrückt – 22 Prozent der Waldfläche ausmachen. Große Wälder sind in Bayern per Gesetz „rotwildfrei zu machen und zu halten“ (§ 17, Ausführungsverordnung zum Bayerischen Jagd gesetz). So darf Rotwild weder im Steigerwald noch auf der Schwäbischen- und Fränkischen Alb, im Frankenwald und in weiten Teilen des Bayerischen Waldes leben. Und das, obwohl diese Gebiete als Lebensraum unserer größten Wildart genauso geeignet wären wie Spessart oder Oberpfälzer Wald. Auch in der Tschechischen Republik und in Österreich gibt es direkt an der Grenze zu Bayern große Rotwildvorkommen. Wechseln die Stücke über die Grenze, müssen sie erlegt werden, sofern nicht einer der bayerischen Rotwildbezirke an die Staatsgrenze anschließt. Letztmalig wurden im Jahr 2000 die bestehenden Rotwildbezirke überprüft und neu festgeschrieben. Dabei wurden bisher bestehende Bezirke zum Teil verkleinert – beispielsweise Sonthofen um 7 000 Hektar seit 1995 –, andere vergrößert (Isarauen). Die Ausführungsverordnung zum Bayerischen Jagdgesetz verpflichtet die Jäger weiterhin, jedes Stück Rotwild, das den Rotwildbezirk verlässt, zu erlegen. Gemeinsam mit der im Landeswaldgesetz verankerten Doktrin „Wald vor Wild“ verdeutlicht dies die extrem wildfeindliche Politik Bayerns.
Welch widersinnige Auswüchse diese Politik annehmen kann, zeigt sich im Allgäu, wo einst die Rotwildbezirke „Schwarzer Grat“ (Bayern) und „Adelegg“ (Baden-Württemberg) einen fast 20 000 Hektar großen Rotwildlebensraum bildeten. Im Jahr 1986 wurde der etwa 15000 Hektar große Rotwildbezirk auf bayerischer Seite per Dekret aufgelöst und ein Berufs jäger eingestellt, der das nunmehr „illegal“ vorkommende Edelwild zu liquidieren hatte. Der etwa 4000 Hektar große Rotwildbezirk „Adelegg“ auf baden-württembergischer Seite hingegen besteht bis heute. Und immer noch wird auf bayerischer Seite jedes Stück Rotwild – auch Kronenhirsche – erlegt, während in dem viel zu kleinen „Adelegg“ regulär nach Abschussplänen und mit Blick auf die Sozialstruktur gejagt wird. Ähnlich wie in „Adelegg“ sieht es an den Grenzen aller Rotwild bezirke Bayerns aus: Innerhalb des Bezirkes wird – oft mit vielen Mühen verbunden – nach Abschussplan gewirtschaftet, und die angrenzenden Reviere müssen beziehungsweise dürfen jedes Stück von Amts wegen erlegen. Der Grund für diese äußerst restriktive Politik ist die Angst vor Wildschäden. Diese Angst stammt noch aus Zeiten, in denen Horst Stern zu Recht anprangerte, dass sich der Wildbestand am jagdlichen Interesse orientiere und nicht an der Tragfähigkeit der Lebensräume.
vor. Der Grund für diese eigentlich zu begrüßende Verbreitung liegt in einer langen Kette von Kirrungen und Fütterungen, die jährlich in der Jagdzeit entlang der Grenze eingerichtet wird. Auf diese Weise wird das Rotwild aus dem tschechischen Böhmerwald in Gebiete gelockt, die nach dem bayerischen Jagd- gesetz „rotwildfrei zu machen und zu halten“ sind. Am Boden dieser Missstände ist man aber erst angelangt, wenn man begreift, warum sich die Jäger der Region zum Teil vehement gegen eine Ausweisung ihrer Reviere als Rotwildbezirke ausgesprochen haben: In Rotwildbezirken wären sie der Hege und damit auch einem regulären Abschussplan verpflichtet. Außerhalb der Rotwildbezirke muss jedes Stück, ob männlich oder weiblich, alt oder jung, erlegt werden. Und so wird häufig das Kahlwild geschont und auf den Kronenhirsch gewartet. Am Ende der Jagdzeit werden dann viele Kirrungen nicht mehr beschickt, und das über die Grenze gelockte Rotwild geht in den Wäldern zu Schaden.
Diese Beispiele zeigen, dass der Stolz der Bajuwaren auf ihren Rothirsch häufig nicht über den Stammtisch hinausreicht. Zwar ist der Bestand dieser Wildart in Bayern zweifellos gesichert, doch ein Blick in das bayerische Jagdgesetz reicht, um zu erkennen, dass das Edelwild im Freistaat weit von einem artgerechten Leben entfernt ist. In keinem anderen Bundesland ist der Rothirsch außerhalb der vorgegebenen Verbreitungsinseln so „vogelfrei“ wie in Bayern. Andere Bundesländer, die ebenfalls den Lebensraum auf Rotwildbezirke einschränken, lassen zumindest die Wanderbewegungen von mehrjährigen Hirschen zwischen den Rotwildgebieten zu. Innerhalb der Bezirke ist die Jagd auf den Rothirsch von langen Jagdzeiten, Kirrungen und Nachtjagd geprägt. So lassen die Umgangsformen mit Rotwild in Bayern einiges zu wünschen übrig, und manche Jäger müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Gelegenheit zum Missbrauch, die das Bayerische Jagdgesetz an einigen Stellen bietet, gerne annehmen.