Einarbeiten für die Praxis:
Wenn man Hundeprüfungen mit Führerscheinprüfungen vergleicht, kommt man mit etwas Phantasie zu gewissen Parallelen: Dem Führerschein-Neuling fehlt genau so die Praxis, wie dem „nur“ geprüften Jagdhund. Doch dagegen kann man etwas tun.
Auch wenn die Prüfungsordnungen (PO) für Jagdgebrauchshunde ganz eindeutig auf den späteren Einsatz der Vierläufer im praktischen Jagdbetrieb ausgerichtet sind, bestehen doch gewisse Unterschiede zwischen dem Führen eines Jagdhundes auf einer Prüfung und dem Einsatz in der Jagdpraxis. Die in der PO geforderte Praxis auf der Jagd haben eben nicht alle Hunde absolviert, oder zumindest nicht in vollem Maße.Von Uwe Heiss
Bei den Anlageprüfungen wie den Jugendsuchen (VJP und Derby) und Herbstzuchtprüfungen (HZP und Solms) werden zunächst vorrangig züchterisch wertvolle Anlagen festgestellt. Dort zeigen die jungen Hunde – mehr oder weniger aus sich heraus – was in ihnen steckt und was die Elterntiere ihnen mit auf den Weg gegeben haben. Abgesehen von der HZP, auf der zusätzlich schon einige Abrichtefächer wie die Schleppenarbeit geprüft werden.
In der Praxis wird oft das Gegenteil praktiziert
Richtig ernst wird es dann aber erst auf der Verbandsgebrauchsprüfung (VGP), die wesentlich umfangreicher und anspruchsvoller ist. Nicht umsonst wird sie als die Meisterprüfung für Jagdgebrauchshunde bezeichnet, denn hier müssen die Vierläufer neben ihren Anlagen echte Leistung in allen jagdlich relevanten Fächern nachweisen.
Doch selbst mit der bestandenen VGP oder Brauchbarkeitsprüfung in der Tasche ist der Hund meistens noch nicht völlig fit für die Praxis. Ein frischgebackener Führerschein-Inhaber muss sich auch erst in der Fahrpraxis bewähren, bevor er ein in allen möglichen Situationen sicherer Fahrer ist. Betrachten wir also die bestandene VGP als Führerschein, dann wird uns klar, dass es sinnvoll ist, das eine oder andere Fach nachzuarbeiten.
Unser Prüfungssystem ist vorbildlich. Field Trials, auf denen ja auch vor den Hunden Wild erlegt wird, können eine sehr sinnvolle Ergänzung zu den gängigen Verbandsprüfungen sein, von denen meiner Meinung nach häufiger auch in Deutschland Gebrauch gemacht werden sollte. Kritikern ist zu empfehlen, sich zuerst einmal die Field Trial-PO durchzulesen und dann ein gutes Trial zu besuchen, bevor abschließend geurteilt wird.
In Artikel 1. 1. der allgemeinen Bestimmungen aus der offiziellen Prüfungsordnung der Internationalen Field Trials der FCI heißt es:
„Ziel der internationalen Field Trials und internationalen jagdlichen Prüfungen für kontinentale Vorstehhunde, die unter der Schirmherrschaft der FCI durchgeführt werden, ist die Auslese der Hunde, die am wirksamsten jagen, und das in einem Stil, der dem Arbeitsstil ihrer Rasse möglichst nahe kommt, um somit die besten Erbträger zu ermitteln und dadurch auf essentielle Art und Weise zur Verbesserung der verschiedenen kontinentalen Vorstehhund-rassen beizutragen und zugleich das Interesse der Liebhaber an den wirklich guten Hunden zu wecken“.
Andere Jagdhunde, wie beispielsweise Bracken, Schweiß- und Bauhunde, werden ebenfalls in der Jagdpraxis überprüft. Keiner käme wohl auf die Idee, das lapidar als Hunde-Sport abzutun.
Wer mit seinem Hund nach erhaltenem „Führerschein“ noch enger zu einem erfolgreichen Jagdgespann zusammenwachsen möchte, sollte gerade seinen jungen Hund sehr bewusst führen und einjagen. Mit den Spielregeln der Jagd wird der Hund am besten zunächst bei der Einzeljagd vertraut gemacht. Hat der Vierläufer im Training unter Beweis gestellt, dass guter Gehorsam, systematisches Suchen, Vor- und Durchstehen mit anschließender Schussruhe Dinge sind, die er gut und sicher gecheckt hat, geht es diesmal mit Hund und Waffe raus ins Revier, um Beute zu machen.
Besonders sinnvoll ist es, zunächst auf Tauben, oder – jetzt nach der Verkürzung der Jagdzeit – auf Enten zu jagen. Eine gute Gelegenheit, Standruhe zu üben. Aber, was wird oft hierbei in der Praxis bewirkt? Das Gegenteil! Viele Hunde werden nämlich ungewollt „unruhig“ gemacht. Hat man vor dem Hund eine Taube oder Ente geschossen, wird er sofort losgeschickt, um das Wild zu apportieren. Wird dieses ein paarmal hintereinander praktiziert, startet der Hund meist schon bald ohne Kommando durch, wenn es nur geknallt hat.
Caspar darf deshalb nur unregelmäßig apportieren. Wird der Hund nämlich gleich nach jedem Schuss zum Apportieren geschickt, mache ich ihn mir selbst schuss-hitzig. Viele Tauben hole ich selbst und achte darauf, dass der Hund derweil ruhig auf seinem ihm zugewiesenen Platz bleibt. So erreiche ich, dass er Ruhe lernt und nicht glaubt, bei jedem Schuss und bei jedem gefallenen Stück losstürmen zu müssen. Beim Suchen und Vorstehen des ersten Stückes Wild, das gemeinsam bejagt werden soll, wird bei gut geleisteter Ausbildung alles nach Plan laufen.
Nachlassen der Konzentration
Steht der Hund gefundes Wild vor, trete ich wie immer von der Seite an ihn he-ran. Niemals nähere ich mich ihm von hinten. Genauso wenig sollte ein Jäger bei einer Gesellschaftsjagd von hinten an einen vorstehenden, fremden Hund herantreten. Junge Hunde und solche, die während der Ausbildung zu viel Druck von ihrem Führer bekommen haben, werden dann leicht unsicher und die Vorsteh-Konzentration lässt nach.
Tritt man von hinten an den Hund heran, kann es dessen Einspringen provozieren. So kann es beispielsweise passieren, dass dann der vorgestandene Fasan sich inzwischen klammheimlich aus dem Staub macht. Auch möchte ich bei flach abstreichendem Federwild (bei der Einzeljagd) oder bei einem vorgestandenen Hasen nicht gern den Hund zwischen mir und dem Wild haben.
Vierläufer nicht aus den Augen lassen
Bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Wild direkt nach der Vorarbeit des Hundes vor seinen Augen erlegt wird, läuft alles wie während der Ausbildung. Ich persönlich halte es für sinnvoll, beim ersten gemeinsamen Jagderlebnis ruhig eine Fasanenhenne vor dem vorstehenden jungen Hund zu erlegen – wenn die Situation es erfordert.
Jetzt ist allerdings wieder der Hundeführer gefordert. Schnell muss er sich genau merken, wohin das getroffene Wild gefallen ist, um gegebenenfalls den unerfahrenen jungen Hund unter Wind heranzuführen. Und das alles, ohne seinen Vierläufer auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen.
Steht er durch, wird er beruhigend gelobt, prellt er im Schuss nicht nach, ebenfalls. Tut er eins von beidem nicht, wird sofort korrigierend eingewirkt. Erst dann schickt der Führer seinen Vierläufer zum Apport. Prellt er nach, wird sofort korrigiert.
Schickt der Hund sich an, das Wild ohne Kommando zu apportieren, stoppen wir ihn und holen die Beute selbst, um ihn nicht noch zu belohnen.
Bewaffnete Reviergänge in einer kleinen Gruppe von Jagdfreunden sind die beste Art, den Hund weiter mit der Jagdpraxis und Gesellschaftsjagden vertraut zu machen. Beim Üben in der Gruppe hat Caspar bereits gelernt, dass man sich sein Wild selbst sucht und sich nicht – so reizvoll das für manche jungen Hunde auch sein mag – an den anderen Artgenossen orientiert, sondern nur zum Führer Kontakt hält. Letzteres allerdings nicht, indem er nur an dessen Hacken klebt und ihn freundlich anäugt, sondern sucht.
Auch wurde es für ihn durch Training mittlerweile selbstverständlich, dass man unter Umständen ruhig frei bei Fuß läuft, während andere Hunde suchen. Und apportiert werden darf eben nur, wenn es gesagt wird. Doch jetzt wird gejagt. Hier wird warmes Wild apportiert und unter Umständen auf Kommando auch mal ein laufkranker Hase gehetzt und gegriffen, der sauber und korrekt gebracht werden muss. Die Krux ist, dass er am nächsten, gesund abgehenden Hasen dann wieder Gehorsam zeigen muss. Erst wenn er dieses Wechselspiel beherrscht, macht es Spaß, mit ihm zu jagen.
Ohne Apport-Kommando lospreschen!
Es fiel Caspar anfangs äußerst schwer, sich ruhig zu verhalten, wenn er nur „zusehen“ musste, während ein anderer Hund am Wild arbeitete. Das ist für einen triebstarken, passionierten Jagdhund zwar verständlich, aber es hilft nichts: Standruhe ist das A und O, und die funktioniert nur über den Gehorsam! Bricht dieser in geschilderten Momenten mal zusammen, gilt es, so lange Gelerntes zu wiederholen, bis der Hund auch solche verführerischen Situationen meistert. Mit wesensfesten Hunden gelingt das.
Oft machen Hundeführer einen gravierenden Fehler. Anstatt sich ausschließlich auf ihren jungen Hund zu konzentrieren, sind sie für einen Augenblick nur aufs eigene Beutemachen fixiert und vergessen, den Vierläufer daran zu hindern ohne Apport-Kommando loszupreschen. Zumindest während der ersten gemeinsamen Jagden kommt erst der Hund und dann die eigene Passion. Der junge Hund wird nur dann sinnvoll eingejagt, wenn der Führer seine eigenen Interessen hintenan stellt.
Sekundieren ist absolut sinnvoll
Es ist durchaus machbar, als Durchgeh-Schütze in der Treiberwehr seinen passionierten Hund zu lenken, um ihn vor sich quersuchen zu lassen. Man darf ihn nur nicht aus den Augen lassen, und das gleiche Verhalten verlangen wie beim Training. Wie so oft könnte es so angenehm sein, wenn sich jeder gewissenhaft um seine Aufgaben kümmert.
Ärgerlich ist es allerdings, wenn unserem vorstehenden Hund das sichere, anhaltende Vorstehen dadurch verleidet wird, weil ein fremder Artgenosse herangeprescht kommt und ihm das Wild rauswirft. In solchem Fall leine ich Caspar lieber an. Nur all zu schnell verknüpft er sonst: „Vorstehen bringt nichts, sonst kommt wieder ein anderer und ist vor mir dran.“ Sekundieren ist für das gemeinsame Jagen mit mehreren Hunden absolut sinnvoll – leider ein Stiefkind auf unseren kontinentalen Prüfungen und als Konsequenz daraus auch in der Einarbeitung.
Gezielt an die Praxis heranführen
Peinlich sollte auf die Schuss- und Jagdruhe geachtet werden. Es tut gerade dem Erstlingsführer sehr gut, einige der ers-ten Treiben mit seinem angeleinten oder frei abgelegten Hund neben einem der Vorstehschützen zu stehen, um jederzeit einwirken zu können. Der Vierläufer muss begreifen, dass Ruhe das oberste Gebot bei der Jagd ist und nur Ruhe zum Erfolg führt. Das ist nicht immer einfach, aber es ist und bleibt für die anderen Jagdteilnehmer eine Zumutung, mit einem nervigen Hund, der seinem Unmut noch lauthals Luft macht, auf einer Gesellschaftsjagd zu erscheinen. Ebenso ist auf dem Jagdwagen und an der gelegten Strecke von Anfang an jeder Ansatz einer Rauferei massiv zu unterbinden. Unabhängig davon, wer angefangen hat. Das ist sowieso nicht immer wirklich zu erkennen, und solch ein Verhalten ist nicht zu dulden.
Gegen Ende der ersten Treibjagdsaison empfiehlt es sich, bei Gelegenheit den raubwildscharfen Hund mit zur Baujagd zu nehmen. Hat er bei den Treibjagden gelernt, ruhig auf seinem Platz zu bleiben, ist er bei der Baujagd eine echte Bereicherung. Den am Bau erlegten Fuchs darf er allerdings erst bringen, wenn die Erdhunde nach getaner Arbeit wieder angeleint sind. Ganz abgesehen davon, dass es nur stört, wenn der große Hund mit dem Rotrock im Fang über den Bau tapert, während sich die Teckel oder Terrier unter der Erde abmühen. Es sollte vor der Jagd mit den anderen Mitjägern abgesprochen sein, dass die Füchse später vom Hund geholt werden sollen und deshalb bitte liegenbleiben.
Verendet ein beschossener Fuchs – was vorkommt – nicht im Schuss, oder flüchtet er offensichtlich krank, wird der große Hund sofort geschnallt. Das muss aus Sicherheitsgründen den anderen Jägern zu verstehen gegeben werden. Auch müssen diese wissen, wenn der Hundeführer seinen Stand verlässt, weil er seinem Vierläufer folgt, um ihn zu unterstützen.
Es ist eine lohnende Investition, die ers-ten ein oder zwei Jahre bewusst für den Hund zu jagen. Einen guten Praktiker bekommt man meist nur, wenn man den jungen Hund wirklich gezielt an die Praxis heranführt. Und es ist eine Lust, im Gespann zu jagen.
Lohn konsequenter Ausbildung: Caspar harrt ohne zu mucken standruhig aus, während ein zweiter Hund den geflügelten Erpel arbeitet |