AUS DEM WILD UND HUND-TESTREVIER
In diesem Jahr haben sich Marketingleiter Johannes Ruttmann und WuH-Redakteur Tobias Thimm vorgenommen, gemeinsam auf Blattjagd zu gehen – mit außergwöhnlichem Erfolg. Johannes Ruttmann
Nach nur wenigen Fiep-Lauten kracht es in dem etwa 60 Meter entfernten Schönborngraben. Ein Bock springt ein paar Meter ins Helle auf Tobias und mich und zu. Der 98er ruht bereits auf dem Zielstock, doch für ein Ansprechen durch das Glas bleibt keine Zeit. In hohen Fluchten verschwindet der Recke wieder im Graben. Es ging alles viel zu schnell. Unser Puls ist bei gefühlten 180. „Ich konnte nur zwei hohe Spieße erkennen“, sage ich, doch Tobi, der den Bock aus einer anderen Perspektive sah, spricht von „Stangengewirr“ und nennt ihn „hochinteressant“. Reif, stark im Wildbret und mit massivem Träger – da sind wir uns auf jeden Fall einig. Doch was er wirklich aufhatte, wissen wir nicht.
Der Entschluss steht: Diesen Bock sehen wir uns noch einmal genauer an. Morgen kommen wir wieder!
Im Anschluss geht es zum Abendansitz. Während der Fahrt gibt es nur ein Thema: unseren Alten vom Schönborngraben. Auf der Feldkanzel fällt wenig später der erste Blattjagd-Bock im Testrevier, ein schwacher Jährlings-Spießer. In der Wildkammer stoßen wir auf den Jagderfolg an und erfahren von Chefredakteur Heiko Hornung, dass er am Schönborn schon mehrfach einen vermeintlichen Drei-Stangen-Bock in Anblick hatte. Gespannt lauschen wir seinen Ausführungen. Er wünscht uns Waidmannsheil und ermuntert uns, ihm nachzustellen. Am nächsten Tag geht es direkt nach Dienstschluss zum Schönborn. Doch der Wind steht schlecht, und wir beschließen, den Graben von unten anzugehen. Tobias sucht hinter einer Fichte Deckung. Ich richte mich seitlich von ihm ein, sodass ich den dicht bestockten Graben gut einsehen kann. Mein Kopfnicken signalisiert ihm, dass ich bereit bin. Tobias lässt zunächst zaghafte Fieplaute ertönen, doch es bleibt still. Lediglich ein paar Meisen zetern. „Ob der Alte hier im dunklen Graben überhaupt seinen Einstand hat?“ Dann geht wieder alles sehr schnell: Auf einen „Piah“-Laut meines Jagdführers, sehe ich im Gegenlicht der durch die Baumkronen scheinenden Sonne eine Bewegung am Grabenrand. Heimlich, fast geräuschlos zieht der Alte spitz auf uns zu. Keine 15 Meter ist er mehr entfernt, als er plötzlich verdeckt verhofft. Hat er Wind bekommen? Unsicher zieht er wieder einige Meter zurück in die Verjüngung.
Geistesgegenwärtig schreckt Tobias den Bock an. Der steht jetzt frei. Die Stille des warmen Sommerabends zerreißt der Knall der 8 x 57 IS. Auf kurze Distanz hat der Alte die Kugel erhalten und bleibt mit sauberem Blattschuss am Platz. Die obligatorische Zigarettenlänge halten wir nicht bis zum Ende durch. Zu groß ist die Neugier auf unsere Beute. Als wir langsam an den Bock herantreten, können wir unser Glück kaum fassen. Die tief eingeschnittene, linke Gabel mit dem nach innen gewandten Ende macht ihn zu etwas ganz Besonderem: mein erster, mehrjähriger abnormer Recke. Glücklich nehme ich den Bruch entgegen. „Wahnsinn, was für ein Bock! Waidmannsdank, Tobias.“