Keine Kompromisse

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20 Jahre führte Hans-Ulrich Herding Allround- Repetierbüchsen von der Stange auf Fuchs und Sau. 20 Jahre konnte er sich nicht damit abfinden, immer wieder Kompromisse schließen zu müssen. Also setzte er sich mit einem Büchsenmacher zusammen und entwarf zwei astreine Spezialisten.

 

Oben für Fuchs, darunter für Sau: Beide Spezialisten bestechen durch polierte Systeme, sandgestrahlte Stahlteile, umgearbeitete Magazine, Festmontagen und ganz spezielle Schäfte

Meine Büchsen passten. Aber sie passten eben nicht perfekt. Nicht perfekt für meine Körpermaße und nicht perfekt für den jeweiligen Einsatzzweck. Vor allem bei der Nachtjagd auf Fuchs und Sau musste ich immer wieder feststellen, dass man doch viel zu oft Kompromisse schließen muss, wenn man bei der Büchse nach dem Motto „Eine für alles“ verfährt. Und so entschloss ich mich, zusammen mit einem erfahrenen Büchsenmacher ganz spezielle Repetierer zu entwerfen und zu bauen. Ziel war es, die Waffen in jeder einzelnen Komponente konsequent auf bestimmte jagdliche Einsätze abzustimmen. Das macht sie zu ausgesprochenen Spezialisten und garantiert eine traumhafte Sicherheit beim Schuss, die ein „Allrounder von der Stange“ niemals bieten kann.

Geringere Spannung

Die Basis für meine Büchsen bildet das System 98; denn in einer Hinsicht ist es nach wie vor unschlagbar: in der Möglichkeit, aus einem fast unerschöpflichen Angebot an Läufen, Schäften, Abzügen, Visierungen, Montagen und sonstigen Komponenten, die für eine bestimmte Jagdart ideale Büchse zusammenzustellen.

Doch 98er-System ist nicht gleich 98er-System: Verarbeitung, Leichtgängigkeit und Stahlqualität variieren zum Teil erheblich. Das beste Preis-Leistungsverhältnis bieten meiner Meinung nach immer noch alte DWM- oder FN-Systeme. Die Gewehre, aus denen meine Büchsen entstehen sollten, waren also gebraucht, so dass sie erst einmal zerlegt und die Systeme aufpoliert werden mussten. Technisch blieben sie so weit wie möglich im Originalzustand, lediglich die Abzüge wurden gegen amerikanische Flintenabzüge (Timney) ausgetauscht, und die geraden Kammerstängel durch geschweifte ersetzt.

Wir haben sogar darauf verzichtet, die Hülsenbrücke des Systems gerade zu schleifen, was bei 98ern allgemein üblich ist, weil es die Montage des Zielfernrohres erleichtert. Stattdessen haben wir die hinteren Zielfernrohr-Montagefüße an die rundliche Form der Hülsenbrücke angepasst.

Die Läufe sind von Heym, ihre Kontur und Wandstärke dem Verwendungszweck angepasst. Vor allem die beachtliche Unempfindlichkeit gegenüber der Munitionssorte zeichnet die Rohre aus Gleichamberg aus. Alle Waffen brachten gleich mit der ersten Fabrikpatrone, die ich ausprobiert habe, jagdlich brauchbare Streukreise von drei bis vier Zentimetern.

Natürlich ist nicht nur der Lauf einer Büchse für die Schussleistung verantwortlich. Der Verschlussabstand, die Mündung und schließlich auch das Einpassen des Systems ins Holz sind entscheidend. Bei meinen Büchsen sind die Systeme über Kunststoffbettungen in die Schäfte eingesetzt. Das verringert Spannungen und erhöht erfahrungsgemäß die Präzision der Waffen. Bei den handgefertigten Schäften ist die Bettung nicht einmal ein Mehraufwand, denn sie erspart das genaue Einpassen des Systems in das Schaftholz.

Ungewöhnliche Form des Vorderschaftes

Der Nachtansitz auf Sauen sollte das Aufgabengebiet des ersten Gewehrs sein. Die Büchse musste kompakt und leicht sein, damit man sie in engen Kanzeln problemlos und ohne anzuecken in Anschlag bringen kann. Es wurde daher bei allen Komponenten auf Gewichtsminimierung geachtet. Der relativ dünnwandige Heym-Jagdlauf im Kaliber 9,3×62 ist lediglich 57 Zentimeter lang. Der Schaft wurde aus einem leichten Stück Nussbaumholz von Hand gearbeitet, allerdings sind Schaftform und Schaftmaße an den für den Kontakt zur Waffe wichtigen Stellen großzügig bemessen. So ist der Pistolengriff nach anatomischen Gesichtspunkten ausgearbeitet und denen von Matchbüchsen ähnlich.

Von modernen Sportwaffen abgeschaut ist auch die ungewöhnliche Form des Vorderschaftes. Der Lauf liegt nicht bis zur Hälfte im Holz, sondern er schwebt in seiner ganzen Länge darüber. Das verhindert das Klappern beim Auflegen des Vorderschaftes, und das Holz kann sich bei Feuchtigkeit nicht so weit verziehen, dass der Lauf anliegt. Der Hinterschaft ist für den sitzenden aufgelegten Anschlag gefertigt, denn nur dieser kommt in Betracht. Der Schaftrücken ist gerade, und eine Backe ist nicht vorhanden.

Einmalige Konstruktion

Das geringe Waffengewicht von etwa drei Kilogramm ohne Glas und Montage in Verbindung mit dem schweren Kaliber und dem kurzen Lauf hat eine Nebenwirkung: Die Waffe tritt wie ein Pferd. Erst durch die nachträglich angebrachte dicke und sehr weiche Schaftkappe lässt sie sich angenehm schießen.

Der Magazinschacht wurde auf das für den speziellen Einsatz ausreichende Fassungsvermögen von zwei Patronen gekürzt und von oben in den Schaft eingepasst, so dass dieser unten geschlossen ist. Der Abzugbügel wurde aus der Bodenplatte des 98ers hergestellt. Das vor dem Magazin befindliche Stück wurde abgesägt und an den hinter dem Magazin befindlichen Abzugbügel geschweißt. Eine solche Konstruktion ist bei einem 98er vielleicht einmalig; denn sie erfordert eine aufwändige und teure Handschäftung, da alle mir bekannten fertigen oder vorgefrästen Schäfte für einen durchgehenden Magazinschacht vorbereitet sind. Der Vorteil liegt in der Gewichtsersparnis und einer geringfügig verbesserten Auflagefläche der Büchse.

Schussentfernung liegt in der Nacht meist unter 50 Meter

Eine offene Visierung erschien mir bei einer Büchse, die fast ausschließlich nachts geführt wird, ebenso überflüssig wie ein abnehmbares Zielfernrohr. Bei den dafür notwendigen Montagen werden die Kräfte fast ausschließlich vom Vorderfuß aufgefangen. Der Hinterfuß dient allein der Fixierung des Glases und ist mehr oder weniger stoßempfindlich. Bei Festmontagen ist das anders: Vorder- und Hinterteil fangen in gleicher Weise die wirksamen Kräfte auf, das heißt, sie sind robuster und daher auch zuverlässiger.

Beim Glas entschied ich mich für das starre 6×42, das bei einem geringen Eigengewicht und guter Dämmerungsleistung ein im Vergleich zum großen Nachtglas entschieden größeres Gesichtsfeld garantiert. Die Schussentfernungen liegen in der Nacht meist unter 50 Meter, und bis zu dieser Entfernung ist der Bildausschnitt des 8×56 meines Erachtens zu klein, um in einer Rotte ein einzelnes Stück auszumachen. Ich jage durchaus auch mit großen variablen Gläsern, stelle in der Nacht jedoch immer die sechs- bis siebenfache Vergrößerung ein. Das Bild ist dann heller als bei acht- oder zehnfacher Vergrößerung und der Bildausschnitt ist größer.

Schnelligkeit

Für Fuchs und Schießstand sollte die zweite Waffe prädestiniert sein. In vielen Details entspricht sie der „Schwarzwild-Büchse“, was damit zusammenhängt, dass die Anforderungen ähnlich sind. Beide Repetierer werden vor- wiegend nachts geführt, und beide werden nur im sitzenden Anschlag geschossen.

Bei der Kaliber-Wahl schwankte ich lange zwischen der .22-250 Remington und der .243 Winchester. Ich entschied mich schließlich für die .243, weil sie bei vergleichbarer Rasanz ein schwereres und damit unempfindlicheres Geschoss ins Ziel bringt. Und das kann bei Seitenwind, wie beim gelegentlichen Einsatz auf Rehwild entscheidend sein.

Beim Schaft wurde die althergebrachte Form des Vorderschaftes, die den Lauf halb umschließt, gewählt. Ein besonderes Stilelement sind die ausgeprägten Kanten, die vor allem an den Griffflächen am Vorderschaft und im Bereich des Pistolengriffes den Kontakt zur Waffe verbessern. Die Linienführung im Bereich des Pistolengriffs ist meiner Hand nachempfunden. Das halte ich für sehr wichtig; denn je schlechter dort der Kontakt zum Gewehr ist, desto größer ist die Gefahr, zu verreißen.

Kimme und Korn fehlen auch bei der Fuchs-Büchse. Und als Zielfernrohr war wieder ein 6×42 auf Festmontage erste Wahl. Ausschlaggebend dafür war für mich das Verhalten des Fuchses. Er ist fast immer in Bewegung und durchquert das Blickfeld des Jägers in wenigen Minuten. Wer also Erfolg haben will, muss innerhalb kürzester Zeit die Waffe in Anschlag bringen und das kleine Ziel erfassen. Der Bildausschnitt des 8×56 ist so klein, dass ich manchen Fuchs, der zügig die Fläche überquerte, gar nicht ins Glas bekommen habe.

Abnehmbare Riemenbügel

Läufe und Systeme beider Gewehre wurden vor dem Brünieren sandgestrahlt und anschließend mit einer sehr feinen Drahtbürste behandelt. Die Oberflächen sind matt, Spiegelungen des Mondlichtes also ausgeschlossen. Meine Befürchtung, die Waffen könnten schneller rosten als die mit polierten Oberflächen, hat sich nicht bestätigt.

Die Riemenbügel sind sowohl bei der Schwarzwild- als auch bei der Fuchsbüchse abnehmbar, denn auf der Kanzel ist der Riemen nur störend. Entweder man bleibt schon irgendwo hängen, wenn man in Anschlag gehen will, oder verräterische Geräusche warnen das Wild. Daher stehen meine beiden Spezialisten immer ohne Riemen in der Kanzel-Ecke, damit sie ihre technischen Vorzüge auch im Ernstfall ausspielen können.

 


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