Jägerprüfung: Durchgefallen wiederholen oder klagen? (1)
Ein Verfahrensfehler läge vor, wenn der Sitz der ersten Kugel auf der Bock-Scheibe dem Prüfling nicht mitgeteilt wurde |
I. Die Rechtsgrundlage
Die Prüfung hat nicht bestanden, wer nicht in jedem Prüfungsfach mindestens die Endnote 4,0 erreicht hat. § 13 Abs.1 JPrO Bad.-Württ.
II. Der Sachverhalt
Prüfungskandidat K. hat die Jägerprüfung nicht bestanden. In den Prüfungsfächern 1 (Wildtierkunde) und 4 (Jagdrecht) hatte er jeweils nur eine Endnote von schlechter als 4,0 erreicht. Er fühlte sich deutlich unterbewertet.
Nach erfolglosem Widerspruch erhob er beim Verwaltungsgericht Klage mit dem Antrag, den negativen Prüfungsbescheid aufzuheben und die Untere Jagdbehörde zu verpflichten, seine Prüfungsleistungen fehlerfrei neu zu bewerten und anschließend die Prüfung für bestanden zu erklären.
Zur Begründung machte er geltend, ein Vergleich seiner Antworten mit der Musterlösung ergebe, dass seine Leistungen insgesamt jedenfalls mit ausreichend hätten bewertet werden müssen. Trotz erheblicher Übereinstimmung mit der Musterlösung habe er keine guten Noten erhalten. Auch seien mehrere Prüfer befangen gewesen, weil sie als Jagdpächter befürchten müssten, künftig bei der Vergabe von Jagdbezirken mit ihm konkurrieren zu müssen.
III. Das Urteil
Das Gericht wies die Klage ab. Die Prüfung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, die Benotung der einzelnen Antworten sei vom Gericht nicht überprüfbar, sondern allein Sache der zuständigen Prüfer. Diese seien auch nicht befangen gewesen.
1. Ordnungsgemäßer Prüfungsablauf
Das Prüfungsverfahren sei korrekt durchgeführt worden. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob bei der mündlichen Prüfung im Prüfungsfach 1 der Fachprüfer und der Zweitprüfer beide ständig anwesend gewesen seien; denn ein Verfahrensfehler führe nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden könne.
Hieran fehle es aber im vorliegenden Falle; denn K. habe auch im Prüfungsfach 4 keine ausreichenden Leistungen erbracht, so dass er schon aus diesem Grunde die Prüfung nicht bestanden habe.
2. Keine Benotungsfehler
Die Benotung der Leistungen unterliege nur teilweise der gerichtlichen Überprüfung. Denn die eigentliche Bewertung der Antworten sei allein Sache der zuständigen Prüfer, das Gericht dürfe deren Beurteilung nicht durch eine eigene ersetzen, auch nicht mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens.
Die gerichtliche Überprüfung erstrecke sich allein darauf, ob die Prüfer von falschen Tatsachen ausgegangen seien, allgemein gültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet hätten oder sich von sachfremden oder gar willkürlichen Erwägungen hätten leiten lassen.
Keiner dieser Verstöße sei hier gegeben. K. wende lediglich ein, seine Antworten hätten teilweise weitgehend der Musterlösung entsprochen und daher besser bewertet werden müssen. Gerade dies aber dürfe das Gericht nicht überprüfen, weil es sich hierbei um die eigentliche Bewertung der Prüfungsleistung handle, die ausschließlich den Prüfern zustehe.
Die für berufliche Prüfungen geltenden strengeren Überprüfungsmaßstäbe fänden auf die Jägerprüfung keine Anwendung. Denn die Jägerprüfung sei keine Berufszugangsschranke und könne in der Regel beliebig oft wiederholt werden. Aus diesem Grunde seien die Prüfer auch nicht verpflichtet, ihre Benotung des schriftlichen Teiles der Prüfung schriftlich zu begründen und im mündlich-praktischen Teil die Fragen und Antworten zu protokollieren.
3. Keine Befangenheit
Eine Befangenheit des Prüfers liege vor, wenn auf Grund objektiver Tatsachen vernünftigerweise die Besorgnis bestehe, er werde in der Sache nicht unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden.
Allein die Tatsache, dass ein Prüfer Jagdpächter sei und daher später einmal möglicherweise mit einem der Prüflinge um die Vergabe der Jagd konkurrieren könnte, reiche hierfür nicht aus. Davon gehe auch die Jägerprüfungsordnung aus, indem sie vorschreibe, dass die Prüfer pachtfähig sein müssten. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 2.10.1998 5 S 1830/97
IV. Anmerkungen
Die Anfechtbarkeit von Prüfungsbescheiden ist begrenzt. Das Gericht kann nur den ordnungsgemäßen Prüfungsablauf (1), die fehlerfreie Bestellung und Unbefangenheit der Prüfer (2) sowie die äußeren Grundlagen und Grenzen der Benotung (im nächsten Heft) überprüfen.
– Der eigentliche Kern der Bewertung, nämlich ob eine bestimmte Antwort zum Beispiel mit der Note 3 oder 5 zu benoten ist, ist der Kontrolle durch das Gericht entzogen. Das zu entscheiden ist allein Sache des Prüfers, dem hierbei ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht zur Enttäuschung vieler Prüflinge! Da hilft noch nicht einmal, dass ein anerkannter Sachverständiger die Antwort besser benoten würde oder er die vom Prüfer zugrunde gelegte Auffassung nicht teilt.
– In diesem Punkt haben es Berufsjäger und Forstbedienstete besser; denn bei berufsbezogenen Prüfungen findet eine wesentlich strengere Kontrolle durch die Gerichte statt, weil es um den Zugang zu einer beruflichen Betätigung geht.
Hier verlangt das Grundrecht auf Berufsfreiheit, dass zum Beispiel eine fachlich vertretbare Antwort nicht als falsch bewertet werden darf, auch wenn der Prüfer diese Auffassung nicht teilt (sog. Antwortspielraum des Prüflings), und dass eine fachlich unhaltbare Meinung des Prüfers nicht als Maßstab für die Bewertung der Antwort des Prüflings zu Grunde zu legen ist.
1. Verfahrensfehler
Ein Verfahrensfehler liegt vor, wenn Vorschriften über den äußeren Ablauf der Prüfung nicht eingehalten werden. Das ist zum Beispiel der Fall,
– wenn die vorgeschriebene Prüfungszeit unterschritten wurde,
– wenn die Nichtöffentlichkeit der Prüfung verletzt wurde,
– wenn der Fach- und der Zweitprüfer während der mündlich-praktischen Prüfung nicht beide ständig anwesend waren,
– wenn der Prüfungsausschuss fehlerhaft besetzt war,
– wenn beim Kugelschießen auf den Rehbock entgegen der Vorschrift nicht der erste Treffer angezeigt wurde usw.
– Verfahrensfehler sind aber nur erheblich, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie sich auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt haben können.
Das ist zum Beispiel bei einem Unterschreiten der Prüfungszeit der Fall, weil der Kandidat in der restlichen Zeit noch einige Fragen beantwortet oder korrigiert haben könnte. Ebenso ist es, wenn dem Kandidaten der Sitz des ersten Kugelschusses auf den Rehbock nicht angezeigt wurde, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass er bei den folgenden Schüssen den Haltepunkt geändert und dadurch ein besseres Ergebnis erzielt hätte.
– Unerheblich dürfte hingegen ein Verfahrensfehler sein, der darin besteht, dass die Prüfungszeit im schriftlichen Teil der Prüfung überschritten wurde oder die Aufsicht kurz den Raum verlassen hatte. Beides wirkt sich in aller Regel nur vorteilhaft aus.
Betrifft der Verfahrensfehler nur einen bestimmten Teil/nur ein bestimmtes Fach der Prüfung, hat der Kandidat aber die Prüfung auch wegen seiner Note in einem anderen Teil/Fach nicht bestanden, so fehlt es ebenfalls an der Erheblichkeit des Verfahrensverstoßes (siehe Urteil).
– Die Folge eines wesentlichen Verfahrensverstoßes besteht je nach dem Sitz des Fehlers
darin, dass entweder die betroffene Prüfungsleistung fehlerhaft zustande gekommen ist und daher dieser Prüfungsteil wiederholt und neu benotet werden muss, oder dass nur die Bewertung einen Fehler aufweist und neu vorzunehmen ist (zum Beispiel bei befangenem oder fehlerhaft bestelltem Prüfer).
– Deshalb kann in der Regel nur die Aufhebung der negativen Prüfungsentscheidung und die Nachholung einer fehlerfreien Prüfungsleistung mit neuer Benotung bzw. nur eine neue Bewertung verlangt werden, nicht jedoch, dass die Prüfung für bestanden erklärt wird.
– Die neue Benotung ist grundsätzlich vom bisherigen Prüfer vorzunehmen. Die Tatsache, dass er schon einmal mit der Sache befasst war und gegen seine Entscheidung erfolgreich Klage erhoben wurde, macht ihn noch nicht befangen. So viel Größe wird von einem Prüfer erwartet.
2. Befangenheit
Eine fehlerfreie Benotung setzt voraus, dass der Prüfer unbefangen ist. Befangenheit liegt vor, wenn aufgrund von Tatsachen nicht auszuschließen ist, dass der Prüfer voreingenommen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er tatsächlich befangen ist; es genügt das Vorliegen eines Grundes, der eine Befangenheit als möglich erscheinen lässt.
– Gründe für eine Befangenheit sind zum Beispiel Freundschaft oder Feindschaft sowie herabsetzende Äußerungen gegenüber dem Prüfling während der Prüfung. Nicht ausreichend sind hingegen allgemeine Gründe wie andere Konfession, anderes Geschlecht, andere Gesinnung usw.
– Hat aber der Prüfer zum Beispiel erklärt, Frauen gehören nicht auf die Jagd, sie haben die Beute zu versorgen oder bei uns jagen schon seit jeher nur Katholiken, und so soll es auch bleiben, so liegt natürlich Befangenheit vor; denn mit solchen Äußerungen gibt der Prüfer zu erkennen, dass er diese Personen von der Jagd ausschließen will.
– Nicht befangen, sondern von vornherein von Gesetzes wegen ausgeschlossen (§ 20 Verwaltungsverfahrensgesetz) ist ein Prüfer zum Beispiel gegenüber Angehörigen (Verlobten, Ehegatten, Verwandten und Verschwägerten) sowie gegenüber Beschäftigten im eigenen Betrieb und umgekehrt als Beschäftigter im Betrieb des Prüflings.
V. Ergebnis
1. Bei Verfahrensfehlern, die sich auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt haben können, kann grundsätzlich nur die Aufhebung des Prüfungsbescheids und eine Wiederholung des fehlerhaften Prüfungsteils mit neuer Benotung verlangt werden, nicht jedoch, dass die Prüfung für bestanden erklärt wird.
2. Hat ein befangener oder ausgeschlossener Prüfer mitgewirkt, so ist der Prüfungsbescheid aufzuheben und die Prüfungsleistung von einem anderen Prüfer neu zu bewerten. u
Das Jagdrecht in Schleswig-Holstein
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Dr. jur. Horst Schulz, Das Jagdrecht in SchleswigHolstein, Kommentar, Stand 2003, 574 Seiten, Loseblattausgabe, ISBN 3-86115-910-4, Kommunal- und Schul-Verlag Kiel, 52,60 Euro.