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403 JVG: Kein Wildschadensersatz – Pauschale Anmeldung, Vermischung und Verfahrensmängel

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1. Der Fall

Ein Landwirt meldete bei der Gemeinde verschiedene Wildschäden an. Dabei gab er als Zeitpunkt an, dass die Schäden fortlaufend entstanden seien. Er fügte eine Liste von 30 Flur­stücken mit 30 Parzellen bei, auf denen die Schäden entstanden seien. Nachträglich bezifferte er die Schäden auf insgesamt 1 000 Euro. Nähere Angaben zu Art, Ort und Umfang der einzelnen Schäden machte er nicht. Der Jagdpächter war mangels Ladung nicht am Schätztermin anwesend. Gleichwohl erließ die Gemeinde einen Vorbescheid über 1 060 Euro zuzüglich 228 Euro Verfahrenskosten. Der Pächter ging vor Gericht.

von Mark G. v. Pückler

Ein entstandener Wildschaden muss bei dem Revierpächter unverzüglich angemeldet werden.
Foto: Michael Breuer

II. Das Urteil

Das zuständige Amtsgericht hob den Vorbescheid auf Kosten des Landwirts auf. Es sei weder erwiesen, so das Gericht, dass die Schäden rechtzeitig angemeldet wurden, noch dass sie nicht mit unangemeldeten Altschäden vermischt waren. Nach dem Gesetz müssen Wildschäden innerhalb von einer Woche ab Kenntnis von dem Schaden oder ab dem Tage, an dem der Geschädigte bei Beachtung gehöriger Sorgfalt von dem Schaden Kenntnis erhalten hätte, angemeldet werden.

Zum Zeitpunkt des Entstehens der Schäden und der Kenntnisnahme von den Schäden habe der Landwirt keine genauen Angaben gemacht, sondern lediglich fortlaufend eingetragen. Aus dieser Bezeichnung ergebe sich weder das Datum der jeweiligen Kenntnisnahme noch die Art, der Ort und der Umfang der Schäden. Fortlaufende Schäden müssten ebenfalls fortlaufend ordnungsgemäß angemeldet und von verspätet oder gar nicht angemeldeten Altschäden getrennt werden. Sei eine solche Trennung nicht möglich, gebe es keinen Ersatz, weil der Geschädigte die Höhe seines Schadens nicht exakt bestimmen kann.
Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler, Urteil vom 8.4.2016 – 31 C 365/15 –

 

III. Anmerkungen

1. Das Vorverfahren
Das Verfahren wegen Wildschadensersatzes ist teilweise landesrechtlich unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich beginnt es mit einem Vorverfahren, das von der Gemeinde durchgeführt wird, auf deren Gebiet der Schaden entstanden ist. Sein Zweck besteht darin, möglichst zeitnah Ursache und Umfang des Schadens festzustellen und eine gütliche Einigung anzustreben, um Streitigkeiten vor Gericht zu vermeiden und so den Jagdfrieden zu bewahren.

Ob das Vorverfahren in allen Punkten ordnungsgemäß durchgeführt wurde, ist für das anschließende Gerichtsverfahren weitgehend unerheblich. Entscheidend ist nur, dass ein solches Verfahren überhaupt durchgeführt wurde. Aber es gibt eine wichtige Ausnahme: Hat die Gemeinde die Durchführung eines Vorverfahrens rechtswidrig abgelehnt oder nicht fortgeführt, ist eine Klage auch ohne abgeschlossenes Vorverfahren zulässig.

Nach Erlass des Vorbescheids können beide Seiten innerhalb der angegebenen Frist beim zuständigen Amtsgericht Klage erheben. Die Gerichte sind weder an das Ergebnis des Vorverfahrens noch an die Schätzung des Wildschadensschätzers gebunden. Sie entscheiden nach ihrer freien Überzeugung und können hierzu sowohl auf die Ergebnisse des Vorverfahrens zurückgreifen als auch weitere Beweise erheben.

2. Erlöschen durch verspätete Anmeldung

Nach § 34 BJagdG und den entsprechenden Landesjagdgesetzen erlischt der Anspruch auf Wildschadensersatz, wenn der Berechtigte den Schadensfall nicht binnen einer Woche, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis erhalten hätte, bei der zuständigen  Behörde angemeldet hat. Diese Frist muss eingehalten werden, andernfalls gibt es keinen Ersatz. Die Kürze der Frist soll dazu beitragen, die Ursache des Schadens möglichst sicher festzustellen und den Ersatzpflichtigen alsbald davon zu informieren, damit er weitere Schäden verhindern kann.
Die Berechnung der Frist ist denkbar einfach: Kenntnis erhalten am Dienstag, Ablauf der Frist am folgenden Dienstag 24 Uhr. Fällt das Fristende auf ein Wochenende oder Feiertag, so endet die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktages 24 Uhr. Eine Verlängerung der Frist ist allenfalls bei höherer Gewalt denkbar. Der Geschädigte muss beweisen, dass er die Frist eingehalten hat.

In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass ein Landwirt seine Flächen während der Dauer, in der regelmäßig mit Wildschäden zu rechnen ist, grundsätzlich monatlich kontrollieren muss (BGH, Urteil v. 15.4.2010 –III ZR 216/09-). Das bedeutet etwa alle vier Wochen, zum Beispiel Kontrolle am 10. Juni, nächste Kontrolle spätestens am 10. Juli. Es bedeutet nicht, irgendwann einmal im Monat, also z. B. nicht Kontrolle am 10. Juni, die nächste am 30. Juli. Handelt es sich um ein Grundstück, das besonders gefährdet ist oder auf dem in den vergangenen Jahren wiederholt Wildschäden festgestellt wurden, so verkürzt sich diese Frist je nach der Höhe der Gefährdung auf drei/zwei oder gar nur eine Woche. Nur bei fristgerechter Einhaltung dieser Kontrollen handelt der Geschädigte mit gehöriger Sorgfalt. Das hat zur Folge, dass Schäden, die bei Kenntniserhalt bereits älter als einen Monat oder drei/zwei/eine Woche sind, regelmäßig verspätet angemeldet wurden und daher nicht mehr zu ersetzen sind.

Fortlaufende Schäden sind wöchentlich anzumelden, weil die Anmeldung jeweils nur denjenigen Schaden erfasst, von dem der Geschädigte innerhalb der Wochenfrist Kenntnis erhalten hatte. Nachträglich vergrößerte Schäden sind ebenfalls grundsätzlich fristgerecht nachzumelden. Zur Anmeldung gehören je nach Landesrecht: Name und Anschrift des Geschädigten und Ersatzpflichtigen, Tag der Kenntniserlangung vom Schaden, exakte Angabe des Schadensortes, geschädigte Kultur, Größe der geschädigten Flächen sowie vermutete Schadensursache.

3. Erlöschen durch Vermischung

Der Geschädigte muss nicht nur beweisen, dass der Schaden von Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen verursacht wurde und er diesen rechtzeitig angemeldet hat, sondern auch wie hoch sein Schaden tatsächlich ist. Im Fall ­einer Vermischung von rechtzeitig angemeldeten Schäden mit unangemeldeten oder verspätet angemeldeten Schäden ist die Höhe des zu ersetzenden Schadens nicht berechenbar, der Anspruch auf Ersatz also nicht gegeben.

Eine Schätzung durch das Gericht gemäß § 287 Zivilprozessordnung scheidet in der Regel mangels greifbarer Anhaltspunkte aus (BGH, Urt. vom 5.5.2011 –III ZR 91/10). Außerdem hat der Geschädigte seine Beweisprobleme selbst verschuldet, indem er die Frist versäumte, die auch der Feststellung seines Schadens diente. Eine Vermischung mit nicht zu ersetzenden Schäden kann auch darauf beruhen, dass Schäden beigemischt sind, die von anderen Wildarten, von Haustieren, von Insekten, Bakterien oder Unwettern stammen.

IV. Ergebnis

1. Ohne Vorverfahren kein Ersatz, außer die Gemeinde hat das Verfahren verweigert oder nicht fortgesetzt.
2. Das Vorverfahren muss nicht fehlerfrei durchgeführt worden sein, Hauptsache es wurde überhaupt ­eines durchgeführt.
3. Bei verspäteter Anmeldung erlischt der Ersatzanspruch, es gibt grundsätzlich keine Verlängerung.
4. Kann die Höhe des ordnungsgemäß angemeldeten Schadens nicht
sicher bestimmt werden, weil er mit nicht oder nicht mehr zu ersetzenden Schäden vermischt ist, gibt es keinen Ersatz.
5. Es empfiehlt sich, festgestellte Schäden unter Notierung des Datums zu fotografieren, ebenso nachträgliche Erweiterungen und Folgeschäden.

Einsender des Urteils: RA Müller-Schallenberg, Leverkusen, Präsident des LJV NRW

Waren Sauen in der Wiese, muss der Schaden innerhalb einer Woche nach seiner Entdeckung angemeldet und beziffert werden.
Foto: STBphotos
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