In Thüringen wurde ein Jäger zu einer Geldstrafe von 3500 DM verurteilt
I. Die Rechtsgrundlage
„Erlegtes Haarwild, das zum Genuss für Menschen bestimmt ist, unterliegt der amtlichen Fleischuntersuchung.
Diese kann bei erlegtem Haarwild unterbleiben, wenn keine Merkmale festgestellt werden, die das Fleisch als bedenklich zum Genuss für Menschen erscheinen lassen, und
1. das Fleisch zum eigenen Verbrauch verwendet oder unmittelbar an einzelne natürliche Personen zum eigenen Verbrauch abgegeben wird, oder
2. das erlegte Haarwild unmittelbar nach dem Erlegen in geringen Mengen an nahegelegene be- oder verarbeitende Betriebe zur Abgabe an Verbraucher zum Verzehr an Ort und Stelle oder zur Verwendung im eigenen Haushalt geliefert wird.“
§ 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Fleischhygienegesetz (FHG)
„Der amtlichen Untersuchung auf Trichinen unterliegen nach der Tötung Wildschweine, Bären, Füchse, Sumpfbiber, Dachse und andere fleischfressende Tiere, die Träger von Trichinen sein können, wenn das Fleisch zum Genuss für Menschen verwendet werden soll.“
§ 1 Abs. 3 Satz 2 FHG
„Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Fleisch, das der Fleischuntersuchung oder der Untersuchung auf Trichinen unterliegt, zum Genuss für Menschen zubereitet oder in den Verkehr bringt, bevor die vorgeschriebene Untersuchung durchgeführt worden ist.“
„In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch eine der vorgenannten Handlungen
1. die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet,
2. einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit bringt oder
3. aus grobem Eigennutz für sich oder einen anderen Vermögensvorteile großen Ausmaßes erlangt.“
„Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.“ § 28 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und Abs. 4 FHG
II. Der Sachverhalt
J. ist Jagdvorsteher und seit 20 Jahren Jäger. In der Zeit von April 1995 bis Januar 1996 erlegte er insgesamt acht Stück Schwarzwild.
Obwohl er wusste, dass diese Wildart immer auf Trichinen untersucht werden muss, gab er das erlegte Wild ab, ohne vorher eine Trichinenuntersuchung veranlasst zu haben. Die Sache wurde bekannt, J. kam vor Gericht.
$(III. Das Urteil)
Das Gericht verurteilte J. wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Fleischhygienegesetz in insgesamt fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50 DM.
Zur Begründung wies das Gericht darauf hin, dass J. mit der Abgabe des Wildbrets an Dritte ohne vorherige amtliche Trichinenuntersuchung vorsätzlich gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 des Fleischhygienegesetzes verstoßen und dadurch den Straftatbestand des § 28 Abs. 1 Nr. 2 Fleischhygienegesetzes erfüllt habe.
Soweit er angegeben habe, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben, sei zumindest von bedingtem Vorsatz auszugehen. Aus den Bestimmungen über die Durchführung der Jägerprüfung in der ehemaligen DDR ergebe sich nämlich, dass zum Prüfungsfach „Rechtskunde“ die Kenntnis über die Pflicht zur Untersuchung des Wildbrets von Schwarzwild auf Trichinen gehört hat.
Auch nach damaligem Recht habe erst die erforderliche Trichinenschau durchgeführt werden müssen, ehe Schützenanteile übergeben beziehungsweise das Wildbret an die damaligen Wildabnahmestellen weitergeleitet wurden.
Bei der Strafzumessung sei zugunsten des J. berücksichtigt worden, dass er nicht vorbestraft sei. Daher sei eine Einsatzgeldstrafe von jeweils 20 Tagessätzen pro Verstoß als tat- und schuldangemessen anzusehen. Hieraus sei eine Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen gebildet worden.
Amtsgericht Sondershausen, Urteil vom 19.5.1998 – 24 Js 44992/97 Cs –
IV. Anmerkungen
Man mag es gar nicht glauben, dass ein erfahrener Jäger bewusst so sorglos mit erlegtem Schwarzwild umgegangen ist und die Gesundheit vieler anderer dadurch in erheblichem Maße gefährdet hat.
Wehe ihm, wenn auch nur einer von ihnen erkrankt wäre, dann wären zusätzlich Schadensersatzansprüche auf ihn zugekommen, deren Umfang gar nicht abzuschätzen ist.
Die Skala reicht hier von Krankenhauskosten und Schmerzensgeld über Verdienstausfall bis hin zu lebenslänglichem Unterhalt für die unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen im Falle von Tod oder Arbeitsunfähigkeit.
Ob die Jagdhaftpflichtversicherung eingesprungen wäre, erscheint äußerst zweifelhaft, weil die Pflicht zur amtlichen Trichinenuntersuchung vorsätzlich verletzt wurde und daher auch die Gesundheitsschädigung möglicherweise in Kauf genommen wurde.
Die Pflichten zur Durchführung der Trichinenuntersuchung und – bei Anlass – der Fleischuntersuchung gehören zweifellos zu den wichtigsten Aufgaben des Jagdausübungsberechtigten, weil sie dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen.
Der Gesetzgeber hat daher einen Verstoß hiergegen als Straftat statuiert, nicht als bloße Ordnungswidrigkeit, und für besonders schwere Fälle sieht er gar eine Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe vor.
Wildbret ist ein besonders hochwertiges Lebensmittel. Es wird vom Jagdausübungsberechtigten „geerntet“ und an andere weitergegeben. Deshalb ist er auch in der Pflicht. Er beobachtet das Verhalten des Wildes vor dem Schuss, und er sieht den Zustand des Wildes und seiner Organe nach dem Erlegen.
Von ihm wird daher verlangt, dass ihm bedenkliche Merkmale auffallen und er zu deren Abklärung eine amtliche Fleischuntersuchung veranlasst. Bei Schwarzwild ist immer eine amtliche Trichinenuntersuchung durchzuführen, sofern es für den menschlichen Verzehr vorgesehen ist.
Werden außerdem „bedenkliche Merkmale“ am Stück festgestellt oder ist es durch einen Unfall verendet, so muss zusätzlich eine amtliche Fleischuntersuchung durchgeführt werden.
Wegen der besonderen Bedeutung sind die Grundsätze der Wildbrethygiene in der nachfolgenden Übersicht zusammengestellt: Sie gehen jeden Jäger an!
V. Ergebnis
1. Der Jagdausübungsberechtigte/ Revierinhaber ist verpflichtet, alles Schwarzwild,
das für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, einer vorherigen Trichinenuntersuchung zuzuführen. Das gilt auch bei Eigenverzehr.
2. Eine Fleischuntersuchung ist in der Regel nur erforderlich, wenn „bedenkliche Merkmale“ am Wild festgestellt werden (z. B. unnatürliches Verhalten, abgekommener Zustand, Veränderungen am Wildbret oder an den Organen). Das gilt für alles Haarwild und grundsätzlich auch für Federwild.
3. Verunglücktes Wild muss stets zur Fleischuntersuchung (Verkehrsunfall o. ä.), Fallwild ist in jedem Fall genussuntauglich. Es muss unschädlich beseitigt werden (Tierkörperbeseitungsanstalt), sofern es nicht für Untersuchungszwecke benötigt wird.
4. Die Verletzung der Pflicht zur Durchführung der Fleischuntersuchung oder Trichinenuntersuchung ist eine Straftat, bei Gesundheitsbeeinträchtigungen ist außerdem mit umfangreichen Schadensersatzansprüchen zu rechnen.