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Treuhandflächen: Eigenjagdbezirk mitverpachtet (2)

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Über einen weiteren Rechtsstreit, bei dem Treuhandflächen, die einen Eigenjagdbezirk bildeten, verpachtet wurden, berichtet Mark G. v. Pückler.

I. Die Rechtsgrundlage

„Zusammenhängende Grundflächen mit einer land-, forst- und fischereiwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 75 ha an, die im Eigentum ein und derselben Person oder einer Personengemeinschaft stehen, bilden einen Eigenjagdbezirk.“ § 7 Abs. 1 BJG

„Alle Grundflächen einer Gemeinde, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, bilden einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, wenn sie im Zusammenhang mindestens 150 ha umfassen.“ § 8 Abs. 1 BJG

„Wird das Eigentum (ebenso: Jagdausübungsrecht) in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.

Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.“ § 1004 BGB

II. Der Sachverhalt

Am 24.3.1992 verpachtete die Jagdgenossenschaft V in Brandenburg den gemeinschaftlichen Jagdbezirk an die Pächter P. Mit Vermögenszuordnungsbescheid vom 29.4.1994 wurde nachträglich festgestellt, dass verschiedene Grundstücke des Jagdbezirks von der Größe eines Eigenjagdbezirks in das Eigentum der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben übergegangen sind.

Die Pächter bejagten auch weiterhin diese Grundstücke. Daraufhin verlangte die Bundesanstalt die Unterlassung der Jagdausübung durch die Pächter auf diesen Flächen mit der Begründung, dass bereits vor Abschluss des Pachtvertrages über den gemeinschaftlichen Jagdbezirk ein Eigenjagdbezirk vorgelegen habe, so dass dieser nicht mit dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk habe mitverpachtet werden können.

Die Jagdgenossenschaft könne nicht wirksam Flächen verpachten, die nicht zu ihrem Jagdbezirk gehörten. Die Pächter traten der Klage entgegen und erwiderten, dass der Eigentumsübergang erst durch Erlass des Vermögenszuordnungsbescheids im Jahre 1994 und damit nach Abschluss des Pachtvertrages eingetreten sei.

Im übrigen habe ein Bevollmächtigter der Treuhand seinerzeit der Verpachtung zugestimmt, auch sei die Entstehung des Eigenjagdbezirkes der Unteren Jagdbehörde nicht angezeigt worden.

III. Das Urteil

Das Gericht gab der Bundesanstalt recht; es untersagte den Pächtern die Ausübung der Jagd auf den zum Eigenjagdbezirk gehörenden Flächen und drohte ihnen für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis 100.000,- DM (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten).

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet sei, weil die Pächter die Jagd auf den zum Eigenjagdbezirk gehörenden Flächen ausübten, ohne hierzu berechtigt zu sein, und für die Zukunft Wiederholungsgefahr bestehe.

Die Bundesanstalt sei aufgrund der Flächengröße Inhaberin eines Eigenjagdbezirks geworden. Die Eigentumsrechte an den betroffenen Grundstücken seien ihrer Rechtsvorgängerin, der Treuhandanstalt, nach § 3 der 3. DVO zum Treuhandgesetz bereits mit Inkrafttreten dieser Durchführungsverordnung am 4.9.1990 zur treuhänderischen Verwaltung übertragen worden.

Mit Inkrafttreten der 3. DVO zum Treuhandgesetz sei die Treuhandanstalt treuhänderische Eigentümerin aller zum damaligen Zeitpunkt noch volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen geworden, die sich im Besitz von Genossenschaften und Einzelpersonen befunden hätten.

Auf den Zeitpunkt des Erlasses des Vermögenszuordnungsbescheides am 29.4.1994 komme es daher nicht an; dieser habe den bereits früher kraft Gesetzes eingetretenen Eigentumswechsel lediglich gemäß § 1 VZOG deklaratorisch festgestellt.

Da dieser Bescheid bestandskräftig geworden sei, könne auch nicht (mehr) eingewandt werden, dass die Voraussetzungen für den Eigentumsübergang nicht vorgelegen hätten. Die Eigenjagdinhaberin sei auch nicht verpflichtet, die Jagdausübung durch die Pächter in ihrem Jagdbezirk zu dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB).

Eine solche Duldungspflicht ergebe sich insbesondere nicht aus dem Pachtvertrag; denn die Jagdgenossenschaft habe nur über das Jagdausübungsrecht an den zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehörenden Flächen verfügen können, nicht jedoch über das Jagdausübungsrecht an dem bereits vor der Verpachtung bestehenden und damit nicht zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehörenden Eigenjagdbezirk.

Unerheblich sei, dass der Eigenjagdbezirk nicht bei der Unteren Jagdbehörde angezeigt worden sei; denn eine solche Anzeige sei weder Entstehungsvoraussetzung für den Eigenjagdbezirk noch begründe eine Nichtanzeige die Berechtigung der Jagdgenossenschaft, über Flächen zu verfügen, die einen Eigenjagdbezirk bildeten. Ein Eigenjagdbezirk entstehe kraft Gesetzes, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben seien.

Eine Verpflichtung zur Duldung der Jagdausübung durch die Pächter ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass ein Bevollmächtigter der Treuhand bei der Vergabe des Jagdbezirkes der Verpachtung zugestimmt habe; denn aus dem „Konzept zur Ausübung des Jagdrechtes auf Flächen, die der Treuhandanstalt übertragen wurden“ ergebe sich, dass Jagdpachtverträge über Eigenjagdbezirke der Genehmigung des Generalbevollmächtigten der Unternehmensgruppe Land- und Forstwirtschaft bedürften.

Eine solche Genehmigung sei aber nicht erteilt worden. Da die Pächter des Jagdausübungsrechts auch die Flächen des Eigenjagdbezirkes für sich in Anspruch nähmen, bestehe die Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen des Jagdausübungsrechts des Eigenjagdbezirkes, so dass die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs insgesamt gegeben seien.
Landgericht Neuruppin, Urt. v. 25.7.1996 – 5 O 155/95 –

IV. Anmerkungen

1. Entstehen von Eigenjagdbezirken
Eigenjagdbezirke entstehen automatisch kraft Gesetzes, sobald die dafür notwendigen Voraussetzungen gegeben sind, nämlich – mindestens 75 ha land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbare Fläche im Zusammenhang, wobei sogenannte Punktberührung zwischen den einzelnen Grundstücken ausreicht, und Eigentum ein und derselben Person oder Personengemeinschaft ist.

  • Erwirbt jemand ein Grundstück aufgrund eines Kaufvertrages, so wird er erst dann Grundstückseigentümer, wenn er im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Vorher hat er nur einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums, ist aber noch nicht Eigentümer.
  • Erwirbt jemand im Erbgang ein Grundstück, so wird er schon im Augenblick des Todes des Erblassers kraft Gesetzes (§ 1922 BGB) Eigentümer des Grundstücks (auflösend bedingt für den Fall einer nachträglichen Ausschlagung der Erbschaft), obwohl in diesem Moment im Grundbuch noch der Verstorbene als Eigentümer eingetragen ist. Das Grundbuch ist dadurch unrichtig geworden, der (Mit-) Erbe hat Anspruch auf Eintragung seiner Person als (Mit-) Eigentümer in das Grundbuch (= Berichtigung des Grundbuchs).
  • Ähnlich ist es bei anderen Erwerben durch Gesetz: Der vom Gesetz Vorgesehene wird automatisch und sofort Eigentümer, das Grundbuch ist anschließend entsprechend zu ändern. Deshalb wurde die Treuhand nach § 3 der 3. DVO zum Treuhandgesetz am Tage des Inkrafttretens dieser Bestimmung (04.09.1990) automatisch Eigentümerin der betroffenen Flächen, ohne dass es einer Eintragung im Grundbuch bedurfte. Diese folgt nach.

Zeitpunkt/Beginn der Nutzbarkeit eines Eigenjagdbezirks
Eine ganz andere Frage ist aber, wann der Eigenjagdinhaber von seinem Jagdausübungsrecht Gebrauch machen kann:

  • Waren die Flächen vor Entstehung des Eigenjagdbezirkes Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirkes, so kann der Eigenjagdinhaber sein Jagdausübungsrecht erst nutzen, wenn der bestehende Pachtvertrag über den gemeinschaftlichen Jagdbezirk abgelaufen ist (= Schutz laufender Pachtverträge, § 14 Abs. 2 BJG).
  • Beispiel: Landwirt L. ist mit 40 ha Mitglied der Jagdgenossenschaft. Während der Pachtperiode wird er Eigentümer weiterer 40 ha, die mit seinen übrigen Flächen in Zusammenhang stehen. Den dadurch entstandenen Eigenjagdbezirk mit 80 ha kann er erst nach Ablauf des laufenden Pachtvertrages betreffend den gemeinschaftlichen Jagdbezirk nutzen, bis dahin bleibt er mit beiden Flächen Mitglied der Jagdgenossenschaft.
  • Endet der bestehende Pachtvertrag z. B. am 31.3.2000, wird er aber schon vorher (1.10.1999) um weitere neun Jahre verlängert, und entsteht anschließend zwischen dem Abschluss der Verlängerungsvereinbarung (1.10.1999) und dem Ablauf des Pachtvertrages (31.3.2000) ein Eigenjagdbezirk (z. B. am 15.1.2000), so steht der Verlängerungsvertrag nicht entgegen, weil nur der laufende Pachtvertrag geschützt wird und dieser noch nicht beendet ist. Der Eigenjagdinhaber kann daher ab 1.4.2000 seinen Eigenjagdbezirk nutzen.
  • Gleiches gilt, wenn der laufende Pachtvertrag nicht verlängert, sondern vorzeitig (1.10.1999) ein neuer Pachtvertrag mit Wirkung ab 1.4.2000 abgeschlossen wird, mit den bisherigen Pächtern oder mit neuen. Denn geschützt ist der laufende Pachtvertrag bis zu seinem vorgesehenen Ende, durch vorgezogene Verlängerungen oder gar Neuabschlüsse können die Rechte des Eigenjagdinhabers nicht „unterlaufen“ werden (BGH in NJW 1974, S. 1655).

    Das dürfte auch dann gelten, wenn in Erwartung eines bevorstehenden Entstehens eines Eigenjagdbezirkes allein zwecks Sicherung der bisherigen Pachtfläche schnell der laufende Pachtvertrag einvernehmlich aufgelöst wird (1.10.1999), dieser also „beendet“ ist, und ein neuer Pachtvertrag ab demselben Tage oder später, aber noch vor Entstehung des Eigenjagdbezirkes, abgeschlossen wird, so dass bei Entstehung des Eigenjagdbezirks der neue Pachtvertrag mit noch wesentlich längerer Restzeit der „laufende“ ist. Mit solchen „Tricks“ kann nach meiner Auffassung die Nutzung des Eigenjagdbezirkes dem Eigentümer nicht länger vorenthalten werden. Entsteht der Eigenjagdbezirk dagegen erst am 1.4.2000 oder später, so muss natürlich der Ablauf des neuen Pachtvertrages in voller Länge abgewartet werden.

  • Entstand der Eigenjagdbezirk bereits vor Abschluss des laufenden Pachtvertrages, ohne dass dies der Jagdgenossenschaft und dem Eigenjagdinhaber bekannt war, z. B. weil die Gelände- oder Eigentumsverhältnisse noch ungeklärt waren, so gilt grundsätzlich nichts anderes; der tatsächliche Flächeneigentümer ist Eigenjagdinhaber geworden, weil es für die Entstehung des Eigenjagdbezirkes nicht auf die Kenntnis ankommt.
  • Ist der Eigenjagdbezirk vorher entstanden, so gehört seine Fläche nach § 8 Abs. 1 BJG nicht zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk, also kann die Jagdgenossenschaft darüber auch nicht verfügen, d. h. verpachten. Was sie nicht hat, kann sie nicht geben! Ein gutgläubiger Erwerb des Jagdausübungsrechts am Eigenjagdbezirk durch den Pächter ist ausgeschlossen.
  • Von der Entstehung des Eigenjagdbezirks scharf zu trennen ist die Frage, ob sich der Eigenjagdinhaber in solchen Fällen auf sein Jagdausübungsrecht berufen kann, oder ob er sich nach Treu und Glauben ausnahmsweise so behandeln lassen muss, als wäre sein Eigenjagdbezirk erst später (bei Kenntniserlangung) entstanden, weil im Zeitpunkt der Verpachtung alle Beteiligten ohne Verschulden davon ausgegangen sind, dass die Flächen zu dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören (siehe WuH 20, 1999, S.56- Eigenjagd(1))

V. Ergebnis

1. Ein Eigenjagdbezirk entsteht automatisch kraft Gesetzes, sobald seine Voraussetzungen vorliegen. Es kommt nicht darauf an, ob der Eigenjagdinhaber, die Jagdgenossenschaft, der Pächter oder die Untere Jagdbehörde davon Kenntnis haben.

2. Nach § 3 der 3. VO zur Durchführung des Treuhandgesetzes wurde die Treuhand am Tage des Inkrafttretens dieser VO (4.9.1990) Eigentümerin der betroffenen Flächen.

Mit Inkrafttreten des BJG in den neuen Bundesländern am 3.10.1990 wurde die Treuhand als Eigentümerin der Flächen nachfolgend auch Inhaberin von Eigenjagdbezirken, sofern die flächenmäßigen Voraussetzungen dafür gegeben waren.

3. Wurden Flächen, die rechtlich einen Eigenjagdbezirk bildeten, als Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirkes mitverpachtet, weil das Vorhandensein eines Eigenjagdbezirkes den Beteiligten nicht bekannt gewesen ist, so ist nach obigem Urteil die Verpachtung hinsichtlich des Eigenjagdbezirkes unwirksam. Die Jagdgenossenschaft kann nicht verpachten, was sie nicht hat (siehe auch WuH 19/1998, Seite 58 und WuH 20/1999, S. 56; Eigenjagd (1)).



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