Neues Waffengesetz
Der Griff der Behörde nach so manchem Jagdschein war vorschnell. Die strengeren Vorschriften über die Zuverlässigkeit finden auf alte Erlaubnisse keine Anwendung |
Von Mark G. v. Pückler
I. Die Rechtsgrundlage
„Eine Erlaubnis nach diesem Gesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.“ § 45 Abs. 2 S. 1 Waffengesetz (neu)
„Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.“ § 5 Abs. 2 Nr. 1a Waffengesetz (neu)
„Fehlen die Zuverlässigkeit oder persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 oder 6 des Waffengesetzes, darf nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 (Falknerjagdschein) erteilt werden.“ § 17 Abs. 1 S. 2 Bundesjagdgesetz (neu)
II. Der Sachverhalt
Jäger J., Inhaber eines Gartenbaugeschäftes, beschäftigte in seinem Betrieb einen polnischen Staatsangehörigen, der weder eine Aufenthaltsgenehmigung, noch eine Arbeitserlaubnis besaß. Er wurde daher am 1. 7. 1999 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Ausländergesetz rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 DM verurteilt.
Nach Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes am 1. April 2003 widerrief das Landratsamt mit Bescheid vom 14. 5. 2003 die Waffenbesitzkarte des J. und erklärte seinen Jagdschein für ungültig und zog ihn ein. Zur Begründung führte es aus, dass J. nach dem neuen Waffengesetz wegen seiner Bestrafung im Jahre 1999 jetzt als unzuverlässig anzusehen sei. Sowohl die Waffenbesitzkarte als auch der Jagdschein waren vor dem 1. April 2003 erteilt worden.
Gleichzeitig ordnete das Landratsamt aus Gründen der öffentlichen Sicherheit die sofortige Vollziehung des Bescheides an, so dass die Klage des J. keine aufschiebende Wirkung entfaltete. Hiergegen beantragte J. vor Gericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Zur Begründung machte er geltend, dass aus der Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz nicht auf die jagd- und waffenrechtliche Unzuverlässigkeit geschlossen werden könne, da beides nichts mit einander zu tun habe. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit habe weder vor dem Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes noch danach bestanden.
III. Die Gerichtsentscheidung
Das Gericht gab J. recht; es ordnete die aufschiebende Wirkung seiner Klage an, weil der Bescheid des Landratsamts sehr wahrscheinlich rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Waffenbesitzkarte und eine Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins seien nicht gegeben.
– Nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG sei eine Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Solche Tatsachen seien hier aber nicht gegeben; denn das Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes sei keine neue Tatsache in diesem Sinne, sondern lediglich eine Änderung des Rechts. Nicht der Sachverhalt habe sich geändert, sondern das Gesetz.
– Die nach Erteilung der Waffenbesitzkarte erfolgte Verurteilung sei im übrigen auch keine Tatsache, die „zur Versagung der Waffenbesitzkarte hätte führen müssen“. Denn diese Frage sei nach dem Recht zu beurteilen, das im Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gegolten habe, hier also nach dem alten Waffengesetz; nicht maßgebend sei hingegen das nachträglich in Kraft getretene neue Waffengesetz, auf das der Widerrufsbescheid gestützt sei.
– Es sei daher nicht möglich, die jetzt geltende strengere Zuverlässigkeitsregelung rückwirkend auf die noch nach altem Recht erteilten Erlaubnisse zu übertragen und zu fragen, ob damals – gemessen am neuen Recht – die nachträglich eingetretene Tatsache zu einer Versagung der Erlaubnis hätte führen müssen.
– Da die Waffenbesitzkarte noch nach dem alten Waffengesetz erteilt worden sei, richte sich daher auch deren Widerruf nach dem alten Recht. Nach diesem hätte die Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz nicht die Unzuverlässigkeit des Waffenbesitzers begründet, so dass sie nicht zur Versagung der Erlaubnis geführt hätte.
– Auch die Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins sei hiernach mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig erfolgt, da die Verschärfung des Rechts aus den oben genannten Gründen keine nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne des § 18 BJG sei. Im übrigen habe im Zeitpunkt der Erteilung/Verlängerung des Jagdscheins noch das alte Recht gegolten, nach dem eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz nicht die jagdrechtliche Unzuverlässigkeit begründet habe. Die jetzt geltende verschärfte Bestimmung des § 17 Abs. 1 S. 2 BJG sei erst nachträglich mit dem Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes eingefügt worden und finde daher auf zuvor erteilte/verlängerte Jagdscheine keine Anwendung.
Verwaltungsgericht Regensburg, Beschluss vom 16. 7. 2003 – RN 7 S 03.1019 – (rechtskräftig)
IV. Weitere Gerichtsentscheidung
1. Bei einer allgemeinen Überprüfung der jagdrechtlichen Zuverlässigkeit stellte das Landratsamt fest, dass J. am 20. 10. 1994 rechtskräftig wegen einer vorsätzlichen Straftat zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden ist.
Es widerrief daraufhin mit Bescheid vom 22. 4. 2003 die am 24. 4. 2002 ausgestellte Waffenbesitzkarte, da nach § 5 Abs.1 Nr. 1b des neuen Waffengesetzes bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr die Dauer der Unzuverlässigkeit zehn Jahre betrage.
Das Gericht kam auch hier zu dem Ergebnis, dass die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben werde, da das Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes keine „nachträglich eingetretene Tatsache“ sei, die „zur Versagung hätte führen müssen“ (wie oben).
Die Waffenbesitzkarte sei nach dem im Zeitpunkt ihrer Ausstellung geltenden alten Waffengesetz rechtmäßig erteilt worden, weil damals seit der Verurteilung fünf Jahre vergangen gewesen seien. Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 11. 6. 2003 – W 6 S 03.538 – (rechtskräftig)
2. Die Beschwerde des Landratsamts gegen den vorstehenden Beschluss wurde inzwischen vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Damit ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg rechtskräftig geworden. Auch der Verwaltungsgerichtshof verneinte das Vorliegen neuer Tatsachen. Des weiteren führte er aus, dass auch ein Widerruf auf der Grundlage des Art. 49 Abs. 2 S 1 Nr. 4 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht möglich sei, weil J. von der Erlaubnis bereits „Gebrauch gemacht“ habe. Ob der Widerruf schließlich auf Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes gestützt werden könne, ließ der Gerichtshof offen. Dagegen spreche, dass nach der Übergangsvorschrift des § 58 Abs. 1 S. 1 WaffG bisherige Erlaubnisse fortgelten würden, soweit nachfolgend nicht Abweichendes bestimmt werde. Letzteres sei aber nicht der Fall, da in den Übergangsvorschriften keine Ausnahme hinsichtlich der neuen Unzuverlässigkeitsregelung enthalten sei. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11.9.2003 – 21 CS 03. 1736 –
V. Ergebnis
1. Eine vor dem 1. April 2003 rechtmäßig erteilte Waffenbesitzkarte (Jagdschein) kann nicht allein deshalb widerrufen (für ungültig erklärt) werden, weil sie (er) nach dem neuen Waffenrecht nicht mehr hätte erteilt werden dürfen. Die strengeren Vorschriften über die Zuverlässigkeit finden auf alte Erlaubnisse/Jagdscheine keine Anwendung.
2. Umgekehrt ist nach obigen Gerichtsentscheidungen für die Neuerteilung oder Verlängerung des Jagdscheins/der Waffenbesitzkarte nach dem 1. April 2003 das neue Waffenrecht mit den strengeren Vorschriften maßgebend, selbst wenn der Betroffene zuvor nach altem Recht schon einen Jagdschein besaß. Denn die Behörde muss das Recht anwenden, das im Zeitpunkt ihrer Entscheidung gilt.
Beispiel: In den oben unter I. und IV. dargestellten Fällen dürfte nach dem 1. April 2003 keine Waffenbesitzkarte und auch kein Jagdschein mehr erteilt werden, weil nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden neuen Recht waffenrechtliche Unzuverlässigkeit vorliegt.
3. Eine Verschärfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsregelung liegt insbesondere darin, dass jetzt
– bei Verurteilung wegen eines Verbrechens keine zeitliche Begrenzung festgelegt ist;
– bei Verurteilung wegen (irgend-)einer sonstigen vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr die Dauer auf zehn Jahre erhöht wurde, auch bei Aussetzung zur Bewährung;
– bei Verurteilung wegen einer Straftat zu einer geringeren Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen jede vorsätzlich begangene Straftat ausreicht, zum Beispiel auch die illegale Beschäftigung eines Ausländers.
Liegt waffenrechtlich Unzuverlässigkeit vor, nicht aber auch jagdrechtlich, so kann nach § 17 Abs.1 S. 2 BJG nur ein Falknerjagdschein erteilt werden, da der Betroffene ja keine Waffen besitzen darf. Das setzt natürlich das Bestehen der Falknerprüfung voraus.